Nr. 641 Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt, 2. August 1914

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Nr. 641
Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt1


Telegramm 218                               London, den 2. August 19142

     Die Frage, ob wir bei dem Krieg gegen Frankreich das belgische
Gebiet verletzen, dürfte von ausschlaggebender Bedeutung für die
Neutralität Englands sein. Ich werde in diesem Eindruck sowohl
durch die Äußerungen Sir E. Greys als durch Mitteilungen der
österreichischen Botschaft wie durch hiesige Presse bestimmt be-
kräftigt. Verletzen wir die Neutralität Belgiens und entwickelt
sich daraus ein Krieg gegen die Belgier, so glaube ich nicht, daß
die Regierung gegenüber dem sich in der hiesigen öffentlichen Mei-
nung alsdann zu gewärtigenden Sturm in der Lage befinden wird,
sehr viel länger neutral zu bleiben. Sollten wir die belgische Neu-
tralität hingegen achten, so ist es immerhin möglich, daß England
neutral bleibt, falls wir beim Sieg über Frankreich maßvoll vor-
gehen. Da man aber hier nunmehr glaubt, mit der Verletzung bel-
gischer Neutralität rechnen zu sollen, so halte ich es nicht für un-
möglich, daß England schon in nächster Zeit gegen uns Stellung
nimmt. Heute Sonntag findet Kabinettssitzung statt, ein unerhörtes
Ereignis, und ich nehme an, daß man sich hierbei schon mit dieser
Frage befassen wird3.

                                                                 L i c h n o w s k y


1 Nach der Entzifferung.
2Aufgegeben in London 910 vorm., angekommen im Auswärtigen Amt 1147
vorm. Eingangsvermerk : 2. August nachm. Am 2. August dem General-
stab, Kriegsministerium, Admiralstab und Reichsmarineamt mitgeteilt.
3 Siehe Nr. 667.