Nr. 49. Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler, 15. Juli 1914

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Nr. 49
Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler1


     Ganz Geheim!                               Wien, den 14. Juli 19142







unbedingt
























wie schade

     Graf Tisza suchte mich heute nach seiner Be-
sprechung mit Graf Berchtold auf. Der Graf sagte,
er sei bisher stets derjenige gewesen, der zur Vor-
sicht ermahnt habe, aber jeder Tag habe ihn nach
der Richtung hin mehr bestärkt, daß die Monarchie
zu einem energischen Entschlüsse kommen müsse
3,
um ihre Lebenskraft zu beweisen und den unhalt-
baren 4 Zuständen im Südosten ein Ende zu machen.

Die Sprache der serbischen Presse und der serbischen
Diplomaten sei in ihrer Anmaßung geradezu un-
erträglich.
»Ich habe mich schwer entschlossen, a
meinte der Minister, »zum Kriege zu raten, bin
aber jetzt fest von dessen Notwendigkeit überzeugt,
und ich
werde mit aller Kraft für die Größe der
Monarchie einstehen.« 
     Glücklicherweise herrsche jetzt unter den hier
maßgebenden Persönlichkeiten volles Einvernehmen
und Entschlossenheit 5. S. M. Kaiser Franz Joseph
beurteile, wie auch Baron Burian, der S. M. noch
dieser Tage in Ischl gesprochen habe, berichte, die
Lage sehr ruhig und werde sicher bis zum letzten
Ende durchhalten. Graf Tisza fügte hinzu, die
bedingungslose Stellungnahme Deutschlands an der
Seite der Monarchie
sei entschieden für die feste
Haltung des Kaisers von großem Einfluß gewesen.
     Die an Serbien zu richtende Note sei heute
noch nicht in ihrem letzten Wortlaut festgestellt
worden. Dies werde erst Sonntag geschehen. In
betreff des Zeitpunktes der Übergabe an Serbien
sei heute beschlossen worden, lieber bis nach der
Abreise Poincarés aus Petersburg zu warten, also
bis zum 25. Dann würde aber, sofort nach Ab-
lauf der Serbien gestellten Frist, falls dieses nicht
unbedingt alle Forderungen annehmen sollte, die
Mobilmachung erfolgen. Die Note werde so abge-
faßt sein, daß deren Annahme so gut wie ausge-
schlossen6 sei.
Es komme besonders darauf an,
nicht nur Versicherungen und Versprechungen zu
fordern, sondern Taten. Bei der Abfassung der
Note müsse, seiner Ansicht nach, auch darauf Rück-
sicht genommen werden, daß sie für das große
Publikum — besonders in England — verständlich
sei und das Unrecht klar und deutlich Serbien zu-
schiebe.
     Baron Conrad habe bei der letzten Be-
sprechung auf ihn einen sehr guten Eindruck ge-
macht. Er habe ruhig und sehr bestimmt ge-
sprochen. In nächster Zeit müsse man sich freilich
darauf gefaßt machen, daß die Leute wieder darüber
klagen werden, man sei hier unentschlossen und
zögernd.
Es komme darauf aber wenig an, wenn
man nur in Berhn wisse, daß dies nicht der Fall sei.
     Zum Schluß drückte mir Graf Tisza warm die
Hand und sagte : »Wir wollen nun vereint der Zu-
kunft ruhig und fest ins Auge sehen.« 

                              v o n   T s c h i r s c h k y
na doch mal ein Mann !


1 Nach der Ausfertigung.
2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts : 15. Juli nachm. Bericht lag dem
Kaiser vor, von ihm am 20. Juli zurückgegeben, am 23. Juli wieder im Amt.
Gemäß kaiserlicher Randverfügung am 26. Juli dem Generalstab mitgeteilt.
3 »Entschlüsse kommen müsse« zweimal vom Kaiser unterstrichen.
4 »unhaltbaren« zweimal vom Kaiser unterstrichen.
5 »Entschlossenheit« zweimal vom Kaiser unterstrichen.
6 »ausgeschlossen« zweimal vom Kaiser unterstrichen.