Nr. 417 Prinz Heinrich von Preußen an das König von England, 30. Juli 1914

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Nr. 417
Prinz Heinrich von Preußen an den König von England1


Telegramm (ohne Nummer)                Berlin, den 30. Juli 19142

          His Majesty the King, Buckingham Palace London

     Am here since yesterday, have informed William of what you
kindly told me at Buckingham Palace last Sunday who gratefully
received your message.
     William, much preoccupied, is trying his utmost to fulfill
Nickys appeal to him to work for maintenance of peace and is in
constant telegraphic communication with Nicky who to-day con-
firms news that military measures have been ordered by him equal
to mobilisation, measures which have been taken already five days
ago.
     We are furthermore informed that France is making military
preparations, whereas we have taken no measures, but may be
forced to do so any moment, should our neighbours continue which
then would mean a European war.
     If you really and earnestly wish to prevent this terrible
disaster, may I suggest you using your influence on France and
also Russia to keep neutral, which seems to me would be most
useful.
     This I consider a very good, perhaps the only chance to main-
tain the peace of Europe.
     I may add that now more than ever Germany and England
should lend each other mutual help to prevent a terrible cata-
strophy, which otherwise seems unavoidable.
     Believe me that William is most sincere in his endeavours to
maintain peace, but that the military preparations of his two
neighbours may at last force him to follow their example for the
safety of his own country which otherwise would remain
defenceless.
     I have informed William of my telegram to you and hope you
will receive my informations in the same spirit of friendship which
suggested them.
                                                                           H e n r y

                                   Ü b e r s e t z u n g

     Bin seit gestern hier, habe das, was Du mir so freundlich in Buckingham
Palace am vorigen Sonntag gesagt, Wilhelm mitgeteilt, der Deine Botschaft
dankbar entgegennahm.
     Wilhelm, der sehr besorgt ist, tut sein Äußerstes, um der Bitte Nickys
nachzukommen, für die Erhaltung des Friedens zu wirken. Er steht in
dauerndem telegraphischen Verkehr mit Nicky, der heute die Nachricht be-
stätigt, daß er militärische Maßnahmen angeordnet hat, die einer Mobilmachung
gleichkommen, und daß diese Maßnahmen schon vor fünf Tagen getroffen
wurden.
     Außerdem erhalten wir Nachrichten, daß Frankreich militärische Vor-
bereitungen trifft, während wir keinerlei Maßnahmen verfügt haben, wozu
wir indessen jeden Augenblick gezwungen sein können, wenn unsere Nach-
barn damit fortfahren sollten. Das würde dann einen europäischen Krieg
bedeuten.
     Wenn Du wirklich und ernstlich wünschest, dieses furchtbare Unheil zu
verhindern, darf ich Dir dann vorschlagen. Deinen Einfluß auf Frankreich
und auch auf Rußland dahin auszuüben, daß sie neutral bleiben. Das würde
meiner Ansicht nach von größtem Nutzen sein?
     Ich halte dies für eine sichere und vielleicht die einzige Möglichkeit,
den Frieden Europas zu wahren.
     Ich darf hinzufügen, daß jetzt mehr denn je Deutschland und England
sich gegenseitig unterstützen sollten, um eine furchtbare Katastrophe zu ver-
hindern, die sonst unabwendbar erscheint.
     Glaube mir, daß Wilhelm in seinen Bestrebungen um die Aufrechterhal-
tung des Friedens von der größten Aufrichtigkeit ist. Aber die militärischen
Vorbereitungen seiner beiden Nachbarn können ihn schließlich zwingen, zur
Sicherheit seines eigenen Landes, das sonst wehrlos bleiben würde, ihrem
Beispiel zu folgen.
     Ich habe Wilhelm von meinem Telegramm an Dich unterrichtet und
hoffe. Du wirst meine Mitteilungen in demselben freundschaftlichen Geiste
entgegennehmen, der sie veranlaßt hat.
                                                                           H e i n r i c h


1 Vgl. deutsches Weißbuch vom Mai 1915, S. 44; siehe auch Nr. 452.
2 Das auf Telegrammformular geschriebene und von der Hand des Prinzen
Heinrich unterzeichnete Telegramm lag dem Kaiser vor, der darauf ver-
merkte: »Gelesen. W. 30. VII. 14. 12 h 15 min.« Telegramm ging dann
dem Reichskanzler zu, der sofortige offene Absendung verfügte; Telegramm
215 nachm. zum Haupttelegraphenamt.