Nr. 39. Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Wien und den Gesandten in Bukarest, 13. und 14. Juli 1914

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Nr. 39
Der Staatssekretär des Auswärtigen an den Botschafter in Wien und den Gesandten in Bukarest1


Geheim !                                                   Berlin, den 13. Juli 1914

                    Zu Ew. pp. rein persönl. Information.
     Graf Szögyény las mir heute ein Telegramm des Grafen Czernin
aus Bukarest über eine Audienz vor, die letzterer bei König Carol
gehabt hat.
     Der König hat danach dem Gesandten gegenüber geäußert:
     1. Er sei gewiß, daß das offizielle Serbien die Mordtat von
Sarajevo ebenso verdamme wie die übrige Welt, man dürfe die
Mordbuben nicht mit dem offiziellen Serbien in einen Topf werfen.
     2. Er sei gewiß, daß die serbische Regierung die Untersuchung
gewissenhaft führen werde, würde es aber begreiflich finden, wenn
Serbien die Führung der Untersuchung durch österreichische Kom-
mission nicht zulassen würde.
     3. Er bedauerte die Sprache der serbischen Presse, aber auch
gewisse Hetzereien der österreichisch-ungarischen Zeitungen.
     Der König wünsche offenbar eine friedliche Lösung der Frage,
sei aber einer Äußerung über die Stellungnahme Rumäniens im Falle
eines Konflikts ausgewichen.
     Im Laufe der Konversation habe der König, auf Äußerungen
rumänischer Politiker: Bratianus, Marghilomans und Take Jonescus
bezugnehmend, sich diese zu eigen gemacht, daß nämlich »nach Er-
mordung des Thronfolgers die Zukunft Österreich-Ungarns dunkel
erscheine und den Großmächten zu großem Pessimismus Anlaß
geben müsse«.
     Graf Berchtold bittet den Grafen Szögyény, bei Mitteilung dieser
Äußerung des Königs mich daran zu erinnern, daß König Carol schon
im Laufe des Winters dem österreichischen Gesandten einmal gesagt
habe, er würde seine Politik nicht gegen die öffentliche Meinung
seines Landes führen können.
     Graf Berchtold knüpft hieran pessimistische Ansichten über die
Haltung Rumäniens, hofft aber doch, daß es noch dem Eingreifen
unseres Allergnädigsten Herrn gelingen werde, Rumänien beim Drei-
bund zu halten.
     Die Äußerungen des Königs über Österreich -Ungarn lassen sich
— aus dem Zusammenhang gerissen, wie Graf Czernin sie berichtet —
schwer beurteilen. Mit der Besorgnis, daß der Tod des Erzherzogs
im jetzigen Moment für die Monarchie folgenschwer sein kann, dürfte
der König nicht allein stehen. Daß aber ein so vorsichtiger Politiker
wie König Carol den österreichischen Gesandten auf die Möglichkeit
des Zusammenbruchs seines Vaterlandes hat hinweisen wollen, ist
kaum anzunehmen. Jedenfalls läßt sich aus der Äußerung noch
nicht ohne weiteres auf die zukünftige Haltung Rumäniens schließen.
     Dagegen läßt sich wohl aus der Art der Berichterstattung über
diese Äußerung auf einen weitgehenden diplomatischen Dilettantismus
des Autors schließen.

                                                                                J a g o w


1 Nach dem Konzept von Jagows Hand. Abgegangen nach Wien, mit Aus-
lassung des letzten Absatzes, am 13. Juli nachm.; abgegangen nach Bukarest,
mit vollem Text, am 14. Juli