I, 10. Schreiben des Grafen Berchtold an den Grafen Tisza, 8. Juli 1914

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W i e n ,   den 8. Juli 1914            

Soeben verläßt mich Tschirschky, der mir mitteilte, ein Telegramm aus Berlin erhalten zu haben, wonach sein kaiserlicher Herr ihn beauftragt, hier mit allem Nachdruck zu erklären, daß man in Berlin eine Aktion der Monarchie gegen Serbien erwarte, und daß es in Deutschland nicht verstanden würde, wenn wir die gegebene Gelegenheit vorübergehen ließen, ohne einen Schlag zu führen.

Auf meine Bemerkung, daß es uns bei Fassung endgültiger Entschlüsse natürlich von großer Wichtigkeit wäre zu wissen, inwieweit wir auf die Einwirkung Deutschlands in Bukarest rechnen könnten, und was von derselben zu erhoffen wäre, bemerkte der Botschafter, man halte es in Berlin für ausgeschlossen, daß Rumänien in diesem Falle gegen die Monarchie Stellung nehmen könnte. Übrigens habe sich Kaiser Wilhelm auch brieflich an König Carol gewendet, und könne man sich denken, daß dieser Brief an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig gelassen habe!

Aus den weiteren Äußerungen des Botschafters konnte ich ersehen, daß man in Deutschland ein Transigieren unsererseits mit Serbien als Schwächebekenntnis auslegen würde, was nicht ohne Rückwirkung auf unsere Stellung im Dreibunde und die künftige Politik Deutschlands bleiben könnte.

Vorstehende Ausführungen Tschirschkys scheinen mir von solcher Tragweite, daß sie eventuell auch von Einfluß auf Deine Schlußfassungen sein könnten, daher ich Dir ungesäumt davon Mitteilung machen wollte und Dich bitten möchte, mir, wenn Du es für gut findest, diesbezüglich nach Bad Ischl zu telegraphieren (chiffriert), wo ich den morgigen Tag zubringe und mich zum Interpreten Deiner Auffassung bei Seiner Majestät machen könnte.



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