Nr. 396 Der Reichskanzler an den Botschafter in Wien, 30. Juli 1914

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Nr. 396
Der Reichskanzler an den Botschafter in Wien1


Telegramm 193                               Berlin, den 30. Juli 19142

     Graf Pourtalès telegraphiert :

          »Sasonow mitteilte mir . . . . . . . . . Krieg bedeute«3.

     Diese Meldung steht nicht im Einklang mit der Darstellung,
die Ew. pp. in dem Verlauf der Unterredung des Grafen Berchtold
mit Herrn Schebeko gegeben haben. Anscheinend Hegt Mißver-
ständnis vor, das ich aufzuklären bitte. Wir können Österreich-
Ungarn nicht zumuten, mit Serbien zu verhandeln, mit dem es im
Kriegszustand begriffen ist. Die Verweigerung jeden Meinungsaus-
tausches mit Petersburg aber würde schwerer Fehler sein, da er
kriegerisches Eingreifen Rußlands gradezu provoziert, das zu ver-
meiden Österreich-Ungarn in erster Linie interessiert ist4.

     Wir sind zwar bereit, unsere Bündnispflicht zu erfüllen, müssen
es aber ablehnen, uns von Wien leichtfertig und ohne Beachtung
unserer Ratschläge in einen Weltbrand hineinziehen zu lassen. Auch
in italienischer Frage scheint Wien unsere Ratschläge zu mißachten5.

     Bitte sich gegen Graf Berchtold sofort mit allem Nachdruck
und großem Ernst aussprechen6 7.

                                                  B e t h m a n n   H o l l w e g


1 Nach dem Konzept. Entwurf von Stumms Hand, mit Änderungen und
Ergänzungen Jagows und des Reichskanzlers. — Vergl. Bethmanns Rede
im Reichstag am 19. August 1915.
2 30 vorm. zum Haupttelegraphenamt, abgefertigt 440 vorm., aut der Bot-
schaft in Wien angekommen 10 Uhr vorm.
3 Hier ist Pourtalès' Telegramm vom 29. Juli (Nr. 365) nach Vornahme
einiger Kürzungen, insbesondere Fortlassung der Worte »und klammere
Strohhalm«, »daß mir Stellungnahme . . . . . . . . . . . bekannt sei« 
und »falls derselbe . . . . . . . . . . bevorstehe«, eingefügt.
4 Hier folgte in Stumms Entwurf zunächst der Satz: »Bitte sich gegen
Graf Berchtold mit allem Nachdruck in diesem Sinne aussprechen«. Der
Satz, in dem Jagows Hand hinter »Nachdruck« noch die Worte »und
großem Ernst« einfügte, wurde dann wieder getilgt. (Siehe aber unten
Anm. 6.)
5 Abschnitt »Wir sind . . . . . . . . . . mißachten« im Entwurf von Jagows Hand
beigefügt.
6 Der letzte Satz lautete zuerst, von Jagow geschrieben: »Bitte sofortige
Ausführung«. Der Reichskanzler strich die beiden letzten Worte und
schrieb dafür »sich gegen . . . . . . . . . . . aussprechen«. (Siehe auch oben Anm.4).
7 Siehe Nr. 448; dazu auch Nr. 433.