I, 8. Ministerrat für gemeinsame Angelegenheiten, 7. Juli 1914: Difference between revisions

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<center><strong>Ministerrat f&uuml;r gemeinsame Angelegenheiten</strong></center><br><br>


<center>(7 Juli 1914)</center>
<br><br>K. Z. 58 <p align="right">G.M.K.P.Z. 512</p>
<br><br>
<dd>P r o t o k o l l
<br><br>des zu &nbsp; W i e n &nbsp; am 7. Juli 1914 abgehaltenen &nbsp; M i n i s t e r r a t e s &nbsp; f&uuml;r gemeinsame Angelegenheiten unter
dem Vorsitze des Ministers des k. u. k. Hauses und des &Auml;u&szlig;ern Grafen &nbsp; B e r c h t o l d.
<br><br> <dd>G e g e n w &auml; r t i g e :
<dd> Der k. k. Ministerpr&auml;sident Graf S t &uuml; r g k h ,
<dd> der k. ung. Ministerpr&auml;sident Graf T i s z a ,
<dd> der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Dr. Ritter von B i l i n s k i ,
<dd> der k. u. k. Kriegsminister FZM. Ritter von K r o b a t i n ,
<dd> der k. u. k. Chef des Generalstabes G. d. I. Freiherr von C o n r a d ,
<dd> der Vertreter des k. u. k. Marinekommandanten Konteradmiral von K a i l e r .
<br><br>
<dd>Protokollf&uuml;hrer: Legationsrat Graf Hoyos.
<br><br>
<dd>G e g e n s t a n d : &nbsp;Bosnische Angelegenheiten. Die diplomatische Aktion gegen Serbien.
<br><br>
<dd> Der Vorsitzende er&ouml;ffnet die Sitzung, indem er bemerkt, der Ministerrat sei einberufen
worden, um &uuml;ber die Ma&szlig;nahmen zu beraten, welche zur Sanierung der anl&auml;&szlig;lich der Katastrophe
in Sarajevo zutage getretenen innerpolitischen &Uuml;belst&auml;nde in Bosnien und der Herzegowina
angewendet werden sollten. Es g&auml;be seiner Ansicht nach verschiedene interne Ma&szlig;nahmen
in-Bosnien selbst, deren Anwendung ihm gegen&uuml;ber den krisenhaften Zustanden geboten
erscheine; vorerst sollte man sich aber klar werden, ob der Moment nicht gekommen sei, um
Serbien durch eine Kraft&auml;u&szlig;erung f&uuml;r immer unsch&auml;dlich zu machen. Ein solcher entscheidender
Schlag k&ouml;nne nicht ohne diplomatische Vorbereitungen gef&uuml;hrt werden, daher habe er mit der
deutschen Regierung F&uuml;hlung genommen. Die Besprechungen in Berlin hatten zu einem sehr
befriedigenden Resultate gef&uuml;hrt, indem sowohl Kaiser Wilhelm als Herr von Bethmann Hollweg
uns f&uuml;r den Fall einer kriegerischen Komplikation mit Serbien die unbedingte Unterst&uuml;tzung
Deutschlands mit allem Nachdrucke zugesichert hatten. Nun m&uuml;&szlig;ten wir noch mit Italien und
Rum&auml;nien rechnen, und da sei er in &Uuml;bereinstimmung mit dem Berliner Kabinett der Ansicht, da&szlig;
es besser w&auml;re zu handeln und etwaige Kompensationsanspr&uuml;che abzuwarten.
<dd> Er sei sich klar dar&uuml;ber, da&szlig; ein Waffengang mit Serbien den Krieg mit Ru&szlig;land zur Folge
haben k&ouml;nnte. Ru&szlig;land treibe aber gegenw&auml;rtig eine Politik, die, auf lange Sicht berechnet, den
Zusammenschlu&szlig; der Balkanstaaten, inbegriffen Rum&auml;nien, zum Zwecke hat, um dieselben
sodann im geeignet scheinenden Momente gegen die Monarchie ausspielen zu k&ouml;nnen. Er sei der
Ansicht, da&szlig; wir uns dar&uuml;ber Rechenschaft geben m&uuml;ssen, da&szlig; unsere Situation sich einer solchen
Politik gegen&uuml;ber immer mehr verschlechtern m&uuml;sse, um so mehr, als ein unt&auml;tiges
Gew&auml;hrenlassen bei unseren S&uuml;dslawen und Rum&auml;nien als Zeichen der Schw&auml;che ausgelegt
werden m&uuml;&szlig;te und der werbenden Kraft der beiden angrenzenden - Staatswesen Vorschub leisten
w&uuml;rde.
<dd> Die logische Folge, die sich aus dem Gesagten ergebe, w&auml;re, unseren Gegnern
zuvorzukommen und durch eine rechtzeitige Abrechnung mit Serbien den bereits in vollem Gange
befindlichen Entwicklungsproze&szlig; aufzuhalten, was sp&auml;ter zu tun nicht mehr m&ouml;glich sein w&uuml;rde.
<dd> Der &nbsp; k &ouml; n i g l i c h &nbsp; u n g a r i s c h e &nbsp; M i n i s t e r p r &auml; s i d e n t &nbsp; stimmt damit &uuml;berein, da&szlig; die Lage sich in den
letzten Tagen durch die in der Untersuchung festgestellten Tatsachen und durch die Haltung der
serbischen Presse ver&auml;ndert habe, und betont, da&szlig; auch er die M&ouml;glichkeit einer kriegerischen
Aktion gegen Serbien f&uuml;r naher geruckt halte, als er es gleich nach dem Attentat von Sarajevo
geglaubt habe. Er w&uuml;rde aber einem &uuml;berraschenden Angriff auf Serbien ohne vorhergehende
diplomatische Aktion, wie dies beabsichtigt zu sein scheine und bedauerlicherweise auch in Berlin
durch den Grafen Hoyos besprochen w&uuml;rde, niemals zustimmen, weil wir in diesem Falle, seiner
Ansicht nach, in den Augen Europas einen sehr schlechten Stand h&auml;tten und auch mit gro&szlig;er
Wahrscheinlichkeit mit der Feindschaft des ganzen Balkan - au&szlig;er Bulgariens - rechnen m&uuml;&szlig;ten,
ohne da&szlig; Bulgarien, welches gegenw&auml;rtig sehr geschw&auml;cht sei, uns entsprechend unterst&uuml;tzen
w&uuml;rde.
<dd> Wir m&uuml;&szlig;ten unbedingt Forderungen gegen Serbien formulieren und erst ein Ultimatum
stellen, wenn Serbien sie nicht erf&uuml;lle. Diese Forderungen m&uuml;&szlig;ten zwar harte, aber nicht
unerf&uuml;llbare sein. Wenn Serbien sie annehme, w&uuml;rden wir einen eklatanten diplomatischen Erfolg
aufzuweisen haben und unser Prestige w&uuml;rde am Balkan steigen. Nehme man unsere Forderungen
aber nicht an, so w&uuml;rde auch er f&uuml;r eine kriegerische Aktion sein, m&uuml;sse aber schon jetzt betonen,
da&szlig; wir mit einer solchen zwar die Verkleinerung, nicht aber die vollst&auml;ndige Vernichtung
Serbiens bezwecken durften, weil einerseits diese von Ru&szlig;land ohne einen Kampf auf Leben und
Tod niemals zugegeben werden k&ouml;nnte, und weil auch er als ungarischer Ministerpr&auml;sident es
niemals zugeben k&ouml;nnte, da&szlig; die Monarchie einen Teil von Serbien annektiere.
<dd> Es sei nicht Sache Deutschlands, zu beurteilen, ob wir jetzt gegen Serbien losschlagen
sollten oder nicht. Er pers&ouml;nlich sei der Ansicht, da&szlig; ein Krieg im jetzigen Augenblicke nicht
unbedingt gef&uuml;hrt werden m&uuml;sse. Gegenw&auml;rtig m&uuml;sse man damit rechnen, da&szlig; die Agitation
gegen uns in Rum&auml;nien eine sehr starke sei, da&szlig; wir, angesichts der aufgeregten &ouml;ffentlichen
Meinung, mit einem rum&auml;nischen Angriffe w&uuml;rden rechnen m&uuml;ssen und auf jeden Fall eine
betr&auml;chtliche Macht in Siebenb&uuml;rgen w&uuml;rden halten m&uuml;ssen, um die Rum&auml;nen einzusch&uuml;chtern.
Jetzt, wo Deutschland erfreulicherweise die Bahn zum Anschlu&szlig; Bulgariens an den Dreibund
freigegeben habe, er&ouml;ffne sich uns ein vielversprechendes Gebiet zu einer erfolgreichen
diplomatischen Aktion am Balkan, indem wir durch den Zusammenschlu&szlig; Bulgariens und der
T&uuml;rkei und deren An Schlu&szlig; an den Dreibund ein Gegengewicht gegen Rum&auml;nien und Serbien
schaffen und dadurch Rum&auml;nien zur Wiederkehr zum Dreibunde zwingen k&ouml;nnten. Auf
europ&auml;ischem Gebiete m&uuml;sse man auch ber&uuml;cksichtigen, da&szlig; das Kraftverh&auml;ltnis Frankreichs zu
Deutschland sich wegen der niedrigeren Geburtszahlen immer verschlechtern werde, und da&szlig;
Deutschland daher in der Zukunft immer mehr Truppen gegen Ru&szlig;land disponibel haben w&uuml;rde.
<dd> Dies seien alles Momente, die bei einer so verantwortungsvollen Entschlie&szlig;ung, wie sie
heute gefa&szlig;t werden sollte, bedacht werden m&uuml;&szlig;ten, und daher m&uuml;sse er wieder darauf
zur&uuml;ckkommen, da&szlig; er sich trotz der Krise in Bosnien, die &uuml;brigens auch durch eine energische
Verwaltungsreform im Innern saniert werden k&ouml;nnte, nicht unbedingt f&uuml;r den Krieg entschlie&szlig;en
wolle, sondern auch einen entsprechenden diplomatischen Erfolg, -der eine starke Dem&uuml;tigung
Serbiens mit sich brachte, f&uuml;r geeignet halte, unsere Stellung zu verbessern und uns eine
ersprie&szlig;liche Balkanpolitik zu erm&ouml;glichen.
<dd> Der &nbsp; V o r s i t z e n d e &nbsp; bemerkt hiezu, die Geschichte der letzten Jahre hatte gezeigt, da&szlig;
diplomatische Erfolge gegen Serbien zwar das Ansehen der Monarchie zeitweilig gehoben, aber
die tats&auml;chlich bestehende Spannung in unseren Beziehungen zu Serbien sich nur noch verst&auml;rkt
hatte. Weder unser Erfolg in der Annexionskrise noch jener bei Schaffung Albaniens, noch das
sp&auml;tere Nachgeben Serbiens infolge unseres Ultimatums im Herbste vorigen Jahr es hatte an den
tats&auml;chlichen Verh&auml;ltnis sen etwas ge&auml;ndert . Eine radikale Losung der durch die systematisch von
Belgrad aus betriebene gro&szlig;serbische Propaganda aufgeworfenen Frage, deren zersetzende
Wirkung bei uns bis nach Agram und Zara gesp&uuml;rt werde, sei wohl nur durch ein energisches
Eingreifen m&ouml;glich.
<dd> Bez&uuml;glich der vom k&ouml;niglich ungarischen Ministerpr&auml;sidenten erw&auml;hnten Gefahr einer
feindseligen Haltung Rum&auml;niens bemerkt der Vorsitzende, da&szlig; derzeit eine solche weniger zu
bef&uuml;rchten sei als f&uuml;r die Zukunft, wo sich die rum&auml;nisch-serbische Interessengemeinschaft immer
mehr herausbilden werde. K&ouml;nig Carol habe allerdings gelegentlich Zweifel in der Richtung
ausgesprochen, gegebenenfalls seiner Bundespflicht gegen&uuml;ber der Monarchie durch aktive
Hilfeleistung nachkommen zu k&ouml;nnen. Dagegen sei es kaum anzunehmen, da&szlig; er sich zu einer
kriegerischen Operation gegen die Monarchie hinrei&szlig;en lassen, beziehungsweise einer darauf
hinausgehenden Stimmung der &ouml;ffentlichen Meinung nicht Widerstand leisten k&ouml;nnte.  &Uuml;brigens
komme auch die Furcht Rumaniens vor Bulgarien in Betracht, welche ersteres in seiner
Bewegungsfreiheit selbst unter den heutigen Verh&auml;ltnissen einigerma&szlig;en behindern m&uuml;&szlig;te.
<dd> Was die Bemerkung des ungarischen Ministerpr&auml;sidenten bez&uuml;glich des
Krafteverh&auml;ltnisses zwischen Frankreich und Deutschland anbelange, so glaube er darauf
hinweisen zu sollen, da&szlig; der verminderten Bev&ouml;lkerungszunahme Frankreichs die in ungleich
h&ouml;herem Verh&auml;ltnisse gesteigerte Bev&ouml;lkerungszunahme Ru&szlig;lands gegen&uuml;berstehe, so da&szlig; die
Behauptung, da&szlig; Deutschland in der Zukunft immer mehr disponible Truppen gegen Frankreich
haben werde, wohl nicht stichhaltig erscheine.
<dd> Der k. k. Ministerpr&auml;sident bemerkt, der heutige Ministerrat sei eigentlich zu dem Zwecke
einberufen worden, um &uuml;ber die in Bosnien und der Herzegowina zu ergreifenden inneren
Ma&szlig;regeln zu beraten, die geeignet waren, einerseits die jetzige Untersuchung wegen des
Attentates erfolgreich, zu gestalten und andererseits der gro&szlig;serbischen Bewegung in Bosnien
entgegenzuwirken. Nun m&uuml;&szlig;ten diese Fragen neben der Hauptfrage zur&uuml;cktreten, ob wir die
innere Krise in Bosnien durch eine Kraft&auml;u&szlig;erung gegen Serbien l&ouml;sen sollen.
<dd> Diese Hauptfrage sei durch zwei Momente gerade jetzt aktuell geworden; erstens, weil der
Landeschef f&uuml;r Bosnien und Herzegowina auf Grund seiner Wahrnehmungen und seiner Kenntnis
der bosnischen Verh&auml;ltnisse von der Voraussetzung ausgehe, da&szlig; keine Ma&szlig;regeln im Inneren
einen Erfolg haben k&ouml;nnten, wenn wir uns nicht entschlie&szlig;en, nach au&szlig;en einen kr&auml;ftigen Schlag
gegen Serbien zu f&uuml;hren. Auf Grund dieser Wahrnehmungen des Generals Potiorek m&uuml;sse man
sich die Frage stellen, ob die von Serbien ausgehende schismatische T&auml;tigkeit aufgehalten werden
k&ouml;nnte, und ob wir die beiden Provinzen &uuml;berhaupt halten k&ouml;nnten, wenn wir nicht gegen das
K&ouml;nigreich vorgehen.
<dd> In den letzten Tagen habe die ganze Situation ein anderes Gesicht bekommen und sei jetzt
eine psychologische Situation geschaffen, die seiner Ansicht nach unbedingt zu einer kriegerischen
Auseinandersetzung mit Serbien hindr&auml;nge. Er stimme mit dem k&ouml;niglich ungarischen
Ministerpr&auml;sidenten zwar darin &uuml;berein, da&szlig; wir und nicht die deutsche Regierung beurteilen
m&uuml;&szlig;ten, ob ein Krieg notwendig sei oder nicht; er m&uuml;sse aber doch bemerken, da&szlig; es auf unsere
Entschlie&szlig;ung einen sehr gro&szlig;en Einflu&szlig; aus&uuml;ben sollte, wenn an der Stelle, welche wir als
treueste Stutze unserer Politik im Dreibunde ansehen m&uuml;&szlig;ten, uns, wie wir geh&ouml;rt, ruckhaltlose
Bundnistreue zugesagt und &uuml;berdies nahegelegt werde, sofort zu handeln, nachdem man sich dort
angefragt habe. Graf Tisza sollte diesem Umstande doch Bedeutung beimessen und in Erw&auml;gung
ziehen, da&szlig; wir durch eine Politik des Zauderns und der Schwache Gefahr laufen, dieser
ruckhaltlosen Unterst&uuml;tzung des Deutschen Reiches zu einem sp&auml;teren Zeitpunkte nicht mehr so
sicher zu sein. Es sei dies das zweite Moment, welches bei den zu fassenden Beschl&uuml;ssen neben
dem Interesse an der Herstellung geordneter Verh&auml;ltnisse in Bosnien ber&uuml;cksichtigt werden sollte.
<dd> Wie der Konflikt begonnen werden solle, sei eine Detailfrage, und wenn die ungarische
Regierung der Ansicht sei, da&szlig; ein &uuml;berraschender Angriff &#187;sans crier gare&#171;, wie Graf Tisza sich
ausgedr&uuml;ckt h&auml;tte, nicht gangbar sei, so m&uuml;sse man eben~einen anderen Weg finden; doch w&uuml;rde
er dringendst w&uuml;nschen, da&szlig;, was immer geschehe, rasch gehandelt werde und unsere
Volkswirtschaft vor einer l&auml;ngeren Periode der Beunruhigung bewahrt bleibe. Alles dies seinen
Details neben der prinzipiellen Frage, ob es unbedingt zu einer kriegerischen Aktion kommen solle
oder nicht, und da sei vor allem das Interesse um das Ansehen und den Bestand der Monarchie
ma&szlig;gebend, deren s&uuml;dslawische Provinzen er f&uuml;r verloren halten w&uuml;rde, wenn nichts geschehe.
<dd> Daher sollte man heute prinzipiell beschlie&szlig;en, da&szlig; es zum Handeln kommen wird und
soll. Auch er teile die Meinung des Vorsitzenden, da&szlig; die Situation durch-einen diplomatischen
Erfolg in keiner Weise gebessert werden k&ouml;nnte. Wenn daher der Weg einervorhergehenden
diplomatischen Aktion gegen Serbien aus internationalen Gr&uuml;nden betreten werde, so m&uuml;&szlig;te dies
mit der festen Absicht geschehen, da&szlig; diese Aktion nur mit einem Kriege enden d&uuml;rfe.
<dd>Der &nbsp; g e m e i n s a m e &nbsp; F i n a n z m i n i s t e r &nbsp; bemerkt, Graf St&uuml;rgkh habe sich darauf berufen, da&szlig; der
Landeschef den Krieg w&uuml;nsche. General Potiorek stehe seit zwei Jahren auf dem Standpunkte,
da&szlig; wir eine Kraftprobe mit Serbien bestehen m&uuml;&szlig;ten, um Bosnien und die Herzegowina behalten
zu k&ouml;nnen. Man d&uuml;rfe nicht vergessen, da&szlig; der Landeschef, der an Ort und Stelle sei, die Sachen
besser beurteilen k&ouml;nne. Auch Herr von Bilinski hegt die &Uuml;berzeugung, da&szlig; der
Entscheidungskampf fr&uuml;her oder sp&auml;ter unvermeidlich sei. Er habe nie daran gezweifelt, da&szlig;
Deutschland im Ernstfalle bei uns stehe und habe schon im November 1912 diesbez&uuml;glich von
Herrn von Tschirschky die b&uuml;ndigsten Zusicherungen erhalten. Die j&uuml;ngsten Ereignisse in Bosnien
hatten bei der serbischen Bev&ouml;lkerung eine sehr gef&auml;hrliche Stimmung erzeugt, insbesondere das
Serbenpogrom in Sarajevo habe dazu gef&uuml;hrt, da&szlig; alle Serben sehr erregt und erbittert seien, und
da&szlig; man daher auch nicht mehr entscheiden k&ouml;nne, wer unter den Serben noch loyal und wer
GroBserbe sei. Im Lande selbst werde man diese Situation nie sanieren konnen; das einzige Mittel
hiezu sei eine endg&uuml;ltige Entscheidung dar&uuml;ber, ob die gro&szlig;serbische Idee eine Zukunft habe oder
nicht.
<dd> Wenn auch der k&ouml;niglich ungarische Ministerpr&auml;sident sich jetzt mit einem diplomatischen
Erfolge zufrieden geben w&uuml;rde, so k&ouml;nne er dies vom Standpunkte der bosnischen Interessen
nicht tun. Das Ultimatum, welches wir im vorigen Herbste an Serbien richteten, habe die
Stimmung in Bosnien verschlechtert und den Ha&szlig; gegen uns nur gesteigert. Dort erz&auml;hlt man sich
allgemein im Volke, da&szlig; K&ouml;nig Peter kommen und das Land befreien werde. Der Serbe ist nur der
Gewalt zug&auml;nglich, ein diplomatischer Erfolg w&uuml;rde in Bosnien gar keinen Eindruck machen und
w&auml;re eher sch&auml;dlich als etwas anderes.
<dd> Der &nbsp; k &ouml; n i g l i c h &nbsp; u n g a r i s c h e &nbsp; M i n i s t e r p r &auml; s i d e n t &nbsp; bemerkt, er habe zwar die h&ouml;chste Meinung
von dem derzeitigen Landeschef als Milit&auml;r; was die Zivilverwaltung anbelange, so k&ouml;nne man
aber nicht leugnen, da&szlig; sie vollst&auml;ndig versagt habe, und da&szlig; da eine Reform unbedingt
durchgef&uuml;hrt werden m&uuml;&szlig;te. Er wolle jetzt hierauf nicht naher eingehen, zumal es auch nicht der
Moment sei, um grolle Ver&auml;nderungen vorzunehmen; er m&uuml;sse nur feststellen, da&szlig; bei der Polizei
die unbeschreiblichsten Zustande herrschen m&uuml;ssen, um es moglich zu machen, da&szlig; sechs oder
sieben der Polizei bekannte Gestalten sich am Tage des Attentates auf der Route des ermordeten
Thronfolgers mit Bomben und Revolvern bewaffnet aufstellen konnten ohne da&szlig; die Polizei einen
einzigen beobachtete oder fortschaffte. Er sehe nicht ein, warum die Verh&auml;ltnisse in Bosnien nicht
durch eine gr&uuml;ndliche Reform der Verwaltung  wesentlich gebessert werden k&ouml;nnten.
<dd> Der k. u. k. &nbsp; K r i e g s m i n i s t e r &nbsp; ist der Ansicht, da&szlig; ein diplomatischer Erfolg keinen Wert
habe. Ein solcher Erfolg werde nur als Schwache ausgelegt. Vom milit&auml;rischen Standpunkte
m&uuml;sse er betonen, da&szlig; es g&uuml;nstiger w&auml;re, den Krieg sogleich als zu einem spateren Zeitpunkte zu
fuhren, da sich das Kr&auml;fteverh&auml;ltnis in der Zukunft unverh&auml;ltnism&auml;&szlig;ig zu unseren Ung&uuml;nsten
verschieben werde. Was die Modalit&auml;ten des Kriegsbeginnes betreffe, so m&uuml;sse er hervorheben,
da&szlig; die beiden grollen Kriege der letzten Jahre, sowohl der russisch-japanische Krieg als auch der
Balkankrieg, ohne vorherige Kriegserkl&auml;rung begonnen worden seien. Er sei der Ansicht, da&szlig; man
vorerst nur die gegen Serbien vorgesehene Mobilisierung durchf&uuml;hren und mit der allgemeinen
Mobilisierung zuwarten sollte, bis erkennbar sei, ob Ru&szlig;land sich r&uuml;hre oder nicht.
<dd> Wir h&auml;tten schon zwei Gelegenheiten vers&auml;umt, um die serbische Frage zu losen und
jedesmal die Entscheidung hinausgeschoben. Wenn wir es jetzt wieder taten und auf diese
neuerliche Provokation gar nicht reagierten, so w&uuml;rde dies in allen s&uuml;dslawischen Provinzen als
Zeichen der Schw&auml;che aufgefa&szlig;t werden und wir w&uuml;rden eine St&auml;rkung der gegen uns gerichteten
Agitation herbeif&uuml;hren.
<dd> In milit&auml;rischer Hinsicht w&auml;re es w&uuml;nschenswert, wenn die Mobilisierung sofort und
m&ouml;glichst heimlich durchgef&uuml;hrt w&uuml;rde und eine Sommation an Serbien erst nach vollendeber
Mobilisierung gerichtet werden k&ouml;nnte. Dies w&auml;re auch wegen der russischen Streitkr&auml;fte g&uuml;nstig,
da die russischen Grenzkorps wegen der Ernteurlaube gerade jetzt nicht die vollen St&auml;nde haben.
<dd> Es entspinnt sich hierauf eine Diskussion &uuml;ber die Ziele einer kriegerischen Aktion gegen
Serbien, wobei der Standpunkt des k&ouml;niglich ungarischen Ministerpr&auml;sidenten, da&szlig; Serbien zwar
verkleinert, mit Rucksicht auf Ru&szlig;land aber nicht ganz vernichtet werden d&uuml;rfe, angenommen
wird. Der k. k. &nbsp; M i n i s t e r p r &auml; s i d e n t &nbsp; betont, da&szlig; es sich auch empfehlen durfte, die Dynastie
Karageorgevich zu entfernen und einem europaischen F&uuml;rsten die Krone zu geben sowie ein
gewisses Abh&auml;ngigkeitsverh&auml;ltnis des verkleinerten K&ouml;nigreiches zur Monarchie in milit&auml;rischer
Hinsicht herbeizuf&uuml;hren.
<dd> Der &nbsp; k &ouml; n i g l i c h  &nbsp; u n g a r i s c h e &nbsp; M i n i s t e r p r &auml; s i d e n t &nbsp; ist noch immer der Ansicht, da&szlig; eine
erfolgreiche Balkanpolitik f&uuml;r die Monarchie durch den Anschlu&szlig; . Bulgariens an den Dreibund
m&ouml;glich w&auml;re, und verweist auf die furchtbare Kalamit&auml;t eines europ&auml;ischen Krieges unter - den
derzeitigen Verh&auml;ltnissen. Es m&ouml;ge nicht &uuml;bersehen werden, da&szlig; allerhand Zukunftseventualit&auml;ten
denkbar seien - wie Ablenkung Ru&szlig;lands durch asiatische Komplikationen, Revanchekrieg des
wiedererstarkten Bulgariens gegen Serbien usw., - welche unsere Stellung gegen&uuml;ber dem
gro&szlig;serbischen Probleme wesentlich g&uuml;nstiger gestalten k&ouml;nnten, als dies heute der Fall ist.
<dd> Der &nbsp; V o r s i t z e n d e &nbsp; bemerkt hierzu, da&szlig; man allerdings verschiedene Zukunftsm&ouml;glichkeiten
ausdenken k&ouml;nne, die eine uns g&uuml;nstige Situation ergeben w&uuml;rden. Er bef&uuml;rchte aber, da&szlig; f&uuml;r eine
solche Entwicklung keine Zeit vorhanden sei. Man m&uuml;sse mit der Tatsache rechnen, da&szlig; von
feindlicher Seite ein Entscheidungskampf gegen die Monarchie vorbereitet werde, und da&szlig;
Rum&auml;nien der russischen und franz&ouml;sischen Diplomatie Helfersdienste leiste. Man d&uuml;rfe nicht
annehmen, da&szlig; die Politik mit Bulgarien uns einen vollen Ersatz f&uuml;r den Verlust Rum&auml;niens bieten
k&ouml;nne. Rum&auml;nien sei aber seiner Ansicht nach nicht wieder zu gewinnen, solange die
gro&szlig;serbische Agitation existiere, da diese auch die gro&szlig;rum&auml;nische Agitation zur Folge habe und
Rumanien ihr erst dann entgegentreten k&ouml;nnte, wenn es sich durch die Vernichtung Serbiens am
Balkan isoliert f&uuml;hlen und einsehen w&uuml;rde, da&szlig; es nur am Dreibunde eine St&uuml;tze finden k&ouml;nne.
Auch durfe man nicht ubersehen, da&szlig; bez&uuml;glich des Anschlusses Bulgariens an den Dreibund noch
nicht der erste Schritt geschehen sei. Wir wissen nur, da&szlig; die jetzige bulgarische Regierung vor
Monaten diesen Wunsch ausgesprochen habe und damals auch im Begriffe stand, eine Allianz mit
der T&uuml;rkei einzugehen.  Letzteres sei bisher nicht erfolgt, die T&uuml;rkei vielmehr seither mehr unter
russischen und franz&ouml;sischen Einflu&szlig; geraten. Die Haltung des Ministeriums Radoslawoff gebe
allerdings keinen Grund, daran zu zweifeln, da&szlig; dasselbe auch heute noch entschlossen sei,
positiven Vorschlagen, die von uns in der angedeuteten Richtung in Sofia gemacht werden
k&ouml;nnten, ein williges Ohr zu leihen. Als sicheren Baustein in unserer Balkanpolitik k&ouml;nne man
diese Orientierung aber derzeit noch nicht einsch&auml;tzen; dies um so weniger, als die gegenw&auml;rtige
bulgarische Regierung doch auf sehr schwacher Grundlage stehe, der Anschlu&szlig; an den Dreibund
von der stets bis zu einem gewissen Grade unter russischem Einflusse stehenden &ouml;ffentlichen
Meinung desavouiert und das Ministerium Radoslawoff &uuml;ber den Haufen geworfen werden
k&ouml;nnte. Auch sei zu bedenken, da&szlig; Deutschland die bulgarische Aktion vorderhand nur unter der
Bedingung angenommen habe, da&szlig; die Abmachungen mit Bulgarien keine Spitze gegen Rum&auml;nien
haben durften. Es werde nicht leicht sein, diese Bedingung ganz zu erf&uuml;llen, und k&ouml;nnten daraus
f&uuml;r die Zukunft unklare Situationen sich ergeben.
<dd> Es wird hierauf in l&auml;ngerer Debatte die Kriegsfrage weiter eingehend diskutiert. Am
Schlusse dieser Er&ouml;rterungen kann konstatiert werden:
<dd> 1. Da&szlig; alle Versammelten eine tunlichst rasche Entscheidung des Streitfalles mit Serbien
im kriegerischen oder friedlichen Sinne w&uuml;nschen;
<dd> 2. da&szlig; der Ministerrat bereit w&auml;re, sich der Ansicht des k&ouml;niglich ungarischen
Ministerpr&auml;sidenten anzuschlie&szlig;en, wonach erst mobilisiert werden solle, nachdem konkrete
Forderungen an Serbien gerichtet und dieselben zur&uuml;ckgewiesen sowie ein Ultimatum gestellt
worden ist.
<dd> Dagegen sind alle Anwesenden mit Ausnahme des k&ouml;niglich ungarischen
Ministerpr&auml;sidenten der Ansicht, da&szlig; ein rein diplomatischer Erfolg, wenn er auch mit einer
eklatanten Dem&uuml;tigung Serbiens enden w&uuml;rde, wertlos w&auml;re, und da&szlig; daher solche weitgehende
Forderungen an Serbien gestellt werden m&uuml;&szlig;ten, die ein' Ablehnung voraussehen lie&szlig;en, damit
eine radikale Losung im Weg milit&auml;rischen Eingreifens angebahnt w&uuml;rde.
<dd> G r a f &nbsp; T i s z a &nbsp; bemerkt, da&szlig; er bestrebt sei, dem Standpunkt aller anderen Anwesenden
entgegenzukommen und daher auch insofern eine Konzession machen w&uuml;rde, als er zugeben
wolle, da&szlig; die an Serbien zu richtenden Forderungen sehr harte sein sollten, je doch nicht solcher
Art, da&szlig; man unsere Absicht, unannehmbare Forderungen zu stellen, klar erkennen k&ouml;nne. Sonst
h&auml;tten wir ein unm&ouml;gliche rechtliche Grundlage f&uuml;r eine Kriegserkl&auml;rung. Der Text der Note
m&uuml;sse sehr genau studiert werden, und er w&uuml;rde jedenfalls Wert darauflegen, die Note zur
Einsicht zu erhalten, bevor sie abgesendet werde. Auch m&uuml;sse er betonen, da&szlig; er f&uuml;r seine Person
gen&ouml;tigt w&auml;re, die Konsequenzen daraus zu ziehen, wenn sein Standpunkt nicht ber&uuml;cksichtigt
werde.
<dd> Hierauf wird die Sitzung bis zum Nachmittag unterbrochen.
<dd> Beim Wiederzusammentritt des Ministerrats ist auch der Chef des Generalstabes und der
Stellvertreter des Marinekommandanten anwesend.
<dd> Der &nbsp; K r i e g s m i n i s t e r &nbsp; ergreift auf Wunsch des Vorsitzenden das Wort, um an den Chef des
Generalstabes nachstehende drei Fragen zu richten:
<dd> 1. Ob es m&ouml;glich w&auml;re, zuerst nur gegen Serbien zu mobilisieren, und erst. nachtr&auml;glich,
wenn sich die Notwendigkeit dazu ergibt, auch gegen Ru&szlig;land.
<dd> 2. Ob man zur Einsch&uuml;chterung Rum&auml;niens gr&ouml;&szlig;ere Truppenmengen in Siebenb&uuml;rgen
zur&uuml;ckhalten k&ouml;nnte und
<dd> 3. wo man den Kampf gegen Ru&szlig;land aufnehmen w&uuml;rde.
<dd> Der Chef des Generalstabes gibt auf diese Anfragen geheime Aufkl&auml;rungen und ersucht
darum, da&szlig; dieselben nicht in das Protokoll aufgenommen werden m&ouml;gen.
<dd> Es entspinnt sich auf Grund dieser Aufkl&auml;rungen eine l&auml;ngere Debatte &uuml;ber die
Kr&auml;fteverh&auml;ltnisse und den wahrscheinlichen Verlauf eines europaischen Krieges, die sich wegen
ihres geheimen Charakters nicht zur Aufnahme in das Protokoll eignet.
<dd> Am Schlusse dieser Debatte wiederholt der &nbsp; k &ouml; n i g l i c h &nbsp; u n g a r i s c h e &nbsp; M i n i s t e r p r &auml; s i d e n t &nbsp; seinen
fr&uuml;heren Standpunkt hinsichtlich der Kriegsfrage und richtet einen neuerlichen Appell an die
Anwesenden, sie m&ouml;chten ihre Entscheidung sorgf&auml;ltig pr&uuml;fen.
<dd> Es werden hierauf die Punkte besprochen, welche als die Forderungen an Serbien in der
Note aufgenommen werden k&ouml;nnten.
<dd> Es wurde bez&uuml;glich dieser Punkte im Ministerrate kein definitiver Beschlu&szlig; gefa&szlig;t; sie
wurden nur aufgestellt, um ein Bild dar&uuml;ber zu erlangen, welche Forderungen gestellt werden
k&ouml;nnten.
<dd> Hierauf verla&szlig;t der Chef des Generalstabes und der Vertreter des Marinekommandanten
den Ministerrat, der sich mit der inneren Situation in Bosnien und den daselbst zu ergreifenden
Ma&szlig;nahmen befa&szlig;t. Hierzu ergreift der gemeinsame Finanzminister das Wort und erkl&auml;rt, er habe
aus Konferenzen, die er in den letzten Tagen mit Parteif&uuml;hrern gepflogen, die &Uuml;berzeugung
gewonnen, da&szlig; eine Aufl&ouml;sung des Landtages nicht ratsam w&auml;re, weil sie mit politischen
Verlusten verbunden w&auml;re. Jetzt k&ouml;nne man wegen der allgemeinen Erregung der Gem&uuml;ter keine
Sitzungen abhalten, und er wolle daher den Landtag schlie&szlig;en und erst im September f&uuml;r eine
kurze Session einberufen. Er hoffe, da&szlig; es dann m&ouml;glich sein werde, das Budget und die
Kmetenvorlage votieren zu lassen; dies h&auml;nge in erster Linie davon ab, da&szlig; Dimovich - wie er
hoffe - die Parteileitung der regierungsfreundlichen Serben nicht aus der Hand gebe und so den
Bestand der gegenw&auml;rtigen Regierungsmajorit&auml;t erm&ouml;gliche. Mit der Schlie&szlig;ung des Landtages
h&ouml;rten die Di&auml;ten und auch die Immunit&auml;t der Abgeordneten auf, so da&szlig; der diesbez&uuml;gliche
Wunsch des Landeschefs und auch des Kriegsministers erf&uuml;llt werde, auch wenn er den Landtag
nicht aufl&ouml;se. Herr von Bilinski bespricht sodann eine Reihe anderer Ma&szlig;regeln, welche er f&uuml;r
zweckm&auml;&szlig;ig h&auml;lt, darunter die Aufl&ouml;sung des gro&szlig;en serbischen Vereines Prosvjeta.
<dd> Der &nbsp; k &ouml; n i g l i c h &nbsp; u n g a r i s c h e &nbsp; M i n i s t e r p r &auml; s i d e n t &nbsp; will jetzt .keine gr&ouml;&szlig;eren Ver&auml;nderungen
vorschlagen. Er verweist neuerlich auf die Zust&auml;nde in der Polizei von Sarajevo und erkl&auml;rt, der
Niedergang des administrativen Apparates in Bosnien sei die direkte Folge der seit einigen Jahren
bestehenden pr&auml;ponderierenden Stellung des Landeschefs, der als Milit&auml;r unm&ouml;glich jene
Erfahrung in administrativer Hinsicht besitzen k&ouml;nnte, die f&uuml;r eine gute Verwaltung notwendig
sei.
<dd> Der &nbsp; g e m e i n s a m e &nbsp; F i n a n z m i n i s t e r &nbsp; verteidigt den Landeschef auch als Administrator, gibt
aber zu, da&szlig; es w&uuml;nschenswert w&auml;re, wenn die Zivilverwaltung von der Milit&auml;rverwaltung ganz
getrennt und ein Statthalter wie in Dalmatien neben dem Armeeinspektor eingesetzt w&uuml;rde.
<dd> Es werden sodann an der Hand eines Vorschlages des k. u. k. Kriegsministers spezielle
Ma&szlig;nahmen besprochen, welche in Bosnien verf&uuml;gt werden sollen.
<dd> Hiebei tritt die &uuml;bereinstimmende Ansicht aller Anwesenden zutage, da&szlig; einige Vorschl&auml;ge
General Krobatins anzunehmen w&auml;ren, andere aber zu weit gehen, da&szlig; es aber im allgemeinen
nicht m&ouml;glich sei, &uuml;ber interne Verwaltungsma&szlig;regeln Definitives festzustellen, bevor &uuml;ber die
Hauptfrage, ob der Krieg gegen Serbien gef&uuml;hrt werden soll, eine Entscheidung gefallen sei.
<dd> Der &nbsp; V o r s i t z e n d e &nbsp; konstatiert, da&szlig;, wenn auch noch immer eine Divergenz zwischen den
Ansichten aller Teilnehmer und jener des Grafen Tisza bestehe, man sich n&auml;hergekommen sei,
nachdem auch die Verschl&auml;ge des k&ouml;niglich ungarischen Ministerpr&auml;sidenten aller
Wahrscheinlichkeit nach zu der von ihm und den &uuml;brigen Mitgliedern der Konferenz f&uuml;r
notwendig gehaltenen kriegerischen Auseinandersetzung mit Serbien f&uuml;hren werden.
<dd> Graf Berchtold teilt dem Ministerrate mit, da&szlig; er die Absicht habe, am 8. d. M. nach Ischl
zu reisen und Seiner k. u. k. Apostolischen Majest&auml;t Vortrag zu erstatten. Der &nbsp; k &ouml; n i g l i c h &nbsp;
u n g a r i s c h e &nbsp; M i n i s t e r p r &auml; s i d e n t &nbsp; bittet den Vorsitzenden, Seiner Majest&auml;t auch einen von ihm zu
verfassenden alleruntert&auml;nigsten Vortrag &uuml;ber seine Auffasuung der Lage zu unterbreiten<a href="#N_1_"><sup>1</sup></a>.
<dd> Nachdem ein Communiqu&eacute; f&uuml;r die Presse aufgesetzt worden ist, hebt der Vorsitzende die
Sitzung auf.
<dd>Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
<dd>Wien, am 16. August 1914.
<dd>&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; <b>Franz Joseph</b> m. p.
<br><br> <dd>&nbsp;&nbsp;Schriftf&uuml;hrer:
<dd>A. Hoyos m.p. <p align="right">Berchtold m.p.
<hr>
<references/>





Revision as of 00:34, 9 February 2009

WWI Archive > Dokumente zum Kriegsausbruch > I, 8. Ministerrat für gemeinsame Angelegenheiten, 7. Juli 1914


Ministerrat für gemeinsame Angelegenheiten



(7 Juli 1914)



K. Z. 58

G.M.K.P.Z. 512



P r o t o k o l l

des zu   W i e n   am 7. Juli 1914 abgehaltenen   M i n i s t e r r a t e s   für gemeinsame Angelegenheiten unter dem Vorsitze des Ministers des k. u. k. Hauses und des Äußern Grafen   B e r c h t o l d.

G e g e n w ä r t i g e :
Der k. k. Ministerpräsident Graf S t ü r g k h ,
der k. ung. Ministerpräsident Graf T i s z a ,
der k. u. k. gemeinsame Finanzminister Dr. Ritter von B i l i n s k i ,
der k. u. k. Kriegsminister FZM. Ritter von K r o b a t i n ,
der k. u. k. Chef des Generalstabes G. d. I. Freiherr von C o n r a d ,
der Vertreter des k. u. k. Marinekommandanten Konteradmiral von K a i l e r .

Protokollführer: Legationsrat Graf Hoyos.

G e g e n s t a n d :  Bosnische Angelegenheiten. Die diplomatische Aktion gegen Serbien.

Der Vorsitzende eröffnet die Sitzung, indem er bemerkt, der Ministerrat sei einberufen worden, um über die Maßnahmen zu beraten, welche zur Sanierung der anläßlich der Katastrophe in Sarajevo zutage getretenen innerpolitischen Übelstände in Bosnien und der Herzegowina angewendet werden sollten. Es gäbe seiner Ansicht nach verschiedene interne Maßnahmen in-Bosnien selbst, deren Anwendung ihm gegenüber den krisenhaften Zustanden geboten erscheine; vorerst sollte man sich aber klar werden, ob der Moment nicht gekommen sei, um Serbien durch eine Kraftäußerung für immer unschädlich zu machen. Ein solcher entscheidender Schlag könne nicht ohne diplomatische Vorbereitungen geführt werden, daher habe er mit der deutschen Regierung Fühlung genommen. Die Besprechungen in Berlin hatten zu einem sehr befriedigenden Resultate geführt, indem sowohl Kaiser Wilhelm als Herr von Bethmann Hollweg uns für den Fall einer kriegerischen Komplikation mit Serbien die unbedingte Unterstützung Deutschlands mit allem Nachdrucke zugesichert hatten. Nun müßten wir noch mit Italien und Rumänien rechnen, und da sei er in Übereinstimmung mit dem Berliner Kabinett der Ansicht, daß es besser wäre zu handeln und etwaige Kompensationsansprüche abzuwarten.
Er sei sich klar darüber, daß ein Waffengang mit Serbien den Krieg mit Rußland zur Folge haben könnte. Rußland treibe aber gegenwärtig eine Politik, die, auf lange Sicht berechnet, den Zusammenschluß der Balkanstaaten, inbegriffen Rumänien, zum Zwecke hat, um dieselben sodann im geeignet scheinenden Momente gegen die Monarchie ausspielen zu können. Er sei der Ansicht, daß wir uns darüber Rechenschaft geben müssen, daß unsere Situation sich einer solchen Politik gegenüber immer mehr verschlechtern müsse, um so mehr, als ein untätiges Gewährenlassen bei unseren Südslawen und Rumänien als Zeichen der Schwäche ausgelegt werden müßte und der werbenden Kraft der beiden angrenzenden - Staatswesen Vorschub leisten würde.
Die logische Folge, die sich aus dem Gesagten ergebe, wäre, unseren Gegnern zuvorzukommen und durch eine rechtzeitige Abrechnung mit Serbien den bereits in vollem Gange befindlichen Entwicklungsprozeß aufzuhalten, was später zu tun nicht mehr möglich sein würde.
Der   k ö n i g l i c h   u n g a r i s c h e   M i n i s t e r p r ä s i d e n t   stimmt damit überein, daß die Lage sich in den letzten Tagen durch die in der Untersuchung festgestellten Tatsachen und durch die Haltung der serbischen Presse verändert habe, und betont, daß auch er die Möglichkeit einer kriegerischen Aktion gegen Serbien für naher geruckt halte, als er es gleich nach dem Attentat von Sarajevo geglaubt habe. Er würde aber einem überraschenden Angriff auf Serbien ohne vorhergehende diplomatische Aktion, wie dies beabsichtigt zu sein scheine und bedauerlicherweise auch in Berlin durch den Grafen Hoyos besprochen würde, niemals zustimmen, weil wir in diesem Falle, seiner Ansicht nach, in den Augen Europas einen sehr schlechten Stand hätten und auch mit großer Wahrscheinlichkeit mit der Feindschaft des ganzen Balkan - außer Bulgariens - rechnen müßten, ohne daß Bulgarien, welches gegenwärtig sehr geschwächt sei, uns entsprechend unterstützen würde.
Wir müßten unbedingt Forderungen gegen Serbien formulieren und erst ein Ultimatum stellen, wenn Serbien sie nicht erfülle. Diese Forderungen müßten zwar harte, aber nicht unerfüllbare sein. Wenn Serbien sie annehme, würden wir einen eklatanten diplomatischen Erfolg aufzuweisen haben und unser Prestige würde am Balkan steigen. Nehme man unsere Forderungen aber nicht an, so würde auch er für eine kriegerische Aktion sein, müsse aber schon jetzt betonen, daß wir mit einer solchen zwar die Verkleinerung, nicht aber die vollständige Vernichtung Serbiens bezwecken durften, weil einerseits diese von Rußland ohne einen Kampf auf Leben und Tod niemals zugegeben werden könnte, und weil auch er als ungarischer Ministerpräsident es niemals zugeben könnte, daß die Monarchie einen Teil von Serbien annektiere.
Es sei nicht Sache Deutschlands, zu beurteilen, ob wir jetzt gegen Serbien losschlagen sollten oder nicht. Er persönlich sei der Ansicht, daß ein Krieg im jetzigen Augenblicke nicht unbedingt geführt werden müsse. Gegenwärtig müsse man damit rechnen, daß die Agitation gegen uns in Rumänien eine sehr starke sei, daß wir, angesichts der aufgeregten öffentlichen Meinung, mit einem rumänischen Angriffe würden rechnen müssen und auf jeden Fall eine beträchtliche Macht in Siebenbürgen würden halten müssen, um die Rumänen einzuschüchtern. Jetzt, wo Deutschland erfreulicherweise die Bahn zum Anschluß Bulgariens an den Dreibund freigegeben habe, eröffne sich uns ein vielversprechendes Gebiet zu einer erfolgreichen diplomatischen Aktion am Balkan, indem wir durch den Zusammenschluß Bulgariens und der Türkei und deren An Schluß an den Dreibund ein Gegengewicht gegen Rumänien und Serbien schaffen und dadurch Rumänien zur Wiederkehr zum Dreibunde zwingen könnten. Auf europäischem Gebiete müsse man auch berücksichtigen, daß das Kraftverhältnis Frankreichs zu Deutschland sich wegen der niedrigeren Geburtszahlen immer verschlechtern werde, und daß Deutschland daher in der Zukunft immer mehr Truppen gegen Rußland disponibel haben würde.
Dies seien alles Momente, die bei einer so verantwortungsvollen Entschließung, wie sie heute gefaßt werden sollte, bedacht werden müßten, und daher müsse er wieder darauf zurückkommen, daß er sich trotz der Krise in Bosnien, die übrigens auch durch eine energische Verwaltungsreform im Innern saniert werden könnte, nicht unbedingt für den Krieg entschließen wolle, sondern auch einen entsprechenden diplomatischen Erfolg, -der eine starke Demütigung Serbiens mit sich brachte, für geeignet halte, unsere Stellung zu verbessern und uns eine ersprießliche Balkanpolitik zu ermöglichen.
Der   V o r s i t z e n d e   bemerkt hiezu, die Geschichte der letzten Jahre hatte gezeigt, daß diplomatische Erfolge gegen Serbien zwar das Ansehen der Monarchie zeitweilig gehoben, aber die tatsächlich bestehende Spannung in unseren Beziehungen zu Serbien sich nur noch verstärkt hatte. Weder unser Erfolg in der Annexionskrise noch jener bei Schaffung Albaniens, noch das spätere Nachgeben Serbiens infolge unseres Ultimatums im Herbste vorigen Jahr es hatte an den tatsächlichen Verhältnis sen etwas geändert . Eine radikale Losung der durch die systematisch von Belgrad aus betriebene großserbische Propaganda aufgeworfenen Frage, deren zersetzende Wirkung bei uns bis nach Agram und Zara gespürt werde, sei wohl nur durch ein energisches Eingreifen möglich.
Bezüglich der vom königlich ungarischen Ministerpräsidenten erwähnten Gefahr einer feindseligen Haltung Rumäniens bemerkt der Vorsitzende, daß derzeit eine solche weniger zu befürchten sei als für die Zukunft, wo sich die rumänisch-serbische Interessengemeinschaft immer mehr herausbilden werde. König Carol habe allerdings gelegentlich Zweifel in der Richtung ausgesprochen, gegebenenfalls seiner Bundespflicht gegenüber der Monarchie durch aktive Hilfeleistung nachkommen zu können. Dagegen sei es kaum anzunehmen, daß er sich zu einer kriegerischen Operation gegen die Monarchie hinreißen lassen, beziehungsweise einer darauf hinausgehenden Stimmung der öffentlichen Meinung nicht Widerstand leisten könnte. Übrigens komme auch die Furcht Rumaniens vor Bulgarien in Betracht, welche ersteres in seiner Bewegungsfreiheit selbst unter den heutigen Verhältnissen einigermaßen behindern müßte.
Was die Bemerkung des ungarischen Ministerpräsidenten bezüglich des Krafteverhältnisses zwischen Frankreich und Deutschland anbelange, so glaube er darauf hinweisen zu sollen, daß der verminderten Bevölkerungszunahme Frankreichs die in ungleich höherem Verhältnisse gesteigerte Bevölkerungszunahme Rußlands gegenüberstehe, so daß die Behauptung, daß Deutschland in der Zukunft immer mehr disponible Truppen gegen Frankreich haben werde, wohl nicht stichhaltig erscheine.
Der k. k. Ministerpräsident bemerkt, der heutige Ministerrat sei eigentlich zu dem Zwecke einberufen worden, um über die in Bosnien und der Herzegowina zu ergreifenden inneren Maßregeln zu beraten, die geeignet waren, einerseits die jetzige Untersuchung wegen des Attentates erfolgreich, zu gestalten und andererseits der großserbischen Bewegung in Bosnien entgegenzuwirken. Nun müßten diese Fragen neben der Hauptfrage zurücktreten, ob wir die innere Krise in Bosnien durch eine Kraftäußerung gegen Serbien lösen sollen.
Diese Hauptfrage sei durch zwei Momente gerade jetzt aktuell geworden; erstens, weil der Landeschef für Bosnien und Herzegowina auf Grund seiner Wahrnehmungen und seiner Kenntnis der bosnischen Verhältnisse von der Voraussetzung ausgehe, daß keine Maßregeln im Inneren einen Erfolg haben könnten, wenn wir uns nicht entschließen, nach außen einen kräftigen Schlag gegen Serbien zu führen. Auf Grund dieser Wahrnehmungen des Generals Potiorek müsse man sich die Frage stellen, ob die von Serbien ausgehende schismatische Tätigkeit aufgehalten werden könnte, und ob wir die beiden Provinzen überhaupt halten könnten, wenn wir nicht gegen das Königreich vorgehen.
In den letzten Tagen habe die ganze Situation ein anderes Gesicht bekommen und sei jetzt eine psychologische Situation geschaffen, die seiner Ansicht nach unbedingt zu einer kriegerischen Auseinandersetzung mit Serbien hindränge. Er stimme mit dem königlich ungarischen Ministerpräsidenten zwar darin überein, daß wir und nicht die deutsche Regierung beurteilen müßten, ob ein Krieg notwendig sei oder nicht; er müsse aber doch bemerken, daß es auf unsere Entschließung einen sehr großen Einfluß ausüben sollte, wenn an der Stelle, welche wir als treueste Stutze unserer Politik im Dreibunde ansehen müßten, uns, wie wir gehört, ruckhaltlose Bundnistreue zugesagt und überdies nahegelegt werde, sofort zu handeln, nachdem man sich dort angefragt habe. Graf Tisza sollte diesem Umstande doch Bedeutung beimessen und in Erwägung ziehen, daß wir durch eine Politik des Zauderns und der Schwache Gefahr laufen, dieser ruckhaltlosen Unterstützung des Deutschen Reiches zu einem späteren Zeitpunkte nicht mehr so sicher zu sein. Es sei dies das zweite Moment, welches bei den zu fassenden Beschlüssen neben dem Interesse an der Herstellung geordneter Verhältnisse in Bosnien berücksichtigt werden sollte.
Wie der Konflikt begonnen werden solle, sei eine Detailfrage, und wenn die ungarische Regierung der Ansicht sei, daß ein überraschender Angriff »sans crier gare«, wie Graf Tisza sich ausgedrückt hätte, nicht gangbar sei, so müsse man eben~einen anderen Weg finden; doch würde er dringendst wünschen, daß, was immer geschehe, rasch gehandelt werde und unsere Volkswirtschaft vor einer längeren Periode der Beunruhigung bewahrt bleibe. Alles dies seinen Details neben der prinzipiellen Frage, ob es unbedingt zu einer kriegerischen Aktion kommen solle oder nicht, und da sei vor allem das Interesse um das Ansehen und den Bestand der Monarchie maßgebend, deren südslawische Provinzen er für verloren halten würde, wenn nichts geschehe.
Daher sollte man heute prinzipiell beschließen, daß es zum Handeln kommen wird und soll. Auch er teile die Meinung des Vorsitzenden, daß die Situation durch-einen diplomatischen Erfolg in keiner Weise gebessert werden könnte. Wenn daher der Weg einervorhergehenden diplomatischen Aktion gegen Serbien aus internationalen Gründen betreten werde, so müßte dies mit der festen Absicht geschehen, daß diese Aktion nur mit einem Kriege enden dürfe.
Der   g e m e i n s a m e   F i n a n z m i n i s t e r   bemerkt, Graf Stürgkh habe sich darauf berufen, daß der Landeschef den Krieg wünsche. General Potiorek stehe seit zwei Jahren auf dem Standpunkte, daß wir eine Kraftprobe mit Serbien bestehen müßten, um Bosnien und die Herzegowina behalten zu können. Man dürfe nicht vergessen, daß der Landeschef, der an Ort und Stelle sei, die Sachen besser beurteilen könne. Auch Herr von Bilinski hegt die Überzeugung, daß der Entscheidungskampf früher oder später unvermeidlich sei. Er habe nie daran gezweifelt, daß Deutschland im Ernstfalle bei uns stehe und habe schon im November 1912 diesbezüglich von Herrn von Tschirschky die bündigsten Zusicherungen erhalten. Die jüngsten Ereignisse in Bosnien hatten bei der serbischen Bevölkerung eine sehr gefährliche Stimmung erzeugt, insbesondere das Serbenpogrom in Sarajevo habe dazu geführt, daß alle Serben sehr erregt und erbittert seien, und daß man daher auch nicht mehr entscheiden könne, wer unter den Serben noch loyal und wer GroBserbe sei. Im Lande selbst werde man diese Situation nie sanieren konnen; das einzige Mittel hiezu sei eine endgültige Entscheidung darüber, ob die großserbische Idee eine Zukunft habe oder nicht.
Wenn auch der königlich ungarische Ministerpräsident sich jetzt mit einem diplomatischen Erfolge zufrieden geben würde, so könne er dies vom Standpunkte der bosnischen Interessen nicht tun. Das Ultimatum, welches wir im vorigen Herbste an Serbien richteten, habe die Stimmung in Bosnien verschlechtert und den Haß gegen uns nur gesteigert. Dort erzählt man sich allgemein im Volke, daß König Peter kommen und das Land befreien werde. Der Serbe ist nur der Gewalt zugänglich, ein diplomatischer Erfolg würde in Bosnien gar keinen Eindruck machen und wäre eher schädlich als etwas anderes.
Der   k ö n i g l i c h   u n g a r i s c h e   M i n i s t e r p r ä s i d e n t   bemerkt, er habe zwar die höchste Meinung von dem derzeitigen Landeschef als Militär; was die Zivilverwaltung anbelange, so könne man aber nicht leugnen, daß sie vollständig versagt habe, und daß da eine Reform unbedingt durchgeführt werden müßte. Er wolle jetzt hierauf nicht naher eingehen, zumal es auch nicht der Moment sei, um grolle Veränderungen vorzunehmen; er müsse nur feststellen, daß bei der Polizei die unbeschreiblichsten Zustande herrschen müssen, um es moglich zu machen, daß sechs oder sieben der Polizei bekannte Gestalten sich am Tage des Attentates auf der Route des ermordeten Thronfolgers mit Bomben und Revolvern bewaffnet aufstellen konnten ohne daß die Polizei einen einzigen beobachtete oder fortschaffte. Er sehe nicht ein, warum die Verhältnisse in Bosnien nicht durch eine gründliche Reform der Verwaltung wesentlich gebessert werden könnten.
Der k. u. k.   K r i e g s m i n i s t e r   ist der Ansicht, daß ein diplomatischer Erfolg keinen Wert habe. Ein solcher Erfolg werde nur als Schwache ausgelegt. Vom militärischen Standpunkte müsse er betonen, daß es günstiger wäre, den Krieg sogleich als zu einem spateren Zeitpunkte zu fuhren, da sich das Kräfteverhältnis in der Zukunft unverhältnismäßig zu unseren Ungünsten verschieben werde. Was die Modalitäten des Kriegsbeginnes betreffe, so müsse er hervorheben, daß die beiden grollen Kriege der letzten Jahre, sowohl der russisch-japanische Krieg als auch der Balkankrieg, ohne vorherige Kriegserklärung begonnen worden seien. Er sei der Ansicht, daß man vorerst nur die gegen Serbien vorgesehene Mobilisierung durchführen und mit der allgemeinen Mobilisierung zuwarten sollte, bis erkennbar sei, ob Rußland sich rühre oder nicht.
Wir hätten schon zwei Gelegenheiten versäumt, um die serbische Frage zu losen und jedesmal die Entscheidung hinausgeschoben. Wenn wir es jetzt wieder taten und auf diese neuerliche Provokation gar nicht reagierten, so würde dies in allen südslawischen Provinzen als Zeichen der Schwäche aufgefaßt werden und wir würden eine Stärkung der gegen uns gerichteten Agitation herbeiführen.
In militärischer Hinsicht wäre es wünschenswert, wenn die Mobilisierung sofort und möglichst heimlich durchgeführt würde und eine Sommation an Serbien erst nach vollendeber Mobilisierung gerichtet werden könnte. Dies wäre auch wegen der russischen Streitkräfte günstig, da die russischen Grenzkorps wegen der Ernteurlaube gerade jetzt nicht die vollen Stände haben.
Es entspinnt sich hierauf eine Diskussion über die Ziele einer kriegerischen Aktion gegen Serbien, wobei der Standpunkt des königlich ungarischen Ministerpräsidenten, daß Serbien zwar verkleinert, mit Rucksicht auf Rußland aber nicht ganz vernichtet werden dürfe, angenommen wird. Der k. k.   M i n i s t e r p r ä s i d e n t   betont, daß es sich auch empfehlen durfte, die Dynastie Karageorgevich zu entfernen und einem europaischen Fürsten die Krone zu geben sowie ein gewisses Abhängigkeitsverhältnis des verkleinerten Königreiches zur Monarchie in militärischer Hinsicht herbeizuführen.
Der   k ö n i g l i c h   u n g a r i s c h e   M i n i s t e r p r ä s i d e n t   ist noch immer der Ansicht, daß eine erfolgreiche Balkanpolitik für die Monarchie durch den Anschluß . Bulgariens an den Dreibund möglich wäre, und verweist auf die furchtbare Kalamität eines europäischen Krieges unter - den derzeitigen Verhältnissen. Es möge nicht übersehen werden, daß allerhand Zukunftseventualitäten denkbar seien - wie Ablenkung Rußlands durch asiatische Komplikationen, Revanchekrieg des wiedererstarkten Bulgariens gegen Serbien usw., - welche unsere Stellung gegenüber dem großserbischen Probleme wesentlich günstiger gestalten könnten, als dies heute der Fall ist.
Der   V o r s i t z e n d e   bemerkt hierzu, daß man allerdings verschiedene Zukunftsmöglichkeiten ausdenken könne, die eine uns günstige Situation ergeben würden. Er befürchte aber, daß für eine solche Entwicklung keine Zeit vorhanden sei. Man müsse mit der Tatsache rechnen, daß von feindlicher Seite ein Entscheidungskampf gegen die Monarchie vorbereitet werde, und daß Rumänien der russischen und französischen Diplomatie Helfersdienste leiste. Man dürfe nicht annehmen, daß die Politik mit Bulgarien uns einen vollen Ersatz für den Verlust Rumäniens bieten könne. Rumänien sei aber seiner Ansicht nach nicht wieder zu gewinnen, solange die großserbische Agitation existiere, da diese auch die großrumänische Agitation zur Folge habe und Rumanien ihr erst dann entgegentreten könnte, wenn es sich durch die Vernichtung Serbiens am Balkan isoliert fühlen und einsehen würde, daß es nur am Dreibunde eine Stütze finden könne. Auch durfe man nicht ubersehen, daß bezüglich des Anschlusses Bulgariens an den Dreibund noch nicht der erste Schritt geschehen sei. Wir wissen nur, daß die jetzige bulgarische Regierung vor Monaten diesen Wunsch ausgesprochen habe und damals auch im Begriffe stand, eine Allianz mit der Türkei einzugehen. Letzteres sei bisher nicht erfolgt, die Türkei vielmehr seither mehr unter russischen und französischen Einfluß geraten. Die Haltung des Ministeriums Radoslawoff gebe allerdings keinen Grund, daran zu zweifeln, daß dasselbe auch heute noch entschlossen sei, positiven Vorschlagen, die von uns in der angedeuteten Richtung in Sofia gemacht werden könnten, ein williges Ohr zu leihen. Als sicheren Baustein in unserer Balkanpolitik könne man diese Orientierung aber derzeit noch nicht einschätzen; dies um so weniger, als die gegenwärtige bulgarische Regierung doch auf sehr schwacher Grundlage stehe, der Anschluß an den Dreibund von der stets bis zu einem gewissen Grade unter russischem Einflusse stehenden öffentlichen Meinung desavouiert und das Ministerium Radoslawoff über den Haufen geworfen werden könnte. Auch sei zu bedenken, daß Deutschland die bulgarische Aktion vorderhand nur unter der Bedingung angenommen habe, daß die Abmachungen mit Bulgarien keine Spitze gegen Rumänien haben durften. Es werde nicht leicht sein, diese Bedingung ganz zu erfüllen, und könnten daraus für die Zukunft unklare Situationen sich ergeben.
Es wird hierauf in längerer Debatte die Kriegsfrage weiter eingehend diskutiert. Am Schlusse dieser Erörterungen kann konstatiert werden:
1. Daß alle Versammelten eine tunlichst rasche Entscheidung des Streitfalles mit Serbien im kriegerischen oder friedlichen Sinne wünschen;
2. daß der Ministerrat bereit wäre, sich der Ansicht des königlich ungarischen Ministerpräsidenten anzuschließen, wonach erst mobilisiert werden solle, nachdem konkrete Forderungen an Serbien gerichtet und dieselben zurückgewiesen sowie ein Ultimatum gestellt worden ist.
Dagegen sind alle Anwesenden mit Ausnahme des königlich ungarischen Ministerpräsidenten der Ansicht, daß ein rein diplomatischer Erfolg, wenn er auch mit einer eklatanten Demütigung Serbiens enden würde, wertlos wäre, und daß daher solche weitgehende Forderungen an Serbien gestellt werden müßten, die ein' Ablehnung voraussehen ließen, damit eine radikale Losung im Weg militärischen Eingreifens angebahnt würde.
G r a f   T i s z a   bemerkt, daß er bestrebt sei, dem Standpunkt aller anderen Anwesenden entgegenzukommen und daher auch insofern eine Konzession machen würde, als er zugeben wolle, daß die an Serbien zu richtenden Forderungen sehr harte sein sollten, je doch nicht solcher Art, daß man unsere Absicht, unannehmbare Forderungen zu stellen, klar erkennen könne. Sonst hätten wir ein unmögliche rechtliche Grundlage für eine Kriegserklärung. Der Text der Note müsse sehr genau studiert werden, und er würde jedenfalls Wert darauflegen, die Note zur Einsicht zu erhalten, bevor sie abgesendet werde. Auch müsse er betonen, daß er für seine Person genötigt wäre, die Konsequenzen daraus zu ziehen, wenn sein Standpunkt nicht berücksichtigt werde.
Hierauf wird die Sitzung bis zum Nachmittag unterbrochen.
Beim Wiederzusammentritt des Ministerrats ist auch der Chef des Generalstabes und der Stellvertreter des Marinekommandanten anwesend.
Der   K r i e g s m i n i s t e r   ergreift auf Wunsch des Vorsitzenden das Wort, um an den Chef des Generalstabes nachstehende drei Fragen zu richten:
1. Ob es möglich wäre, zuerst nur gegen Serbien zu mobilisieren, und erst. nachträglich, wenn sich die Notwendigkeit dazu ergibt, auch gegen Rußland.
2. Ob man zur Einschüchterung Rumäniens größere Truppenmengen in Siebenbürgen zurückhalten könnte und
3. wo man den Kampf gegen Rußland aufnehmen würde.
Der Chef des Generalstabes gibt auf diese Anfragen geheime Aufklärungen und ersucht darum, daß dieselben nicht in das Protokoll aufgenommen werden mögen.
Es entspinnt sich auf Grund dieser Aufklärungen eine längere Debatte über die Kräfteverhältnisse und den wahrscheinlichen Verlauf eines europaischen Krieges, die sich wegen ihres geheimen Charakters nicht zur Aufnahme in das Protokoll eignet.
Am Schlusse dieser Debatte wiederholt der   k ö n i g l i c h   u n g a r i s c h e   M i n i s t e r p r ä s i d e n t   seinen früheren Standpunkt hinsichtlich der Kriegsfrage und richtet einen neuerlichen Appell an die Anwesenden, sie möchten ihre Entscheidung sorgfältig prüfen.
Es werden hierauf die Punkte besprochen, welche als die Forderungen an Serbien in der Note aufgenommen werden könnten.
Es wurde bezüglich dieser Punkte im Ministerrate kein definitiver Beschluß gefaßt; sie wurden nur aufgestellt, um ein Bild darüber zu erlangen, welche Forderungen gestellt werden könnten.
Hierauf verlaßt der Chef des Generalstabes und der Vertreter des Marinekommandanten den Ministerrat, der sich mit der inneren Situation in Bosnien und den daselbst zu ergreifenden Maßnahmen befaßt. Hierzu ergreift der gemeinsame Finanzminister das Wort und erklärt, er habe aus Konferenzen, die er in den letzten Tagen mit Parteiführern gepflogen, die Überzeugung gewonnen, daß eine Auflösung des Landtages nicht ratsam wäre, weil sie mit politischen Verlusten verbunden wäre. Jetzt könne man wegen der allgemeinen Erregung der Gemüter keine Sitzungen abhalten, und er wolle daher den Landtag schließen und erst im September für eine kurze Session einberufen. Er hoffe, daß es dann möglich sein werde, das Budget und die Kmetenvorlage votieren zu lassen; dies hänge in erster Linie davon ab, daß Dimovich - wie er hoffe - die Parteileitung der regierungsfreundlichen Serben nicht aus der Hand gebe und so den Bestand der gegenwärtigen Regierungsmajorität ermögliche. Mit der Schließung des Landtages hörten die Diäten und auch die Immunität der Abgeordneten auf, so daß der diesbezügliche Wunsch des Landeschefs und auch des Kriegsministers erfüllt werde, auch wenn er den Landtag nicht auflöse. Herr von Bilinski bespricht sodann eine Reihe anderer Maßregeln, welche er für zweckmäßig hält, darunter die Auflösung des großen serbischen Vereines Prosvjeta.
Der   k ö n i g l i c h   u n g a r i s c h e   M i n i s t e r p r ä s i d e n t   will jetzt .keine größeren Veränderungen vorschlagen. Er verweist neuerlich auf die Zustände in der Polizei von Sarajevo und erklärt, der Niedergang des administrativen Apparates in Bosnien sei die direkte Folge der seit einigen Jahren bestehenden präponderierenden Stellung des Landeschefs, der als Militär unmöglich jene Erfahrung in administrativer Hinsicht besitzen könnte, die für eine gute Verwaltung notwendig sei.
Der   g e m e i n s a m e   F i n a n z m i n i s t e r   verteidigt den Landeschef auch als Administrator, gibt aber zu, daß es wünschenswert wäre, wenn die Zivilverwaltung von der Militärverwaltung ganz getrennt und ein Statthalter wie in Dalmatien neben dem Armeeinspektor eingesetzt würde.
Es werden sodann an der Hand eines Vorschlages des k. u. k. Kriegsministers spezielle Maßnahmen besprochen, welche in Bosnien verfügt werden sollen.
Hiebei tritt die übereinstimmende Ansicht aller Anwesenden zutage, daß einige Vorschläge General Krobatins anzunehmen wären, andere aber zu weit gehen, daß es aber im allgemeinen nicht möglich sei, über interne Verwaltungsmaßregeln Definitives festzustellen, bevor über die Hauptfrage, ob der Krieg gegen Serbien geführt werden soll, eine Entscheidung gefallen sei.
Der   V o r s i t z e n d e   konstatiert, daß, wenn auch noch immer eine Divergenz zwischen den Ansichten aller Teilnehmer und jener des Grafen Tisza bestehe, man sich nähergekommen sei, nachdem auch die Verschläge des königlich ungarischen Ministerpräsidenten aller Wahrscheinlichkeit nach zu der von ihm und den übrigen Mitgliedern der Konferenz für notwendig gehaltenen kriegerischen Auseinandersetzung mit Serbien führen werden.
Graf Berchtold teilt dem Ministerrate mit, daß er die Absicht habe, am 8. d. M. nach Ischl zu reisen und Seiner k. u. k. Apostolischen Majestät Vortrag zu erstatten. Der   k ö n i g l i c h   u n g a r i s c h e   M i n i s t e r p r ä s i d e n t   bittet den Vorsitzenden, Seiner Majestät auch einen von ihm zu verfassenden alleruntertänigsten Vortrag über seine Auffasuung der Lage zu unterbreiten<a href="#N_1_">1</a>.
Nachdem ein Communiqué für die Presse aufgesetzt worden ist, hebt der Vorsitzende die Sitzung auf.
Ich habe den Inhalt dieses Protokolls zur Kenntnis genommen.
Wien, am 16. August 1914.
     Franz Joseph m. p.

  Schriftführer:
A. Hoyos m.p.

Berchtold m.p.





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