III, 135. Graf Berchtold an Grafen Szögyény in Berlin, 5. August 1914

From World War I Document Archive
Revision as of 15:30, 22 May 2009 by Schmetterling (talk | contribs)
(diff) ← Older revision | Latest revision (diff) | Newer revision → (diff)
Jump to navigation Jump to search

WWI Archive > Dokumente zum Kriegsausbruch > III, 135. Graf Berchtold an Grafen Szögyény in Berlin, 5. August 1914



Telegramm Nr. 350


W i e n , den 5. August 1914
Chiffr. 1 Uhr 40 M. a. m. 5./8.


T e l e g r a m m   in   Z i f f e r n


Graf Mensdorff. telegraphiert unterm 4.1. M. wie folgt:

»Eben Sir E. Grey, gesehen. Englische Regierung hat Ultimatum an Deutschland wegen Belgien gerichtet und erwartet Antwort heute Mitternacht.

Grey, tief ergriffen, sagte mir, er sehe vorläufig keine Veranlassung, eine Mitteilung an die k.u. k. Regierung zu richten, und keine Ursache, mit uns in Konflikt zu geraten, solange wir nicht im Kriegszustande mit Frankreich sind. Jedenfalls, hoffe er, daß wir keine Feindseligkeiten eröffnen würden ohne vorherige Formalität der Kriegserklärung. Er wird Sir M. de Bunsen nicht abberufen.

Falls wir mit Frankreich im Kriegszustande wären, würde es wohl schwer sein für England, als Bundesgenosse Frankreichs mit demselben im Atlantischen Meere zu kooperieren und nicht im Mittelländischen Meere.

Seine ganze Mitteilung war in freundschaftlichem Tone und, ich glaube, von dem aufrichtigen Wunsch geleitet, Konflikt mit uns zu vermeiden.

Tyrrell sagte mir nachher vertraulich auf eine Bemerkung von mir, daß jedenfalls für den Augenblick französische Mittelmeerflotte nicht in der Richtung der Adria steuere.

(Ich vermute, sie dürfte Transport der Korps aus Afrika zu sichern berufen sein.)«

Euer Exzellenz wollen vorstehendes dem Auswärtigen Amte mitteilen und beifügen:

Österreich¬Ungarn habe allerdings ein großes Interesse daran, seine Flotte nicht nutzlos der Vernichtung auszusetzen und zu verhüten, daß englische oder französische Landungen an der dalmatinischen Küste vorgenommen werden, welche nicht nur den Gang der Operationen auf dem südlichen Kriegsschauplätzen stören, sondern auch unsere südslawische Bevölkerung impressionieren könnten.

Trotz allen diesen Gründen seien wir aber bereit, das Bundesverhältnis zum Deutschen Reiche voranzustellen und über dessen Wunsch auch mit England in den Kriegszustand einzutreten, sobald unsere Marine ihre Ausrüstung vollendet haben werde.

Auf alle Fälle würde unsere Marineverwaltung Wert darauf legen, daß gemeinsam mit Deutschland eine Aktion in Rom zur Wahrung unserer obenerwähnten Interessen, und zwar irn folgenden Sinne versucht werde:

»Italien wäre zu bewegen, die Einhaltung der strikten Neutralität zu Wasser und zu Lande Frankreich und England gegenüber an die Bedingung zu knüpfen, daß deren Flotte den Breitenparallel von Otranto nicht überschreite, solange dies auch seitens der österreichisch-ungarischen maritimen Streitkräfte nicht geschieht.

Begründung Italien gegenüber: Österreich¬Ungarn behält seine Flotte, die bei geändertem Kräfteverhältnis nach dem Kriege zur Aufrechterhaltung der italienischen Herrschaft im Mittelmeer von großem Wert sein kann. Wenn unsere Flotte aufgerieben wird, ist Italien nach dem Kriege bedingungslos der französich¬englischen Übermacht ausgeliefert.«

Ich ersuche um dringende telephonische Mitteilung des deutschen Standpunktes.


G e h e i m


Ich bemerke streng vertraulich, daß die Anregung der Marinesektion, von deren Resultatlosigkeit ich überzeugt bin, hauptsächlich den Zweck verfolgt, Zeit zu gewinnen, weil ein Teil unserer Flotte noch in der Ausrüstung begriffen ist.



WWI Archive > Dokumente zum Kriegsausbruch > III, 135. Graf Berchtold an Grafen Szögyény in Berlin, 5. August 1914