I, 19. Immediatvortrag des Grafen Berchtold, 14. Juli 1914: Difference between revisions

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    Bei der heutigen Besprechung, an welcher die beiden Ministerpräsidenten und der königlich ungarische Minister am allerhöchsten Hoflager teilnahmen, ist eine vollkommene Übereinstimmung über die an Serbien zu stellenden Forderungen erzielt worden. Es wird nun an die Redaktion der an Serbien zu richtenden Note geschritten, deren Überprüfung in einer Sonntag, den 19. 1. M., stattfindenden gemeinsamen Besprechung erfolgen wird. Nach erzielter Übereinstimmung über die Form dieser Note wird dieselbe Samstag, den 25. 1. M., in Belgrad überreicht und der serbischen Regierung gleichzeitig eine Frist von 48 Stunden gegeben werden, innerhalb welcher sie unsere Forderungen annehmen muß.
    Dieses Datum wurde mit Rücksicht auf den Besuch des Präsidenten der französischen Republik bei dem Zaren gewählt, der vom 20. bis 25. Juli dauern soll, da alle Anwesenden meine Auffassung teilten, daß die Absendung des Ultimatums während dieser Zusammenkunft in Petersburg als Affront angesehen werden würde, und daß eine persönlich Aussprache des ehrgeizigen Präsidenten der Republik mit Seiner Majestät dem Kaiser von Rußland über die durch die Absendung des Ultimatums geschaffene internationale Lage die Wahrscheinlichkeit eines kriegerischen Eingreifens Rußlands und Frankreichs erhöhen würde.
    Graf Tisza hat die Bedenken, welche er gegen ein kurzfristiges Ultimatum vorgebracht hatte, aufgegeben, da ich auf die militärischen Schwierigkeiten hinwies, die sich aus einer Verzögerung ergeben würden. Auch machte ich geltend, daß selbst nach erfolgter Mobilisierung eine friedliche Beilegung möglich wäre, falls Serbien noch rechtzeitig einlenken würde.
    In diesem Falle müßten wir allerdings von der serbischen Regierung fordern, daß sie die Kosten ersetze, -welche uns durch die Mobilisierung erwachsen seien, und wir müßten bis zur Bezahlung dieser Forderungen ein Faustpfand in Serbien besetzen.
    Graf Tisza hat ferner ausdrücklich betont, daß er seine Zustimmung zu dem beabsichtigten Vorgehen nur unter der Bedingung erteilen könne, daß noch vor Stellung des Ultimatums in einem gemeinsamen Ministerrate der Beschluß gefaßt werde, daß die Monarchie - abgesehen von kleineren Grenzregulierungen - keinen Landerwerb aus dem Kriege gegen Serbien anstrebe.
    Der heute festgesetzte Inhalt der nach Belgrad zu richtenden Note ist ein solcher, daß mit der Wahrscheinlichkeit einer kriegerischen Auseinandersetzung gerechnet werden muß. Falls Serbien aber trotzdem nachgeben und unseren Forderungen entsprechen sollte, so würde ein solches Vorgehen des Königreiches nicht nur eine tiefe Demütigung desselben - pari passu damit eine Einbuße des russischen Prestiges am Balkan - bedeuten, sondern auch für uns gewisse Garantien in der Richtung der Einschränkung der serbischen Wühlarbeit auf unserem Boden involvieren.


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W i e n , den 14. Juli 1914

   Bei der heutigen Besprechung, an welcher die beiden Ministerpräsidenten und der königlich ungarische Minister am allerhöchsten Hoflager teilnahmen, ist eine vollkommene Übereinstimmung über die an Serbien zu stellenden Forderungen erzielt worden. Es wird nun an die Redaktion der an Serbien zu richtenden Note geschritten, deren Überprüfung in einer Sonntag, den 19. 1. M., stattfindenden gemeinsamen Besprechung erfolgen wird. Nach erzielter Übereinstimmung über die Form dieser Note wird dieselbe Samstag, den 25. 1. M., in Belgrad überreicht und der serbischen Regierung gleichzeitig eine Frist von 48 Stunden gegeben werden, innerhalb welcher sie unsere Forderungen annehmen muß. 
   Dieses Datum wurde mit Rücksicht auf den Besuch des Präsidenten der französischen Republik bei dem Zaren gewählt, der vom 20. bis 25. Juli dauern soll, da alle Anwesenden meine Auffassung teilten, daß die Absendung des Ultimatums während dieser Zusammenkunft in Petersburg als Affront angesehen werden würde, und daß eine persönlich Aussprache des ehrgeizigen Präsidenten der Republik mit Seiner Majestät dem Kaiser von Rußland über die durch die Absendung des Ultimatums geschaffene internationale Lage die Wahrscheinlichkeit eines kriegerischen Eingreifens Rußlands und Frankreichs erhöhen würde. 
   Graf Tisza hat die Bedenken, welche er gegen ein kurzfristiges Ultimatum vorgebracht hatte, aufgegeben, da ich auf die militärischen Schwierigkeiten hinwies, die sich aus einer Verzögerung ergeben würden. Auch machte ich geltend, daß selbst nach erfolgter Mobilisierung eine friedliche Beilegung möglich wäre, falls Serbien noch rechtzeitig einlenken würde. 
   In diesem Falle müßten wir allerdings von der serbischen Regierung fordern, daß sie die Kosten ersetze, -welche uns durch die Mobilisierung erwachsen seien, und wir müßten bis zur Bezahlung dieser Forderungen ein Faustpfand in Serbien besetzen. 
   Graf Tisza hat ferner ausdrücklich betont, daß er seine Zustimmung zu dem beabsichtigten Vorgehen nur unter der Bedingung erteilen könne, daß noch vor Stellung des Ultimatums in einem gemeinsamen Ministerrate der Beschluß gefaßt werde, daß die Monarchie - abgesehen von kleineren Grenzregulierungen - keinen Landerwerb aus dem Kriege gegen Serbien anstrebe. 
   Der heute festgesetzte Inhalt der nach Belgrad zu richtenden Note ist ein solcher, daß mit der Wahrscheinlichkeit einer kriegerischen Auseinandersetzung gerechnet werden muß. Falls Serbien aber trotzdem nachgeben und unseren Forderungen entsprechen sollte, so würde ein solches Vorgehen des Königreiches nicht nur eine tiefe Demütigung desselben - pari passu damit eine Einbuße des russischen Prestiges am Balkan - bedeuten, sondern auch für uns gewisse Garantien in der Richtung der Einschränkung der serbischen Wühlarbeit auf unserem Boden involvieren. 

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