Nr. 363 Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt, 29. Juli 1914

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Nr. 363
Der Botschafter in Rom an das Auswärtige Amt1


Telegramm 149                               Rom, den 29. Juli 19142

     Auf weitere Vorhaltungen sagte mir Marquis di San Giuliano
heute ziemlich ernst, Österreichs Vorgehen sei gegen Italiens Inter-
essen, solange Österreich nicht Artikel sieben Dreibundvertrags als
fortbestehend anerkenne3, solange Österreich nicht Kompensationen
für Fall territorialer Besitznahme in Serbien gewähre. Solange könne
Italien daher auch nicht an Österreich volle4 diplomatische Unter-
stützung gewähren. Hinsichtlich der Kompensation halte er an An-
sicht fest, daß direkte Verhandlungen mit Wien zum Bruch führen
würden. Es sei daher nötig, daß Berlin diese Verhandlungen wenig-
stens einleite. Auf jeden Fall lehne er ab, mit Baron von Merey
darüber zu verhandeln. Das sei sicherer Bruch. Er habe auf meine
dringenden Vorhaltungen bis jetzt alles vermieden, was eine direkte
Stellungnahme gegen das die italienischen Interessen vertretende5
     Vorgehen Österreichs sei, aber die Zeit dränge sehr, denn es nahe
der Moment, wo man sich hier entscheiden müsse, ob man diplo-
matisch für oder gegen Österreich gehen wolle.
     Hinsichtlich des Lowtschen sehe er schwarz. Die österreichische
Militärpartei wolle absolut den Berg haben und werde jeden Zwi-
schenfall als Vorwand benutzen, um die Besetzung herbeizuführen.
     Ich habe in Gemäßheit Telegramms Nr. 256 geantwortet, daß
wir Italiens Wünsche in Wien schon unterstützten, und den Minister
nochmals sehr dringend gewarnt, nicht in diesem Augenblick eine
Uneinigkeit des Dreibunds zu enthalten7, die Rußland zur Ein-
mischung veranlassen könne. Minister meint, Rußland werde nicht
sowohl durch Italien als wie durch eventuelles zu weit gehendes Vor-
gehen gegen Serbien bestimmt werden. Ich habe hier nach Kräften
und ohne österreichische Unterstützung Presse bisher zurückgehal-
ten, glaube aber gleichfalls, daß klare österreichisch-italienische Aus-
sprache auf die Dauer unumgänglich ist. Ich möchte auch glauben,
daß wir gewisse Dienste dabei leisten müssen. Zwischen Baron
v. Merey und Marquis di San Giuliano geht es schlecht. Beide sind
krank und überreizt.
     Österreichischer Botschafter ist sehr heftig gegen Kompen-
sationen an Italien und sucht auf Graf Berchtold in diesem Sinne
einzuwirken.

                                                                 F l o t o w


1 Nach der Entzifferung.
2 Aufgegeben in Rom 620 nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 815
nachm.; Eingangsvermerk: 29. Juli nachm. Die zwei ersten Abschnitte
»Auf weitere . . . . . . . . . Besetzung herbeizuführen«, und die drei letzten
Sätze »Zwischen Baron v. Mérey . . . . . . . . . . Sinne einzuwirken« von
Jagow nach Vornahme kleiner Änderungen am 29. Juli dem Botschafter
in Wien mitgeteilt, 30. Juli, 945 vorm. zum Haupttelegraphenamt.
3 Siehe Nr. 150, 156, 168, 212, 326.
4 »volle« im Telegramm Jagows an den Botschafter in Wien gestrichen.
5 So in der Entzifferung
6 Siehe Nr. 287.
7 So in der Entzifferung.