Nr. 55. Der Botschafter in London an das Auswärtigen Amt, 16. Juli 1914

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Nr. 55
Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt1


Telegramm 134                          London, den 16. Juli 19142

     Heutige Times bringt Leitartikel über Österreich und Serbien
und verurteilt auf das Schärfste herausfordernde Haltung der Bel-
grader Presse, [die] der serbischen Sache die Sympathien des gebildeten
Europas entfremdete. Das Blatt erwartet bereitwilliges Entgegen-
kommen serbischer Regierung zur Aufklärung des Verbrechens und
Bürgschaft gegen fernere Unterstützung der revolutionären Bewegung.
Gleichzeitig warnt das Blatt die Österreicher vor der Befolgung einer
Politik, wie die militärischen Zeitschriften sie fordern, bei der alles
zu verlieren und nichts zu gewinnen sei. Die südslawische Frage,
schwierigste aller österreichisch -ungarischen Probleme, könne niemals
durch Gewalt gelöst werden oder durch Drohungen. Jeder Versuch
in dieser Richtung würde vielmehr den europäischen Frieden ge-
fährden. Die eigene Geschichte lehrt die Monarchie, wohin es führe,
wenn sie die Politik der ruhigen Selbstbeherrschung verlasse.
     Ich wiederhole meine Auffassung, daß bei militärischen Maß-
nahmen gegen Serbien gesamte öffentliche Meinung gegen Österreich-
Ungarn Stellung nehmen wird.

                                                            L i c h n o w s k y


1 Nach der Entziflerung.
2 Aufgegeben in London 1147 vorm., angekommen im Auswärtigen Amt
25 nachm. Eingangsvermerk: 16. Juli vorm. (so irrig statt: nachm.).