Nr. 412 Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt, 30. Juli 1914

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Nr. 412
Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt1


Telegramm 190                                    Petersburg, den 30. Juli 19142

     Bei der Unterredung von heute nacht3 kam Sasonow immer
wieder darauf zurück, wir seien die einzigen, die Österreich jetzt
noch aufhalten könnten. S. M. der Kaiser und König braucht nur
ein Wort zu sagen, und man werde auf ihn hören. Ich habe darauf
erwidert, daß es äußerst heikel sei, einer Großmacht, die sich ent-
schlossen habe, für eine gerechte Sache zu den Waffen zu greifen,
in den Arm zu fallen. Wir würden dabei riskieren, unsere Be-
ziehungen zu unserem Nachbarn ernstlich zu trüben und seine für
uns selbst äußerst wertvolle Stellung als Großmacht zu untergraben.
Eine solche Politik könne man Deutschland angesichts allgemeiner
Lage nicht zumuten. Daß S. M, der Kaiser und König und Aller-
höchstseine Regierung es in Wien an guten Ratschlägen nicht hat
fehlen lassen, sei bekannt. Es sei jetzt an Rußland, die ihm durch
die Erklärung auf diese Weise diskret gebaute Brücke zu betreten.
Herr Sasonow erwiderte schroff: »Diese Erklärung kann uns nicht
genügen.« 
     Rußlands vitale Interessen verlangten nicht nur Schonung
territorialer Integrität Serbiens, sondern auch, daß Serbien nicht
durch Annahme der seine Souveränitätsrechte antastenden öster-
reichischen Forderungen zu Vasallenstaat Österreichs herabsinke
Serbien dürfe kein Buchara werden.

                                                                 P o u r t a l è s


1 Nach der Entzifferung.
2 Autgegeben in Petersburg 930 vorm., angekommen im Auswärtigen Amt
1213 nachm., Eingangsvermerk des Amts: 30. Juli nachm.
3 Siehe Nr. 401.