II, 76. Graf Berchtold an Herrn Otto in Cettinje, 27. Juli 1914

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Telegramm Nr. 139


W i e n , den 27. Juli 1914            
Chiffr. 6 Uhr 45 M. p. m.            


T e l e g r a m m   i n   Z i f f e r n   —   G e h e i m.


Nachdem Serbien die von uns aufgestellten Forderungen abgelehnt hat, haben wir die diplomatischen Beziehungen zu diesem Lande abgebrochen.

Euer Hochwohlgeboren wollen Seiner Majestät dem König Vorstehendes persönlich zur Kenntnis bringen und hiebei bemerken, die durch unsere bisherige Politik bewiesene Geduld und Friedensliebe bildete wohl das beste Argument dafür, daß sich uns keine andere Alternative mehr bot.

Die serbische Regierung, so wollen Euer Hochwohlgeboren fortfahren, hat die Erfüllung der Forderungen, welche wir zur dauernden Sicherung unserer von ihr bedrohten vitalsten Interessen an sie stellen mußten, abgelehnt und damit bekundet, daß sie nicht willens ist, ihre subversiven, auf die stete Beunruhigung einiger unserer Grenzländer und ihre schließliche Lostrennung aus dem Gefüge der Monarchie gerichteten Bestrebungen aufzugeben. Zu unserem Bedauern und sehr gegen unseren Willen sind wir dadurch in die Notwendigkeit versetzt worden, Serbien durch die schärfsten Mittel zu einer grundsätzlichen Änderung seiner bisherigen feindseligen Haltung zu zwingen.

Wir hofften, Seine Majestät der König werde sich nicht der Erkenntnis verschließen, daß das nach den Ergebnissen der Untersuchung in Belgrad vorbereitete und von dortigen Sendlingen ausgeführte Attentat von Sarajevo unsere Serbien gegenüber bisher bewiesene Langmut erschöpfen mußte, und daß wir jetzt mit allen Mitteln bestrebt sein müssen, uns Garantien gegen die Fortdauer der gegenwärtigen unleidlichen Verhältnisse an unserer serbischen Grenze zu verschaffen.

Wir hätten volles Verständnis für die heikle Lage, in der sich Seine Majestät der König mit Rücksicht auf die Rasssengemeinschaft seines Volkes mit den Bewohnern des Königreiches Serbien befinde. Nachdem wir aber keine Eroberungspolitik verfolgten, sondern die Integrität der Monarchie Serbien gegenüber verteidigten, so glaubten wir von der Weisheit König Nikolaus’ erwarten zu können, daß Seine Majestät nicht durch eine vorschnelle Tat die Höchstdemselben und seinem Lande gegenüber bei uns bestehenden wohlwollenden Gesinnungen brüskieren und dadurch eine Entwicklung der Dinge behindern werde, die nach unseren Absichten nur seiner Dynastie und seinem Lande zustatten kommen würde. Je nach der Entwicklung der Ereignisse würden wir im geeigneten Momente auf die Interessen Montenegros, dessen Existenz und Gedeihen als selbständiger Staat uns am Herzen liegt, gewiß Bedacht nehmen.

In ähnlicher Weise wollen Euer Hochwohlgeboren sich dem Minister des Äußern gegenüber aussprechen.

Sollte in der Zwischenzeit ein feindseliger Akt Montenegros gegen die Monarchie erfolgt sein, so hätten Sie Ihre Ausführungen den Umständen angemessen in einigen Teilen zu ändern.



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