Anhang IX Der Botschafter in Wien Graf B. Wedel an den Unterstaats-Sekretär des Auswärtigen Frh, v. d. Bussche (Privatbrief): Difference between revisions
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Latest revision as of 19:03, 16 October 2015
WWI Document Archive > Official Papers > Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914 — Volume 4 > Anhang IX.
Wien, 5. 9. 19172
Lieber Bussche!
Stumm schrieb mir kurz vor seinem Urlaub, Czernin habe in
Berlin gesagt, Tschirschky habe im Juli 1914 Berchtold erklärt,
wenn Österreich-Ungarn sich nicht zu energischem Vorgehen gegen
Serbien entschlösse, würden wir uns anders orientieren müssen. Ich
möge versuchen, diese Sache festzustellen. Die Akten enthalten
darüber nichts. Stolberg hält es für ausgeschlossen, daß der vor-
sichtige Tschirschky eine solche Äußerung getan habe. Um sicher
zu gehen, habe ich Berchtold gefragt. Dieser verneinte meine Frage
und sagte mir, Tschirschky habe ihm erklärt, Berlin halte ein ener-
gisches Vorgehen gegen Serbien für erwünscht. Auf meine Frage,
ob Tschirschky Druckmittel angewandt habe, die k. u. k. Regierung
dazu zutreiben, sagte er: »Nein, Druckmittel hat T. nicht angewandt.«
Das wäre ja auch unverständhch gewesen, da Wien zu solchem Vor-
gehen selbst drängte und sich unserer Unterstützung vergewissern
wollte. Ich werde nicht verfehlen, Czernin auf seinen Irrtum auf-
merksam zu machen. Es gibt hier auch am Ballplatz Leute, die
uns gern die Schuld am Kriege in die Schuhe schieben möchten
und solche Märchen erfinden. Die Note an Serbien wurde in Berlin
erst an dem Tage bekannt, an welchem sie in Belgrad überreicht
wurde. Tschirschky hatte sie nämlich nicht drahtlich, sondern per
Post mitgeteilt. Jagow hat damals Szögyény gleich gesagt, die
Note habe den Fehler, daß sie alle Brücken abbreche, eine Note
könne noch so scharf sein, müsse aber immer einen Ausweg offen
lassen für den Fall, daß die andere Partei zum Nachgeben bereit sei.
Mit bestem Gruß
Ihr
Wedel
1 Nach der Ausfertigung von B. Wedels Hand.
2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 7. September 1917 vorm.