III, 88. Herr von Mérey an Grafen Berchtold, 1. August 1914

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Telegramm Nr. 570


R o m , den 1. August 1914
Aufg. 1 Uhr 30 M. a. m.
Eingetr. 11 Uhr • / . a. m.


C h i f f r e   —   S t r e n g   g e h e i m


In einem heute abgehaltenen Ministerrate hat sich, wie mir Minister des Äußern sagte, die Tendenz gezeigt, daß Italien im Falle des europäischen Krieges neutral bleibe. Maßgebend sei die Erwägung gewesen, daß Italien weder die Verpflichtung noch ein Interesse habe, an dem Kriege teilzunehmen. Dreibund sei rein defensiv, Krieg aber von uns provoziert worden, ohne daß wir früher hiesige Regierung von unserer Aktion verständigt hätten. Wie könne man Italien zumuten, daß es Gut und Blut opfere und bei seiner Küstenentwicklung die größte Gefahr laufe; dies alles, um ein Kriegsziel zu erreichen, welches seinem Interesse direkt zuwiderläuft, nämlich eine Veränderung des Status quo am Balkan zum, sei es materiellen, sei es moralischen Vorteil Österreich¬Ungarns. Nachdem wir fast eine Stunde lebhaft hierüber diskutiert hatten, wobei Marquis San Giuliano unter anderem auch unsere »chikanöse« Politik in Albanien sowie die Behandlung der Italiener in der Monarchie erwähnt hatte, meinte er schließlich, es sei noch immer nicht gesagt — da ein formeller Beschluß noch nicht erfolgt — , daß Italien nicht doch — eventuell vielleicht erst später — an dem Kriege teilnehme. Dabei fiel wieder das Wort Kompensation.

Mein Eindruck ist nach wie vor, daß es sich um eine — zum größten Teile bereits gelungene — Chantage handelt. Italien will sowohl für den Fall des lokalisierten als des allgemeinen Krieges sich seine Haltung im voraus bezahlen lassen, das Ergebnis des Krieges bereits im vorhinein eskomptieren.



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