B. Der russische Europäisierungsvorschlag

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     Die russische Regierung richtete am 24. Juli das Ersuchen
nach Wien, die Serbien gestellte Frist zu verlängern und den
Mächten Gelegenheit zu geben, nach Prüfung der Untersuchungs-
ergebnisse von Sarajevo ihrerseits der serbischen Regierung
Ratschläge zu erteilen (Orangebuch Nr. 4). Die englische, deutsche,
italienische und französische Regierung wurden gleichzeitig ge-
beten, den russischen Vorschlag in Wien zu unterstützen (Orange-
buch Nr. 5).
     Trotzdem sie sich grundsätzlich auf den Standpunkt der
Nichteinmischung gestellt hatte, erklärte sich die deutsche Re-
gierung am 25. Juli bereit, den russischen Wunsch nach Frist-
verlängerung nach Wien weiterzugeben, ebenso wie sie dies mit
einem analogen englischen Vorschlag (Blaubuch Nr. 11, Weiß-
buch Nr. 157) bereits getan hatte (Orangebuch Nr. 14). Die Mit-
teilung unterblieb jedoch, anscheinend, weil inzwischen die Meldung
einging, daß die österreichisch-ungarische Regierung diese russische
Forderung abgelehnt habe (Weißbuch Nr, 178). Die englische,
französische und italienische Regierung sandten ihren Botschaftern
in Wien entsprechende Instruktionen (Blaubuch Nr. 26, Gelbbuch
Nr. 39 und 44). Diese Weisungen gelangten jedoch nicht zur
Ausführung (Blaubuch Nr. 40, Gelbbuch Nr. 48).
     Das Wiener Kabinett lehnte das russische Ersuchen am
25. Juli ab (Rotbuch 1919, II, Nr. 27, 29, 30, Orangebuch Nr. 11,
12), da „die von Rußland verlangte Verlängerung der Serbien zur
Antwort auf die österreichisch-ungarischen Forderungen gestellten
Frist der Belgrader Regierung die Möglichkeit zu neuen Winkel-
zügen und zur Verschleppung geboten und der Einmischung
einzelner Mächte zu ihrem Gunsten Tür und Tor geöffnet hätte".
(Rotbuch 1914, Einleitung.) Gleichzeitig wurde jedoch dem russi-
schen Geschäftsträger eröffnet, daß Serbien auch nach Abbruch
der diplomatischen Beziehungen durch uneingeschränkte Annahme
der österreichisch-ungarischen Forderungen eine friedliche Lösung
herbeiführen könne (Rotbuch 1919, II, Nr. 27).