Nr. 19a. Der Gesandte in Belgrad an den Reichskanzler, 9. Juli 1914: Difference between revisions

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<center>Nr. 19a</center>  
<center>Nr. 19a.</center>  


<center><font size=4>'''Der Gesandte in Belgrad an den Reichskanzler<sup>1</sup>'''</font></center>
<center><font size=4>'''Der Gesandte in Belgrad an den Reichskanzler<sup>1</sup>'''</font></center><br>


Belgrad, den 6. Juh 1914<sup>2</sup>
Belgrad, den 6. Juh 1914<sup>2</sup><br>


Die schicksalsvollen Ereignisse der vergangenen Wochen haben  
Die schicksalsvollen Ereignisse der vergangenen Wochen haben <br>
die allgemeine Aufmerksamkeit in so hohem Maße auf die Wirksam-  
die allgemeine Aufmerksamkeit in so hohem Maße auf die Wirksam- <br>
keit der sogenannten »Narodna Odbranat (wörthch übersetzt Volkswehr  
keit der sogenannten »Narodna Odbranat (wörthch übersetzt Volkswehr <br>
hingelenkt, daß eine zusammenfassende Übersicht ihrer Entstehung,  
hingelenkt, daß eine zusammenfassende Übersicht ihrer Entstehung, <br>
Organisation, Ziele und Mittel im gegenwärtigen Zeitpunkt von be-  
Organisation, Ziele und Mittel im gegenwärtigen Zeitpunkt von be- <br>
sonderem Interesse sein dürfte.  
sonderem Interesse sein dürfte. <br>


Das Jahr 1908, wo Serbien sich gegen die Annexion Bosniens  
Das Jahr 1908, wo Serbien sich gegen die Annexion Bosniens <br>
und der Herzegowina durch die Nachbarmonarchie wild aufbäumte,  
und der Herzegowina durch die Nachbarmonarchie wild aufbäumte,<br>
aber dann, von Rußland im Stich gelassen, sich mit der Einver-  
aber dann, von Rußland im Stich gelassen, sich mit der Einver- <br>
leibung dieser »echt serbischen Ländero in Österreich-Ungarn ab-  
leibung dieser »echt serbischen Ländero in Österreich-Ungarn ab- <br>
finden und sogar vor aller Welt erklären mußte, hierdurch »nicht  
finden und sogar vor aller Welt erklären mußte, hierdurch »nicht <br>
beleidigt zu sein«, hatte der serbischen Volksseele eine nicht ver-  
beleidigt zu sein«, hatte der serbischen Volksseele eine nicht ver- <br>
narbende Wunde geschlagen. Kurz zuvor waren durch den Aus-  
narbende Wunde geschlagen. Kurz zuvor waren durch den Aus- <br>
bruch der jimgtürkischen Revolution die Hoffnungen Serbiens auf  
bruch der jimgtürkischen Revolution die Hoffnungen Serbiens auf <br>
Erwerb von Mazedonien und Altserbien stark verringert worden, und  
Erwerb von Mazedonien und Altserbien stark verringert worden, und <br>
die Früchte einer vieljährigen, kostspieligen und opferreichen Propa-  
die Früchte einer vieljährigen, kostspieligen und opferreichen Propa- <br>
ganda drohten verloren zu gehen. Die Pohtiker aller Parteien salien  
ganda drohten verloren zu gehen. Die Pohtiker aller Parteien salien <br>
die Zukunft des Landes auf das Äußerste gefährdet ; sie waren über-  
die Zukunft des Landes auf das Äußerste gefährdet ; sie waren über- <br>
zeugt, daß Serbien sich nwi mit Einsatz aller Kräfte der Umklamme-  
zeugt, daß Serbien sich nwi mit Einsatz aller Kräfte der Umklamme- <br>
rung durch den übermächtigen Nachbarn erwehren könne. Damals  
rung durch den übermächtigen Nachbarn erwehren könne. Damals <br>
begannen die radikalen Regierungen in Serbien sich ernstlich für  
begannen die radikalen Regierungen in Serbien sich ernstlich für <br>
einen Entscheidlingskampf vorzubereiten und eine Rüstungsanleihe  
einen Entscheidlingskampf vorzubereiten und eine Rüstungsanleihe <br>
nach der andern aufzunehmen. Im Zusammenhang damit trat die  
nach der andern aufzunehmen. Im Zusammenhang damit trat die <br>
Idee der Narodna Odbrana in die Erscheinung.  
Idee der Narodna Odbrana in die Erscheinung. <br>


Sie war gedacht als ein patriotisch-nationalistischer Geheimbund,  
Sie war gedacht als ein patriotisch-nationalistischer Geheimbund, <br>
der nicht bloß das König-reich Serbien, sondern sämtliche Länder mit  
der nicht bloß das König-reich Serbien, sondern sämtliche Länder mit <br>
serbischen Bevölkerungselementen umfassen sollte und bestimmt, das  
serbischen Bevölkerungselementen umfassen sollte und bestimmt, das <br>
Gefühl der Zusammengehörigkeit und Stammeseinheit zu entwickeln  
Gefühl der Zusammengehörigkeit und Stammeseinheit zu entwickeln <br>
und zu kräftigen und auf dem so vorbereiteten Boden an der realen  
und zu kräftigen und auf dem so vorbereiteten Boden an der realen <br>
Durchführung dieser Vereinigung mit aUen Mitteln zu arbeiten. Das  
Durchführung dieser Vereinigung mit aUen Mitteln zu arbeiten. Das <br>
Schlagwort lautete: »Arbeit an der Befreiung der unterjochten  
Schlagwort lautete: »Arbeit an der Befreiung der unterjochten <br>
Brüder.« In die Leitung des Gebeimbundes, als dessen Ehren-  
Brüder.« In die Leitung des Gebeimbundes, als dessen Ehren- <br>
präsident der General a. D. Bosidar Jankowitsch, später Komman-  
präsident der General a. D. Bosidar Jankowitsch, später Komman- <br>
mandant der Ibardivision im serbisch-türkischen Kriege, fungierte,  
mandant der Ibardivision im serbisch-türkischen Kriege, fungierte, <br>
traten Männer der verschiedensten Berufsarten ein : Bccimte, Offiziere  
traten Männer der verschiedensten Berufsarten ein : Bccimte, Offiziere <br>
(insbesondere diejenigen aus der Gruppe der viel besprochenen  
(insbesondere diejenigen aus der Gruppe der viel besprochenen <br>
iischwar^en Hand»), Abgeordnete, Kaufleute, Handwerker u. dgl. Ver-  
iischwar^en Hand»), Abgeordnete, Kaufleute, Handwerker u. dgl. Ver-<br>
trauensmänner des Bundes wurden wie für das Innere Serbiens, so  
trauensmänner des Bundes wurden wie für das Innere Serbiens, so <br>
auch für Südungarn, Bosnien und die Herzegowina, Dalmatien, Alt-  
auch für Südungarn, Bosnien und die Herzegowina, Dalmatien, Alt- <br>
serbien und Mazedonien bestellt. Aber gewitzigt durch die un-  
serbien und Mazedonien bestellt. Aber gewitzigt durch die un- <br>
angenehmen Erfahrungen, die man mit dem früheren »Jugoslowenski  
angenehmen Erfahrungen, die man mit dem früheren »Jugoslowenski <br>
Klub« (Südslawischer Verein) in Serbien gemacht hatte, vermied es  
Klub« (Südslawischer Verein) in Serbien gemacht hatte, vermied es <br>
der neue Geheimbund, sich durch schriftliche Festsetzungen der  
der neue Geheimbund, sich durch schriftliche Festsetzungen der <br>
Gefahr einer Kompromittierung auszusetzen. Insbesondere wurden  
Gefahr einer Kompromittierung auszusetzen. Insbesondere wurden <br>
weder schrifthche Statuten abgefaßt, noch über die Sitzungen schrift-  
weder schrifthche Statuten abgefaßt, noch über die Sitzungen schrift- <br>
liche Protokolle aufgenommen. Die Sitzungen wurden je nach Um-  
liche Protokolle aufgenommen. Die Sitzungen wurden je nach Um- <br>
ständen und Verabredung bei dem einen oder andern der Vorstands-  
ständen und Verabredung bei dem einen oder andern der Vorstands- <br>
mitglieder abgehalten.  
mitglieder abgehalten. <br>


Man war sich darüber einig, daß vor allem die Jugend mit ihrer  
Man war sich darüber einig, daß vor allem die Jugend mit ihrer <br>
Begeisterungsfähigkeit für unklare Freiheitsideen gewonnen werden  
Begeisterungsfähigkeit für unklare Freiheitsideen gewonnen werden<br>
mußte. So begann die Narodna Odbrana mit der systematischen  
mußte. So begann die Narodna Odbrana mit der systematischen <br>
Verhet:(ung und Fanatisierung der Jugend, namenthch der Schuljugend.  
Verhet:(ung und Fanatisierung der Jugend, namenthch der Schuljugend.<br>
Im Königreich Serbien eigneten sich treffhch hierzu die Sokol- und  
Im Königreich Serbien eigneten sich treffhch hierzu die Sokol- und <br>
Duschanow\i- Vereine, in denen mit der großserbischen Agitation  
Duschanow\i- Vereine, in denen mit der großserbischen Agitation <br>
praktische Unterweisung im Waffengebrauch verbunden wurde. In  
praktische Unterweisung im Waffengebrauch verbunden wurde. In <br>
den südslawischen Ländern Österreich-Ungarns, wo derartige öffent-  
den südslawischen Ländern Österreich-Ungarns, wo derartige öffent- <br>
liche Verbindungen auf Widerstand der Behörden stießen, bildeten  
liche Verbindungen auf Widerstand der Behörden stießen, bildeten <br>
sich überall unter den Schülern serbischer NationaUtät geheime  
sich überall unter den Schülern serbischer NationaUtät geheime <br>
Konventikel die sich an der Lektüre aus Serbien eingeschmuggelter  
Konventikel die sich an der Lektüre aus Serbien eingeschmuggelter <br>
chauvinistischer und auch einheimischer großserbischer Blätter be-  
chauvinistischer und auch einheimischer großserbischer Blätter be- <br>
rauschten. Solcher großserbischer Blätter gibt es in Sarajevo,  
rauschten. Solcher großserbischer Blätter gibt es in Sarajevo, <br>
Fiume, Agram die Fülle. In letzterer Stadt ist es z. B. der  
Fiume, Agram die Fülle. In letzterer Stadt ist es z. B. der <br>
»Srbobran«, ein Organ des kroatischen Landtagsabgeordneten und  
»Srbobran«, ein Organ des kroatischen Landtagsabgeordneten und <br>
großserbischen Agitators Swetosar Pribitschewitsch, eines Bruders  
großserbischen Agitators Swetosar Pribitschewitsch, eines Bruders <br>
des jet^t mit dem Attentat in Sarajevo öffentlich in Verbindung ge-  
des jet^t mit dem Attentat in Sarajevo öffentlich in Verbindung ge- <br>
brachten serbischen Majors Milan Pribitschewitsch.  
brachten serbischen Majors Milan Pribitschewitsch. <br>


Ihren Zielen entsprechend wendete die Narodna Odbrana ferner  
Ihren Zielen entsprechend wendete die Narodna Odbrana ferner <br>
dem Bandenwesen in der Türkei ihre besondere Aufmerksamkeit zu.  
dem Bandenwesen in der Türkei ihre besondere Aufmerksamkeit zu. <br>
Sie hat es zwar nicht geschaffen, denn die Komitadjis bestanden  
Sie hat es zwar nicht geschaffen, denn die Komitadjis bestanden <br>
lange vor ihr, aber sie hat zu ihrer Vermehrung und besseren  
lange vor ihr, aber sie hat zu ihrer Vermehrung und besseren <br>
Ausrüstung viel beigetragen. Auf ihre Bearbeitung der Jugend ist  
Ausrüstung viel beigetragen. Auf ihre Bearbeitung der Jugend ist <br>
es mit zurückzuführen, wenn fast täglich Schüler aus den Gymnasien  
es mit zurückzuführen, wenn fast täglich Schüler aus den Gymnasien <br>
und Studenten von der Universität verschwanden, um als Freischärler  
und Studenten von der Universität verschwanden, um als Freischärler <br>
in Makedonien aufyiitauchen, oder wenn junge Offiziere aus der  
in Makedonien aufyiitauchen, oder wenn junge Offiziere aus der <br>
Armee austraten und, mit falschen Pässen versehen, nach Altserbien  
Armee austraten und, mit falschen Pässen versehen, nach Altserbien<br>
gingen. Fragt man, was aus diesen Komitadjis jetzt, nach be-  
gingen. Fragt man, was aus diesen Komitadjis jetzt, nach be- <br>
endetem Krieg und erobertem Mazedonien geworden ist, so ist die  
endetem Krieg und erobertem Mazedonien geworden ist, so ist die<br>
Antwort : ein Teil ist vom Staat bei den verschiedensten Betrieben  
Antwort : ein Teil ist vom Staat bei den verschiedensten Betrieben <br>
(Eisenbahn, Post, Monopol, Zoll, Pohzeiverwaltung) untergebracht,  
(Eisenbahn, Post, Monopol, Zoll, Pohzeiverwaltung) untergebracht, <br>
wo sie meistens kleine Sinekuren inne haben ; ein anderer Teil  
wo sie meistens kleine Sinekuren inne haben ; ein anderer Teil <br>
strolcht arbeitsscheu, und wahrscheinlich von der Narodna Odbrana  
strolcht arbeitsscheu, und wahrscheinlich von der Narodna Odbrana<br>
unterstützt, umher, auf eine Gelegenheit lauernd, wieder seine wilden  
unterstützt, umher, auf eine Gelegenheit lauernd, wieder seine wilden <br>
Instinkte !{u betätigen. Es hat nicht an warnenden Stimmen gefehlt,  
Instinkte !{u betätigen. Es hat nicht an warnenden Stimmen gefehlt, <br>
die auf die Gefahr hinwiesen, jene Komitadjis möchten sich, nun-  
die auf die Gefahr hinwiesen, jene Komitadjis möchten sich, nun- <br>
mehr ihre Arbeit in der Türkei beendet war, Bosnien und Südungarn  
mehr ihre Arbeit in der Türkei beendet war, Bosnien und Südungarn <br>
zum Feld neuer Tätigkeit aussuchen.  
zum Feld neuer Tätigkeit aussuchen. <br>


Was die Mittel betrifft, mit welchen die Narodna Odbrana ihre  
Was die Mittel betrifft, mit welchen die Narodna Odbrana ihre <br>
mannigfachen Ziele bestreitet, so appelhert sie in erster Reihe an  
mannigfachen Ziele bestreitet, so appelhert sie in erster Reihe an <br>
freiwillige Massenbeiträge des Pubhkums. Sie geht dabei von der  
freiwillige Massenbeiträge des Pubhkums. Sie geht dabei von der <br>
gewiß richtigen Ansicht aus, daß kleine Beiträge, die in Massen  
gewiß richtigen Ansicht aus, daß kleine Beiträge, die in Massen <br>
geleistet werden, ein ungleich ergiebigeres Erträgnis liefern, als ver-  
geleistet werden, ein ungleich ergiebigeres Erträgnis liefern, als ver- <br>
einzelte größere Spenden. Es wÄrden daher bei gewissen Gelegen-  
einzelte größere Spenden. Es wÄrden daher bei gewissen Gelegen- <br>
heiten und namentlich an dem auf den 15. Juni a. St. fallenden  
heiten und namentlich an dem auf den 15. Juni a. St. fallenden <br>
St. Veitstage (Widowdan), der der Erinnerung an den Untergang  
St. Veitstage (Widowdan), der der Erinnerung an den Untergang <br>
des mittelalterlichen Großserbiens in der Schlacht auf dem Amsel-  
des mittelalterlichen Großserbiens in der Schlacht auf dem Amsel- <br>
feld gewidmet ist, öffentliche Sammlungen in ganz Serbien veran-  
feld gewidmet ist, öffentliche Sammlungen in ganz Serbien veran- <br>
staltet, die regelmäßig höchst respektable Summen einbringen. So-  
staltet, die regelmäßig höchst respektable Summen einbringen. So- <br>
dann ist es Brauch geworden, bei letzt willigen Verfügungen die  
dann ist es Brauch geworden, bei letzt willigen Verfügungen die <br>
Narodna Odbrana mit Legaten zu bedenken, ebenso, zum Gedächtnis  
Narodna Odbrana mit Legaten zu bedenken, ebenso, zum Gedächtnis <br>
an verstorbene Famihenangehörige der Narodna Odbrana Beiträge  
an verstorbene Famihenangehörige der Narodna Odbrana Beiträge <br>
zu überweisen. Doch hat es mit diesen freiwilhgen Beiträgen keines-  
zu überweisen. Doch hat es mit diesen freiwilhgen Beiträgen keines- <br>
wegs sein Bewenden. Oft genug entsendet die Narodna Odbrana  
wegs sein Bewenden. Oft genug entsendet die Narodna Odbrana <br>
ihre Vertrauensmänner zu reichen Kaufleuten, Banken usw., auch  
ihre Vertrauensmänner zu reichen Kaufleuten, Banken usw., auch <br>
solchen, die, ohne Serben \u sein, mit Serbien in dauernder Geschäfts-  
solchen, die, ohne Serben \u sein, mit Serbien in dauernder Geschäfts-<br>
verbindung stehen, oder, wie man hier zu sagen pflegt, an Serbien  
verbindung stehen, oder, wie man hier zu sagen pflegt, an Serbien <br>
sverdienent und fordert Beiträge. So wurde mir erst kürzUch ein  
sverdienent und fordert Beiträge. So wurde mir erst kürzUch ein <br>
Fall erzählt, wonach ein solcher Vertrauensmann bei der hiesigen  
Fall erzählt, wonach ein solcher Vertrauensmann bei der hiesigen <br>
Filiale der Banque franco-serbe einen Beitrag verlangte und als ihm  
Filiale der Banque franco-serbe einen Beitrag verlangte und als ihm <br>
bemerkt wurde, daß die Bank ohne Genehmigung der Pariser Zentrale  
bemerkt wurde, daß die Bank ohne Genehmigung der Pariser Zentrale <br>
nicht über 100 Fr. beisteuern könne, ausfällig und drohend wurde.  
nicht über 100 Fr. beisteuern könne, ausfällig und drohend wurde. <br>
Der Staat selbst, wenn er gleich, um Verantwortlichkeiten zu ver-  
Der Staat selbst, wenn er gleich, um Verantwortlichkeiten zu ver- <br>
meiden, darauf halten muß, daß die Narodna Odbrana ihren  
meiden, darauf halten muß, daß die Narodna Odbrana ihren <br>
privaten Charakter bewahre, beschränkt sich indes keineswegs auf  
privaten Charakter bewahre, beschränkt sich indes keineswegs auf<br>
die Rolle eines passiven Zuschauers. Unter harmlosen Titeln si?id  
die Rolle eines passiven Zuschauers. Unter harmlosen Titeln si?id <br>
in das Staatsbudget gewisse Positionen aufgenommen, die der Narodna  
in das Staatsbudget gewisse Positionen aufgenommen, die der Narodna <br>
Odbrana :^ugute kommen. Bezüglich der Anschaffung von Flinten  
Odbrana :^ugute kommen. Bezüglich der Anschaffung von Flinten <br>
für Schüler, von Revolvern für Freischärler ist es notorisch, daß  
für Schüler, von Revolvern für Freischärler ist es notorisch, daß <br>
der Staat sie geliefert hat. Charakteristisch ist, daß als Zentral-  
der Staat sie geliefert hat. Charakteristisch ist, daß als Zentral- <br>
stelle für die Verausgabung von Staatsmitteln für solche Zwecke und  
stelle für die Verausgabung von Staatsmitteln für solche Zwecke und<br>
die Abrechnung weder das Ministerium des Äußern, noch das Kriegs-  
die Abrechnung weder das Ministerium des Äußern, noch das Kriegs- <br>
ministerium, sondern dasjenige für Kultus und Unterricht mitwirkt.  
ministerium, sondern dasjenige für Kultus und Unterricht mitwirkt. <br>
Mag daher die serbische Regierung noch so sehr ihren Abscheu  
Mag daher die serbische Regierung noch so sehr ihren Abscheu <br>
und ihre Entrüstung über die in Sarajevo begangene Bluttat kund-  
und ihre Entrüstung über die in Sarajevo begangene Bluttat kund- <br>
geben, mag sie noch so sehr ihre Unschuld beteuern und darauf hin-  
geben, mag sie noch so sehr ihre Unschuld beteuern und darauf hin- <br>
weisen, wie sinn- und zwecklos dieses Verbrechen sei und wie es  
weisen, wie sinn- und zwecklos dieses Verbrechen sei und wie es <br>
der Sache des Serbentums viel eher geschadet als genützt habe,  
der Sache des Serbentums viel eher geschadet als genützt habe, <br>
eines kann sie nicht ableugnen. Sie hat die Atmosphäre geschaffen,  
eines kann sie nicht ableugnen. Sie hat die Atmosphäre geschaffen, <br>
in der solche Explosionen des blinden Fanatismus allein möglich sind.  
in der solche Explosionen des blinden Fanatismus allein möglich sind. <br>
In ihrem Lande und unter den Augen ihrer Behörden sind die Elemente  
In ihrem Lande und unter den Augen ihrer Behörden sind die Elemente <br>
groß gezogen worden, die Serbien vor der ganzen gesitteten Welt  
groß gezogen worden, die Serbien vor der ganzen gesitteten Welt <br>
bloßgestellt und auf eine Stufe wieder herabgedrückt haben, wie der  
bloßgestellt und auf eine Stufe wieder herabgedrückt haben, wie der <br>
verabscheuungs würdige Königsmord des Jahres 1903.  
verabscheuungs würdige Königsmord des Jahres 1903. <br>


V. Griesinger  
V. Griesinger  

Revision as of 15:47, 5 May 2015

WWI Document Archive > Official Papers > Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914 — Volume 1 > Nr. 19a.


Nr. 19a.
Der Gesandte in Belgrad an den Reichskanzler1


Belgrad, den 6. Juh 19142

Die schicksalsvollen Ereignisse der vergangenen Wochen haben
die allgemeine Aufmerksamkeit in so hohem Maße auf die Wirksam-
keit der sogenannten »Narodna Odbranat (wörthch übersetzt Volkswehr
hingelenkt, daß eine zusammenfassende Übersicht ihrer Entstehung,
Organisation, Ziele und Mittel im gegenwärtigen Zeitpunkt von be-
sonderem Interesse sein dürfte.

Das Jahr 1908, wo Serbien sich gegen die Annexion Bosniens
und der Herzegowina durch die Nachbarmonarchie wild aufbäumte,
aber dann, von Rußland im Stich gelassen, sich mit der Einver-
leibung dieser »echt serbischen Ländero in Österreich-Ungarn ab-
finden und sogar vor aller Welt erklären mußte, hierdurch »nicht
beleidigt zu sein«, hatte der serbischen Volksseele eine nicht ver-
narbende Wunde geschlagen. Kurz zuvor waren durch den Aus-
bruch der jimgtürkischen Revolution die Hoffnungen Serbiens auf
Erwerb von Mazedonien und Altserbien stark verringert worden, und
die Früchte einer vieljährigen, kostspieligen und opferreichen Propa-
ganda drohten verloren zu gehen. Die Pohtiker aller Parteien salien
die Zukunft des Landes auf das Äußerste gefährdet ; sie waren über-
zeugt, daß Serbien sich nwi mit Einsatz aller Kräfte der Umklamme-
rung durch den übermächtigen Nachbarn erwehren könne. Damals
begannen die radikalen Regierungen in Serbien sich ernstlich für
einen Entscheidlingskampf vorzubereiten und eine Rüstungsanleihe
nach der andern aufzunehmen. Im Zusammenhang damit trat die
Idee der Narodna Odbrana in die Erscheinung.

Sie war gedacht als ein patriotisch-nationalistischer Geheimbund,
der nicht bloß das König-reich Serbien, sondern sämtliche Länder mit
serbischen Bevölkerungselementen umfassen sollte und bestimmt, das
Gefühl der Zusammengehörigkeit und Stammeseinheit zu entwickeln
und zu kräftigen und auf dem so vorbereiteten Boden an der realen
Durchführung dieser Vereinigung mit aUen Mitteln zu arbeiten. Das
Schlagwort lautete: »Arbeit an der Befreiung der unterjochten
Brüder.« In die Leitung des Gebeimbundes, als dessen Ehren-
präsident der General a. D. Bosidar Jankowitsch, später Komman-
mandant der Ibardivision im serbisch-türkischen Kriege, fungierte,
traten Männer der verschiedensten Berufsarten ein : Bccimte, Offiziere
(insbesondere diejenigen aus der Gruppe der viel besprochenen
iischwar^en Hand»), Abgeordnete, Kaufleute, Handwerker u. dgl. Ver-
trauensmänner des Bundes wurden wie für das Innere Serbiens, so
auch für Südungarn, Bosnien und die Herzegowina, Dalmatien, Alt-
serbien und Mazedonien bestellt. Aber gewitzigt durch die un-
angenehmen Erfahrungen, die man mit dem früheren »Jugoslowenski
Klub« (Südslawischer Verein) in Serbien gemacht hatte, vermied es
der neue Geheimbund, sich durch schriftliche Festsetzungen der
Gefahr einer Kompromittierung auszusetzen. Insbesondere wurden
weder schrifthche Statuten abgefaßt, noch über die Sitzungen schrift-
liche Protokolle aufgenommen. Die Sitzungen wurden je nach Um-
ständen und Verabredung bei dem einen oder andern der Vorstands-
mitglieder abgehalten.

Man war sich darüber einig, daß vor allem die Jugend mit ihrer
Begeisterungsfähigkeit für unklare Freiheitsideen gewonnen werden
mußte. So begann die Narodna Odbrana mit der systematischen
Verhet:(ung und Fanatisierung der Jugend, namenthch der Schuljugend.
Im Königreich Serbien eigneten sich treffhch hierzu die Sokol- und
Duschanow\i- Vereine, in denen mit der großserbischen Agitation
praktische Unterweisung im Waffengebrauch verbunden wurde. In
den südslawischen Ländern Österreich-Ungarns, wo derartige öffent-
liche Verbindungen auf Widerstand der Behörden stießen, bildeten
sich überall unter den Schülern serbischer NationaUtät geheime
Konventikel die sich an der Lektüre aus Serbien eingeschmuggelter
chauvinistischer und auch einheimischer großserbischer Blätter be-
rauschten. Solcher großserbischer Blätter gibt es in Sarajevo,
Fiume, Agram die Fülle. In letzterer Stadt ist es z. B. der
»Srbobran«, ein Organ des kroatischen Landtagsabgeordneten und
großserbischen Agitators Swetosar Pribitschewitsch, eines Bruders
des jet^t mit dem Attentat in Sarajevo öffentlich in Verbindung ge-
brachten serbischen Majors Milan Pribitschewitsch.

Ihren Zielen entsprechend wendete die Narodna Odbrana ferner
dem Bandenwesen in der Türkei ihre besondere Aufmerksamkeit zu.
Sie hat es zwar nicht geschaffen, denn die Komitadjis bestanden
lange vor ihr, aber sie hat zu ihrer Vermehrung und besseren
Ausrüstung viel beigetragen. Auf ihre Bearbeitung der Jugend ist
es mit zurückzuführen, wenn fast täglich Schüler aus den Gymnasien
und Studenten von der Universität verschwanden, um als Freischärler
in Makedonien aufyiitauchen, oder wenn junge Offiziere aus der
Armee austraten und, mit falschen Pässen versehen, nach Altserbien
gingen. Fragt man, was aus diesen Komitadjis jetzt, nach be-
endetem Krieg und erobertem Mazedonien geworden ist, so ist die
Antwort : ein Teil ist vom Staat bei den verschiedensten Betrieben
(Eisenbahn, Post, Monopol, Zoll, Pohzeiverwaltung) untergebracht,
wo sie meistens kleine Sinekuren inne haben ; ein anderer Teil
strolcht arbeitsscheu, und wahrscheinlich von der Narodna Odbrana
unterstützt, umher, auf eine Gelegenheit lauernd, wieder seine wilden
Instinkte !{u betätigen. Es hat nicht an warnenden Stimmen gefehlt,
die auf die Gefahr hinwiesen, jene Komitadjis möchten sich, nun-
mehr ihre Arbeit in der Türkei beendet war, Bosnien und Südungarn
zum Feld neuer Tätigkeit aussuchen.

Was die Mittel betrifft, mit welchen die Narodna Odbrana ihre
mannigfachen Ziele bestreitet, so appelhert sie in erster Reihe an
freiwillige Massenbeiträge des Pubhkums. Sie geht dabei von der
gewiß richtigen Ansicht aus, daß kleine Beiträge, die in Massen
geleistet werden, ein ungleich ergiebigeres Erträgnis liefern, als ver-
einzelte größere Spenden. Es wÄrden daher bei gewissen Gelegen-
heiten und namentlich an dem auf den 15. Juni a. St. fallenden
St. Veitstage (Widowdan), der der Erinnerung an den Untergang
des mittelalterlichen Großserbiens in der Schlacht auf dem Amsel-
feld gewidmet ist, öffentliche Sammlungen in ganz Serbien veran-
staltet, die regelmäßig höchst respektable Summen einbringen. So-
dann ist es Brauch geworden, bei letzt willigen Verfügungen die
Narodna Odbrana mit Legaten zu bedenken, ebenso, zum Gedächtnis
an verstorbene Famihenangehörige der Narodna Odbrana Beiträge
zu überweisen. Doch hat es mit diesen freiwilhgen Beiträgen keines-
wegs sein Bewenden. Oft genug entsendet die Narodna Odbrana
ihre Vertrauensmänner zu reichen Kaufleuten, Banken usw., auch
solchen, die, ohne Serben \u sein, mit Serbien in dauernder Geschäfts-
verbindung stehen, oder, wie man hier zu sagen pflegt, an Serbien
sverdienent und fordert Beiträge. So wurde mir erst kürzUch ein
Fall erzählt, wonach ein solcher Vertrauensmann bei der hiesigen
Filiale der Banque franco-serbe einen Beitrag verlangte und als ihm
bemerkt wurde, daß die Bank ohne Genehmigung der Pariser Zentrale
nicht über 100 Fr. beisteuern könne, ausfällig und drohend wurde.
Der Staat selbst, wenn er gleich, um Verantwortlichkeiten zu ver-
meiden, darauf halten muß, daß die Narodna Odbrana ihren
privaten Charakter bewahre, beschränkt sich indes keineswegs auf
die Rolle eines passiven Zuschauers. Unter harmlosen Titeln si?id
in das Staatsbudget gewisse Positionen aufgenommen, die der Narodna
Odbrana :^ugute kommen. Bezüglich der Anschaffung von Flinten
für Schüler, von Revolvern für Freischärler ist es notorisch, daß
der Staat sie geliefert hat. Charakteristisch ist, daß als Zentral-
stelle für die Verausgabung von Staatsmitteln für solche Zwecke und
die Abrechnung weder das Ministerium des Äußern, noch das Kriegs-
ministerium, sondern dasjenige für Kultus und Unterricht mitwirkt.
Mag daher die serbische Regierung noch so sehr ihren Abscheu
und ihre Entrüstung über die in Sarajevo begangene Bluttat kund-
geben, mag sie noch so sehr ihre Unschuld beteuern und darauf hin-
weisen, wie sinn- und zwecklos dieses Verbrechen sei und wie es
der Sache des Serbentums viel eher geschadet als genützt habe,
eines kann sie nicht ableugnen. Sie hat die Atmosphäre geschaffen,
in der solche Explosionen des blinden Fanatismus allein möglich sind.
In ihrem Lande und unter den Augen ihrer Behörden sind die Elemente
groß gezogen worden, die Serbien vor der ganzen gesitteten Welt
bloßgestellt und auf eine Stufe wieder herabgedrückt haben, wie der
verabscheuungs würdige Königsmord des Jahres 1903.

V. Griesinger sehr gut


1 Nach der Ausfertigung.

2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts : 9. Juli vorm. Lag dem Kaiser vor. Durch Randverfügung des Kaisers an Kultusminister, Minister des Innern und den Polizeipräsidenten von Berlin mitgeteilt.