Nr. 407 Der Reichskanzler an den Kaiser, 30. Juli 1914

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Nr. 407
Der Reichskanzler an den Kaiser1
















natürlich ja

                                   Berlin, den 30. Juli 19142
     Von Ew. M. Botschafter in London traf diese
Nacht das alleruntertänigst beigefügte Telegramm3
ein4. Ew. M. Botschafter in Wien hat gleichfalls
diese Nacht gemeldet, daß er den Vermittelungs-
auftrag Ew. M. bei Graf Berchtold ausgerichtet, trotz
Drängens aber bis Mitternacht keine definitive Ant-
wort erhalten habe5. Ich habe ihn unter Hinweis
auf die vermutliche englische, italienische und rumä-
nische Haltung angewiesen, eine sofortige Erklärung
des Graten Berchtold zu verlangen6, damit diese
Episode in der einen oder anderen Form abge-
schlossen werden könne. Dabei habe ich darauf auf-
merksam gemacht, daß jede Erklärung Wiens an
Petersburg über Zweck und Umfang der österreichi-
schen Aktion gegen Serbien die Schuld Rußlands
nur vergrößern und vor der gesamten Welt öffentlich
dokumentieren würde. Die im Telegramm des
Fürsten Lichnowsky wiedergegebenen englischen Vor-
schläge habe ich dem Grafen Berchtold zur ernsten
Erwägung unterbreitet.
     Sollte England sich stark machen, Österreich
die von ihm in Aussicht gestellten Erfolge7 zu
sichern, so würde darin eine mögliche Satisfaktion
Österreichs Hegen.

                                   A l l e r u n t e r t ä n i g s t

                              v.   B e t h m a n n   H o l l w e g

Inzwischen ist heute Morgen ein Telegramm des Marine Attachés in
London eingelaufen, in dem mitgetheilt wird, daß Sir E.
Grey an Lichnowsky im Privatgespräch gesagt habe, daß, falls wir gegen
     Frankreich zum Kriege kämen, England
uns umgehend, sofort zur See mit seiner Flotte angreifen
werde Erforderlich Gegenmaßregeln, soweit sie unauf-
fällig gemacht werden können gegen Überfälle pp. (a la Port Arthur)
sind bereits im Gange. Ich wundere mich, daß Lichnowsky
noch nichts gemeldet hat.                                         W.


1 Nach dem Konzept. Entwurf von Jagows Hand mit Änderungen des
Reichskanzlers. Auch die an den Kaiser gesandte Ausfertigung befindet
sich jetzt bei den Akten.
2 Ausfertigung 1115 vorm. zur Unterschrift an den Kanzler abgegangen, um
von dort aus durch Automobil an den Kaiser gesandt zu werden ; Rand-
vermerk des Kaisers auf der Ausfertigung: »Abgang 1.30 M. V. M.
30. VII. 14 W.« (»V.M.« irrig statt »nachm.«). Ausfertigung gelangte am
30. Juli an den Kanzler zurück, der wie auch Jagow und Zimmermann
noch am 30. Juli von den k. Randbemerkungen Kenntnis nahm.
3 Siehe Nr. 368.
4 Von dem Jagowschen Entwurf hat der Kanzler nur den ersten Satz
stehen lassen, alles andere gestrichen und dafür die Sätze »Ew. M. Bot-
schafter« bis zum Schluß des Berichts beigefügt. In Jagows Entwurf war
auf »Telegramm ein« gefolgt: »Ich habe darauf sofort das gleichfalls ehr-
erbietigst angeschlossene Telegramm an Ew. M. Botschafter in Wien
abgesandt und Ew. M. Botschafter in London beauftragt, Sir E. Grey (für
seine Offenheit zu danken und ihm) zu sagen, daß wir in Wien weiter
vermitteln und zur Annahme seiner Vorschläge geraten haben.« 
5 Siehe Nr. 388.
6 Siehe Nr. 395.
7 »Erfolge« vom Kaiser unterstrichen, am Rand Fragezeichen des Kaisers.