Nr. 219. Der Reichskanzler an den Botschafter in Petersburg, 26. Juli 1914

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Nr. 219
Der Reichskanzler an den Botschafter in Petersburg1


Telegramm 128                               Berlin, den 26. Juli 19142
Dringend !

     Wie bereits in Telegramm Nr. 1263 angedeutet, würden vorbe-
reitende militärische Maßnahmen Rußlands, die irgendwie eine
Spitze gegen uns hätten, uns zu Gegenmaßregeln zwingen, die in
der Mobilisierung der Armee bestehen müßten. Die Mobilisierung
aber bedeutete den Krieg und würde überdies gegen Rußland und
Frankreich zugleich gerichtet sein müssen, da uns Frankreichs Ver-
pflichtungen gegenüber Rußland ja bekannt sind. Wir können
nicht annehmen, daß Rußland einen solchen europäischen Krieg
entfesseln will. Angesichts der territorialen Desinteressierung
Österreichs geben wir uns vielmehr der Ansicht hin, daß Rußland
der Auseinandersetzung zwischen Österreich-Ungarn und Serbien
gegenüber eine abwartende Stellung einnehmen kann. Den
Wunsch Rußlands, den Bestand des serbischen Königreichs nicht in
Frage stellen zu lassen, werden wir umso eher unterstützen können,
als Österreich-Ungarn erklärt hat, diesen Bestand gar nicht in Frage
stellen zu wollen. Eine gemeinsame Basis der Verständigung
dürfte sich hierdurch auch im weiteren Verlaufe der Angelegenheit
finden lassen4.
     Ew. Exz. ersuche ich, sich Herrn Sasonow gegenüber in vor-
stehendem Sinne auszusprechen.

                                                       B e t h m a n n   H o l l w e g


1 Nach dem Konzept von der Hand des Reichskanzlers. Vgl. deutsches
Weißbuch vom Mai 1915, S. 5.
2 715 nachm. zum Haupttelegraphenamt.
3 Siehe Nr. 198.
4 Hier im Konzept des Kanzlers ursprünglich folgendes: »und dann dazu
beitragen, einer Spannung ein Ende zu machen, die den wahren, auf
gute Beziehungen angewiesenen Interessen Deutschlands und Rußlands
widerspricht« von ihm nachträglich gestrichen.