I, 41. Schreiben des Grafen Szögyény an Grafen Berchtold, 21. Juli 1914: Difference between revisions

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B e r l i n ,  den 21. Juli 1914


            H o c h g e b o r e n e r  G r a f !
<p align="right">B e r l i n ,  den 21. Juli 1914 &nbsp; &nbsp; &nbsp; &nbsp; &nbsp; &nbsp;</p>


     Mit meinem heutigen Telegramm Nr. 2711 habe ich Euer Exzellenz zu melden die Ehre gehabt, daß nach meiner ergebensten Ansicht es dringend notwendig wäre, die von uns am 23. dieses Monats an Serbien zu übergebende Note früher als den anderen Kabinetten, und zwar ehestens, dem von Berlin mitzuteilen.  
 
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     Mit meinem heutigen Telegramm Nr. 271<ref>Siehe [[I, 39. Graf Szögyény an Grafen Berchtold, 21. Juli 1914|Nr. 39]].</ref> habe ich Euer Exzellenz zu melden die Ehre gehabt, daß nach meiner ergebensten Ansicht es dringend notwendig wäre, die von uns am 23. dieses Monats an Serbien zu übergebende Note früher als den anderen Kabinetten, und zwar ehestens, dem von Berlin mitzuteilen.  
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     Da von Kaiser Wilhelm angefangen alle maßgebenden hiesigen Kreise unserer Aktion Serbien gegenüber von dem ersten Moment an ohne weitere Bedenken in loyalster Weise ihre Unterstützung zugesagt haben, so glaube ich, daß wir eine Verstimmung hier vermeiden sollten, die dadurch entstehen könnte, daß wir durch gleichzeitige Bekanntgabe unserer Note an Serbien an alle Kabinette dasjenige Deutschlands, unseres Bundesgenossen, auf die gleiche Linie mit den Regierungen der anderen Großmächte stellen würden.  
     Da von Kaiser Wilhelm angefangen alle maßgebenden hiesigen Kreise unserer Aktion Serbien gegenüber von dem ersten Moment an ohne weitere Bedenken in loyalster Weise ihre Unterstützung zugesagt haben, so glaube ich, daß wir eine Verstimmung hier vermeiden sollten, die dadurch entstehen könnte, daß wir durch gleichzeitige Bekanntgabe unserer Note an Serbien an alle Kabinette dasjenige Deutschlands, unseres Bundesgenossen, auf die gleiche Linie mit den Regierungen der anderen Großmächte stellen würden.  
     Ich rechne daher zuversichtlichst darauf, daß Euer Exzellenz mir die Ermächtigung erteilen werden, die betreffende Mitteilung (Beilage des Erlasses Nr. 3426, geheim, vom 20. d. M.)2 der hiesigen Regierung sofort zu machen.  
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     Ich rechne daher zuversichtlichst darauf, daß Euer Exzellenz mir die Ermächtigung erteilen werden, die betreffende Mitteilung (Beilage des Erlasses Nr. 3426, geheim, vom 20. d. M.)<ref>Siehe [[I, 30. Graf Berchtold an die k.u.k. Botschafter in Berlin, Rom, Paris, London, St. Petersburg und Konstantinopel, 20. Juli 1914|Nr. 30]].</ref> der hiesigen Regierung sofort zu machen.
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     Wie schon wiederholt, so kam auch heute der Staatssekretär auf die Haltung Italiens in einem eventuellen kriegerischen Konflikte Österreich-Ungarns mit Serbien zu sprechen.  
     Wie schon wiederholt, so kam auch heute der Staatssekretär auf die Haltung Italiens in einem eventuellen kriegerischen Konflikte Österreich-Ungarns mit Serbien zu sprechen.  
     Er äußerte, als langjähriger Kenner der Italiener, seine Befürchtung, daß Italien in unserem Konflikte mit Serbien eine unsichere Haltung einnehmen könnte. (Mein Telegramm Nr. 273, streng geheim, von heute)3.  
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     Herr von Jagow meinte, ohne uns einen direkten Rat geben zu wollen, daß es, um sich Italien zu sichern, angezeigt wäre, wenn wir für den Fall einer kriegerischen Komplikation mit Serbien eine vertrauliche Aussprache mit Italien über unsere Absichten pflegen würden.  
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     Er äußerte, als langjähriger Kenner der Italiener, seine Befürchtung, daß Italien in unserem Konflikte mit Serbien eine unsichere Haltung einnehmen könnte. (Mein Telegramm Nr. 273, streng geheim, von heute)<ref>Siehe [[I, 40. Graf Szögyény an Grafen Berchtold, 21. Juli 1914|Nr. 40]].</ref>.
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     Herr von Jagow meinte, ohne uns einen direkten Rat geben zu wollen, daß es, um sich Italien zu sichern, angezeigt wäre, wenn wir für den Fall einer kriegerischen Komplikation mit Serbien eine vertrauliche Aussprache mit Italien über unsere Absichten pflegen würden.
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     Würden wir, was er, Herr von Jagow, übrigens gar nicht als besonders wünschenswert erachtet, von vorneherein erklären, daß wir nur eine provisorische Besetzung serbischer Gebietsteile im Auge hätten, so würde sich damit Italien wohl beruhigen, im entgegengesetzten Falle jedoch sicherlich die gewohnten Kompensationsverlangen stellen, über die man sich dann allerdings gleich von Anfang an auseinandersetzen sollte.  
     Würden wir, was er, Herr von Jagow, übrigens gar nicht als besonders wünschenswert erachtet, von vorneherein erklären, daß wir nur eine provisorische Besetzung serbischer Gebietsteile im Auge hätten, so würde sich damit Italien wohl beruhigen, im entgegengesetzten Falle jedoch sicherlich die gewohnten Kompensationsverlangen stellen, über die man sich dann allerdings gleich von Anfang an auseinandersetzen sollte.  
     Da Herr von Jagow während dieses akademisch gehaltenen Gespräches ausdrücklich hervorhob, daß er in dieser Beziehung italienischerseits nicht angegangen worden sei und auch dabei absolut nicht auf die Interpretation des Artikels VII des Dreibundvertrages zu sprechen kam, so habe ich auftragsgemäß von Euer Exzellenz geheimen Erlasse Nr. 3438 vom 20. 1. M. keinen Gebrauch gemacht4.  
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     Da Herr von Jagow während dieses akademisch gehaltenen Gespräches ausdrücklich hervorhob, daß er in dieser Beziehung italienischerseits nicht angegangen worden sei und auch dabei absolut nicht auf die Interpretation des Artikels VII des Dreibundvertrages zu sprechen kam, so habe ich auftragsgemäß von Euer Exzellenz geheimen Erlasse Nr. 3438 vom 20. 1. M. keinen Gebrauch gemacht<ref>Vgl. [[I, 32. Graf Berchtold an Herrn von Mérey in Rom und Grafen Szögyény in Berlin, 20. Juli 1914|Nr. 32]]. </ref>.
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     Zum Schlusse glaube ich noch hervorheben zu sollen, daß der Herr Staatssekretär mir klar zu verstehen gab, daß Deutschland selbstredend unbedingt und mit aller Kraft hinter uns stehen werde, daß es aber für die deutsche Regierung gerade aus diesem Grunde von vitalem Interesse sei, beizeiten darüber informiert zu werden »wohin unsere Wege führen«, und insbesondere, ob wir eine provisorische Besetzung serbischen Gebietes vor hätten, oder ob wir, wie dies auch Graf Hoyos bei seiner letzten Unterredung mit dem Reichskanzler durchblicken ließ, eine Aufteilung Serbiens als ultima ratio beabsichtigten.  
     Zum Schlusse glaube ich noch hervorheben zu sollen, daß der Herr Staatssekretär mir klar zu verstehen gab, daß Deutschland selbstredend unbedingt und mit aller Kraft hinter uns stehen werde, daß es aber für die deutsche Regierung gerade aus diesem Grunde von vitalem Interesse sei, beizeiten darüber informiert zu werden »wohin unsere Wege führen«, und insbesondere, ob wir eine provisorische Besetzung serbischen Gebietes vor hätten, oder ob wir, wie dies auch Graf Hoyos bei seiner letzten Unterredung mit dem Reichskanzler durchblicken ließ, eine Aufteilung Serbiens als ultima ratio beabsichtigten.  
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     Genehmigen Euer Exzellenz den Ausdruck meiner Ehrfurcht.
     Genehmigen Euer Exzellenz den Ausdruck meiner Ehrfurcht.
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  <p align="right"> (gez.) Szögyény</p>


    (gez.) Szögyény


    1. Siehe Nr. 39.
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    2. Siehe Nr. 30.


    3. Siehe Nr. 40.
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    4. Vgl. Nr. 32.


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WWI Archive > Dokumente zum Kriegsausbruch > I, 41. Schreiben des Grafen Szögyény an Grafen Berchtold, 21. Juli 1914



B e r l i n , den 21. Juli 1914            


H o c h g e b o r e n e r   G r a f !


Mit meinem heutigen Telegramm Nr. 271[1] habe ich Euer Exzellenz zu melden die Ehre gehabt, daß nach meiner ergebensten Ansicht es dringend notwendig wäre, die von uns am 23. dieses Monats an Serbien zu übergebende Note früher als den anderen Kabinetten, und zwar ehestens, dem von Berlin mitzuteilen.

Da von Kaiser Wilhelm angefangen alle maßgebenden hiesigen Kreise unserer Aktion Serbien gegenüber von dem ersten Moment an ohne weitere Bedenken in loyalster Weise ihre Unterstützung zugesagt haben, so glaube ich, daß wir eine Verstimmung hier vermeiden sollten, die dadurch entstehen könnte, daß wir durch gleichzeitige Bekanntgabe unserer Note an Serbien an alle Kabinette dasjenige Deutschlands, unseres Bundesgenossen, auf die gleiche Linie mit den Regierungen der anderen Großmächte stellen würden.

Ich rechne daher zuversichtlichst darauf, daß Euer Exzellenz mir die Ermächtigung erteilen werden, die betreffende Mitteilung (Beilage des Erlasses Nr. 3426, geheim, vom 20. d. M.)[2] der hiesigen Regierung sofort zu machen.

Wie schon wiederholt, so kam auch heute der Staatssekretär auf die Haltung Italiens in einem eventuellen kriegerischen Konflikte Österreich-Ungarns mit Serbien zu sprechen.

Er äußerte, als langjähriger Kenner der Italiener, seine Befürchtung, daß Italien in unserem Konflikte mit Serbien eine unsichere Haltung einnehmen könnte. (Mein Telegramm Nr. 273, streng geheim, von heute)[3].

Herr von Jagow meinte, ohne uns einen direkten Rat geben zu wollen, daß es, um sich Italien zu sichern, angezeigt wäre, wenn wir für den Fall einer kriegerischen Komplikation mit Serbien eine vertrauliche Aussprache mit Italien über unsere Absichten pflegen würden.

Würden wir, was er, Herr von Jagow, übrigens gar nicht als besonders wünschenswert erachtet, von vorneherein erklären, daß wir nur eine provisorische Besetzung serbischer Gebietsteile im Auge hätten, so würde sich damit Italien wohl beruhigen, im entgegengesetzten Falle jedoch sicherlich die gewohnten Kompensationsverlangen stellen, über die man sich dann allerdings gleich von Anfang an auseinandersetzen sollte.

Da Herr von Jagow während dieses akademisch gehaltenen Gespräches ausdrücklich hervorhob, daß er in dieser Beziehung italienischerseits nicht angegangen worden sei und auch dabei absolut nicht auf die Interpretation des Artikels VII des Dreibundvertrages zu sprechen kam, so habe ich auftragsgemäß von Euer Exzellenz geheimen Erlasse Nr. 3438 vom 20. 1. M. keinen Gebrauch gemacht[4].

Zum Schlusse glaube ich noch hervorheben zu sollen, daß der Herr Staatssekretär mir klar zu verstehen gab, daß Deutschland selbstredend unbedingt und mit aller Kraft hinter uns stehen werde, daß es aber für die deutsche Regierung gerade aus diesem Grunde von vitalem Interesse sei, beizeiten darüber informiert zu werden »wohin unsere Wege führen«, und insbesondere, ob wir eine provisorische Besetzung serbischen Gebietes vor hätten, oder ob wir, wie dies auch Graf Hoyos bei seiner letzten Unterredung mit dem Reichskanzler durchblicken ließ, eine Aufteilung Serbiens als ultima ratio beabsichtigten.

Genehmigen Euer Exzellenz den Ausdruck meiner Ehrfurcht.


(gez.) Szögyény




  1. Siehe Nr. 39.
  2. Siehe Nr. 30.
  3. Siehe Nr. 40.
  4. Vgl. Nr. 32.



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