Nr. 134. Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt, 23. Juli 1914

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Nr. 134
Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt1


Telegramm 147                           St. Petersburg, den 23. Juli 19142

     Graf Szápáry erzählt mir, daß bei dem Empfang des diplo-
matischen Korps durch Präsidenten der französischen Republik
Herr Poincare ihn auf die österreichisch-serbische Spannung ange-
redet habe. Präsident habe dabei eine Sprache geführt, die in An-
betracht des Umstandes, daß er sich an einen Diplomaten in einem
Lande, in dem er selbst Gast war, wandte, Befremden erregen
mußte. Graf Szápáry hat daher den Ausführungen des Präsi-
denten gegenüber kühle Zurückhaltung beobachtet. Poincaré hat
unter Aufwand großer Beredsamkeit Botschafter gegenüber Stand-
punkt vertreten, daß es nicht angängig sei, eine Regierung für Ver-
brechen einzelner verantwortlich zu machen. Präsident hat ferner
bemerkt, er wolle zwar nicht insinuieren, daß Österreich-Ungarn
nach einem Vorwand suche, um über Serbien herzufallen, er hoffe
aber, daß Österreich nicht zu schroff gegen diesen Nachbar, »der
auch Freunde habe«, vorgehen werde. Poincaré hat auch taktlose
Anspielung auf negatives Ergebnis des Prohaskaprozesses ge-
macht, was Graf Szäpäry zu der Erwiderung veranlaßt hat, daß
Präsident über die fraglichen Vorgänge nicht unterrichtet scheine.
Mein österreichisch-ungarischer Kollege glaubt, daß Herr Poincaré
hier zu Konflikt gegen Dreibund hetzt; ich möchte vielmehr an-
nehmen, daß Äußerungen des Präsidenten auf Anstiften des Herrn
Sasonow erfolgt sind, der es mit Politik des Bluffs versuchen
möchte. Jedenfalls hat sich Herr Poincare österreichisch-un-
garischem Botschafter gegenüber genau derselben Argumente be-
dient, die Herr Sasonow mir gegenüber in letzten Unterredungen
gebraucht hat.

                                                                      P o u r t a l è s


1 Nach der Entzifferung.
2 Aufgegeben in Petersburg, 23. Juli 53 nachm., angekommen im Aus-
wärtigen Amt 1010 nachm.; Eingangsvermerk: 24. Juli vorm. Am 24. Juli
40 nachm. von Jagow, nach Vornahme einiger stilistischer Änderungen,
den Botschaftern in Wien, Rom und Paris mitgeteilt.