Nr. 398 Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt, 30. Juli 1914

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Nr. 398
Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt1


Telegramm 382                               Therapia, den 29. Juli 19142

     Seit Beginn der Krisis hat Markgraf Pallavicini mir die ge-
heimsten Aus- und Eingänge seiner Botschaft — selbst Telegramme
mit Vermerk »selbst entziffern« — mitgeteilt. In der Bündnisfrage
war Zusammenarbeit schon dadurch geboten, daß Großwesir, abge-
sehen von seinen letzten Positionen, selbst immer mit uns beiden
verhandelte. Ich glaube nicht, daß ein Bündnis ohne Beteiligung
Österreichs zustande kommen kann, denn die Pforte wird sich auf
eine Allianz bloß für die Dauer der jetzigen Krisis keinenfalls ein-
lassen. Es wäre der Fall denkbar, daß Rußland nicht Österreich,
sondern die Türkei angreift3, in welchem Falle wir Rußland den
Krieg erklären müßten, ohne daß für Österreich casus foederis ein-
träte. Es ist daher nicht unbedenklich, Österreich von jetzt an
ganz im Dunkeln zu lassen. Markgraf Pallavicini würde mir mein
Schweigen übelnehmen, besonders wenn er auf anderem Wege —
etwa durch den Großwesir — erfährt, daß ich hier verhandele.
Sobald eine Basis zwischen Großwesir und uns gefunden ist, würde
ich bitten, mich zu einer vertraulichen Mitteilung an Pallavicini zu
ermächtigen4.

     Beginn der Verhandlungen voraussichtlich heute abend.

                                                                 W a n g e n h e i m


1 Nach der Entzifferung.
2 Aufgegeben in Therapia 29. Juli, 72 nachm., angekommen im Auswärtigen
Amt 30. Juli, 540 vorm. Eingangsvermerk: 30. Juli vorm.
3 Dazu der Randvermerk des Reichskanzlers: »richtig. Auch ich hatte schon
darauf aufmerksam gemacht.« 
4 Siehe Nr. 320, 411 und 431.