III, 24. Vorsprache des deutschen Botschafters im k. u. k. Ministerium des Äußern, 29. Juli 1914

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Tagesbericht Nr. 3632


W i e n , den 29. Juli 1914           


Der Herr kaiserlich deutsche Botschafter hat hier eine ihm soeben zugekommene Depesche des Herrn Reichskanzlers zur Verlesung gebracht, die den Gedanken erörtert, ob es nicht zweckmäßig wäre, wenn die k. u. k. Regierung in Petersburg ihre Erklärung wiederholen ließe, daß ihr territoriale Erwerbungen in Serbien durchaus fern lägen, und daß ihre militärischen Maßnahmen lediglich eine vorübergehende Besetzung Belgrads und anderer bestimmter Punkte des serbischen Gebietes bezweckten, um Serbien zur völligen Erfüllung der österreichisch-ungarischen Forderungen und zur Schaffung von Garantien für sein künftiges Wohlverhalten der Monarchie gegenüber zu zwingen. Garantien, auf die Österreich-Ungarn nach den mit Serbien bisher gemachten Erfahrungen unbedingt Anspruch hätte. Die militärische Besetzung wäre gedacht in der Art wie die deutsche Okkupation in Frankreich nach dem Frankfurter Frieden, zur Sicherstellung der Kriegsentschädigung. Sobald diese Forderung erfüllt wäre, würde die Räumung vollzogen werden.

Der Herr Reichskanzler würde in einem solchen Vorgehen Rußland gegenüber ein zweckdienliches Mittel erblicken, um gegebenenfalls das Odium eines Weltkrieges, das bei der gegenwärtigen. Stimmung vielleicht uns treffen könnte, einzig und allein auf Rußland zu schieben. Die Anregung zu der eben erwähnten Demarche beim Petersburger Kabinett bittet der Herr Reichskanzler durchaus nicht dahin zu verstehen, als würde er damit einen Druck auf uns ausüben wollen, oder als läge ihm der Wunsch nahe, uns von unserer Aktion zurückzuhalten. Es leite ihn hiebei. nur das Bestreben, eine Besserung der Bedingungen, unter denen wir einen Weltkrieg führen müßten, und eine Verallgemeinerung der Sympathien unserem Standpunkte gegenüber zu erzielen. Hauptsächlich mit Rücksicht auf die öffentliche Meinung in England würde es von großem Werte sein; wenn durch unser konziliantes Vorgehen Rußland gegenüber es allenthalben klar würde, daß im Falle eines Übergreifens unseres Krieges gegen Serbien auf die Großmächte nicht uns, sondern Rußland allein die Schuld trifft.



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