Nr. 356 Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt, 29. Juli 1914

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Nr. 356
Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt1

Telegramm 128                          Wien, den 29. Juli 19142

     Über seine heutige Unterredung mit Schebeko teilte mir Graf
Berchtold mit, daß der russische Botschafter sehr konziliant in der
Form gewesen, innerüch aber scheinbar ziemlich erregt gewesen sei,
denn er sei kreideweiß gewesen. Der russische Botschafter hat
ungefähr die gleiche Sprache geführt wie Sasonow dem Grafen
Szápáry gegenüber, er hat davon geredet, daß sich wohl noch ein
Modus finden Heße, um beide Teile, Österreich und Serbien, zu be-
friedigen. Der Minister hat dem freundschaftlich entgegengehalten,
er, der Botschafter, werde wohl in den letzten Tagen die Stimmung
der Bevölkerung in Wien und in der Monarchie beobachtet haben
imd daraus ersehen haben, daß ein weiteres Paktieren mit Serbien
für jede österreichisch-ungarische Regierung ganz unmöglich geworden
sei, sie würde einfach hinweggefegt werden. Schebeko habe dann
noch weiter, aber mit wenig innerer Überzeugung, mit dem Be-
merken, daß er die Stimmung hier ja begreife, den Faden des
Versuchs weiterer Pourparlers mit Serbien weiter gesponnen, ohne
aber bestimmte Anträge oder Wünsche zu äußern. Die ganze
Unterhaltung sei in freundschaftlichem Ton geführt worden.

                                                            T s c h i r s c h k y


1 Nach der Entzifferung.
2 Aufgegeben in Wien 20 nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 57 nachm.,
Eingangsvermerk: 29. Juli nachm. Für die Mitteilung an den Botschafter
in Petersburg lag Entwurf Bergens vom 29. Juli vor, Mitteilung ist dann
aber nicht erfolgt.