Nr. 422 Der Generalkonsul in Warschau an den Reichskanzler, 30. Juli 1914

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Nr. 422
Der Generalkonsul in Warschau an den Reichskanzler1


                                                  Warschau, den 29. Juli 19142

     Rußland befindet sich bereits in vollständiger Vorbereitung
zum Kriege. Aus dem, was bisher bekannt geworden ist, geht mit
ziemlicher Klarheit hervor, daß Polen nach dem alten Plan von
den russischen Truppen geräumt wird, sogar die mit solcher Hast
ausgebauten Festungen Nowogeorgiewsk und Segrsche, ferner Pul-
tusk und Ostrolenka. Die gegen Deutschland operierenden Truppen
versammeln sich zwischen Lomscha und Kowno den Njemen entlang,
während die gegen Österreich bestimmten Truppen sich bei Lublin
und Kowel versammeln. Daneben besteht noch eine Truppenansamm-
lung bei dem Lager von Skierniewitsche, anscheinend als Deckung
für die Truppen, die längs der nach Deutschland führenden Linien
aufgestellt sind. Die Kalischer Linie und die Warschau-Wiener
Bahn sind ganz mit Infanterie und Sappeuren besetzt, die unter
dem Bahnkörper Minen legen. Anscheinend sollen alle nach dem
Innern führenden Linien zerstört werden.
     Auch die anderen Linien stehen unter militärischer Leitung;
sämtliche Bahnbeamte mußten sich schriftlich verpflichten, ihren
Posten nicht zu verlassen. Die Weichselbahn soll morgen mobili-
siert und der Frachtverkehr auf der Bahn vollständig eingestellt
werden.
     Die Bestände der Intendantur sind bereits vollständig ver-
packt und sollen demnächst nach Smolensk abgehen. Die Offiziers-
damen sind bereits gestern großenteils abgereist.
     Die Reichsbank hat mit wenigen Ausnahmen die Diskontierung
von auf Polen lautenden Privatwechseln eingestellt, nur die
Wechsel der Banken und einiger größerer Institute werden noch
angenommen. Wenn diese Maßregel wegen des skrupellosen jüdi-
schen Elements, das auf jede Weise Geld zu machen versucht, eine
gewisse Berechtigung hat, so ist doch ein vollständiger Zusammen-
bruch des hiesigen Handels vorauszusehen. Schon jetzt finden im
weiten Umfang Zahlungsverweigerungen statt. So hat einer der
größten Eisenhändler, der auf drei Millionen geschätzt wird, dem
Eisensyndikat »Prodameta« erklärt, daß er alle Bestellungen
annulliere und nicht zahlen werde.

                                                                      B r ü c k


1 Nach der Ausfertigung.
2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 30. Juli nachm. Bericht am
31. Juli unter Rückerbittung dem Generalstab übersandt, der Kenntnis-
nahme unter dem 1. August vermerkte, am 2. August ins Amt zurück-
gelangt.