I, 30. Graf Berchtold an die k.u.k. Botschafter in Berlin, Rom, Paris, London, St. Petersburg und Konstantinopel, 20. Juli 1914: Difference between revisions

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     Die Gründe, warum wir unsere Demarche in Belgrad erst gestern unternehmen konnten<ref>Das ist am 23. Juli (da der fragliche Erlaß auf den 24. Juli vordatiert ist)</ref>, sind Herrn von Tschirschky bereits seinerzeit mündlich dargelegt worden und inzwischen auch, auf Grund meines Telegrammes Nr. 234 vom 15. Juli<ref>Siehe Nr. 21.</ref> durch Euer Exzellenz zur Kenntnis der kaiserlich deutschen Regierung gebracht worden.</blockquote>
     Die Gründe, warum wir unsere Demarche in Belgrad erst gestern unternehmen konnten<ref>Das ist am 23. Juli (da der fragliche Erlaß auf den 24. Juli vordatiert ist)</ref>, sind Herrn von Tschirschky bereits seinerzeit mündlich dargelegt worden und inzwischen auch, auf Grund meines Telegrammes Nr. 234 vom 15. Juli<ref>Siehe [[I, 21. Graf Berchtold an Grafen Szögyény in Berlin, 15. Juli 1914|Nr. 21]].</ref> durch Euer Exzellenz zur Kenntnis der kaiserlich deutschen Regierung gebracht worden.</blockquote>





Latest revision as of 14:26, 3 June 2009

WWI Archive > Dokumente zum Kriegsausbruch > I, 30. Graf Berchtold an die k.u.k. Botschafter in Berlin, Rom, Paris, London, St. Petersburg und Konstantinopel, 20. Juli 1914



W i e n , den 20. Juli 1914            


Adresse:

1. Graf   S z ö g y é n y ,   Berlin, Zahl 3426,
2. Herr von   M é r e y ,   Rom, Zahl 3427,
3. Graf   S z é c s e n ,   Paris, Zahl 3428,
4. Graf   M e n s d o r f f ,   London, Zahl 3429,
5. Graf   S z á p á r y ,   Petersburg, Zahl 3430,
6. Markgraf   P a l l a v i c i n i ,   Konstantinopel, Zahl 3431.


1. B e r l i n


Wenn Euer Exzellenz den anverwahrten offiziellen Erlaß der dortigen Regierung am Freitag, den 24. 1. M., vormittags, persönlich zur Kenntnis bringen werden, wollen Sie nur bemerken, daß das bereits erzielte vollständige politische Einvernehmen mit dem deutschen Kabinette Sie der Mühe einer weiteren vertraulichen und mündlichen Begründung unseres Schrittes in Belgrad enthebe.

Die Gründe, warum wir unsere Demarche in Belgrad erst gestern unternehmen konnten[1], sind Herrn von Tschirschky bereits seinerzeit mündlich dargelegt worden und inzwischen auch, auf Grund meines Telegrammes Nr. 234 vom 15. Juli[2] durch Euer Exzellenz zur Kenntnis der kaiserlich deutschen Regierung gebracht worden.


2. R o m


Die Übermittlung des anverwahrten offiziellen Erlasses an die königlich italienische Regierung, eine Übermittlung, die, falls Marquis di San Giuliano noch von Rom abwesend sein sollte, am Freitag, den 24. 1. M., vormittags, auch an seinen Stellvertreter erfolgen kann, wird nähere mündliche Erläuterungen Euer Exzellenz kaum noch notwendig machen, da Euer Exzellenz Marquis de San Giuliano ohnehin kurz vorher gesehen und ihn auf das Kommende vorbereitet haben. Vielleicht wird es aber Euer Exzellenz opportun erscheinen, speziell auf den Umstand aufmerksam zu machen, daß die »Narodna odbrana«, der auch alle bei dem Komplotte vom 28. Juni 1. J. kompromittierten serbischen Persönlichkeiten angehören, eine über ganz Serbien verbreitete Kampfesorganisation darstellt, deren Tätigkeit, ihrem uns in authentischer Form vorliegenden Programme zufolge, nach dem Ausscheiden der Türkei als Angriffsobjekt nunmehr einzig und allein gegen die Monarchie gerichtet ist.


3. P a r i s

Der anverwahrte, zur Mitteilung an die dortige Regierung bestimmte Erlaß betrifft die Forderungen, die wir behufs Eindämmung der großserbischen Bewegung an die königlich serbische Regierung uns zu stellen gezwungen sehen. Euer Exzellenz wollen diesen Erlaß am Freitag, den 24. 1. M., vormittags, zur Kenntnis der dortigen Regierung bringen.

Die Darlegungen dieser Staatsschrift sind so beredt, daß sie mich der Aufgabe entheben, Euer Exzellenz auch mit einer mündlichen Begründung unseres Vorgehens Serbien gegenüber zu betrauen. Es wird aber jedenfalls nützlich sein, wenn Euer Exzellenz gelegentlich der Übergabe dieser Note daran erinnern wollen, daß sich Frankreich anläßlich der Schwierigkeiten, die in der europäischen Politik der letzten Jahre zutage getreten wären, stets in dankenswerter Weise im Sinne eines Ausgleiches der Gegensätze zwischen den beiden Mächtegruppen betätigt habe.


4. L o n d o n


Den anverwahrten offiziellen Erlaß wollen Euer Exzellenz am Freitag, den 24. 1. M., vormittags, dem Herrn Staatssekretär oder dessen Stellvertreter zur Kenntnis bringen.

Euer Exzellenz können bei diesem Anlasse mündlich ungefähr darlegen, daß die englische Politik und die der Monarchie in den letzten Jahren erfreulicherweise auch in den Fragen des nahen Orients eine konvergierende Tendenz gezeigt hätten; das gegenseitige Vertrauen sei wiederhergestellt und auch die englische Öffentlichkeit zeige (nach einer jetzt ganz überwundenen Periode der Schwankungen) wieder volles Interesse für die Bedeutung der österreichisch-ungarischen Großmachtstellung und für die Lebensinteressen der Monarchie. Bei der in die Wege geleiteten Aussprache mit Serbien handle es sich nun eben um ein solches Lebensinteresse. Die Ermordung des Erzherzog-Thronfolgers, die in Serbien beschlossen und geleitet wurde (das zur Verfügung der Mächte stehende Dossier gibt darüber erschöpfende Auskünfte), !habe deutlich, gezeigt, wessen man sich zu versehen habe, wenn man Serbien nicht zwinge, alle Verbindungen abzubrechen, die von den politischen Verschwörerzentren (wie der »Narodna odbrana«) nach den Ländern und Gebieten der Monarchie hinüberführen. England, in dem der serbische Königsmord die Gemüter auf das tiefste aufgewühlt habe, werde gewiß begreifen, daß die öffentliche Meinung der Monarchie gebieterisch eine Sühne für die moralische Mitschuld und das verbrecherische Geschehenlassen der Belgrader Kreise fordere. Wie wenig diese Kreise bisher zur Erkenntnis der Verwerflichkeit des Sarajevoer Attentates gelangt seien. beweisen die Äußerungen serbischer Diplomaten und Offiziere nach dem Attentate, beweise jede Zeile, die in den Belgrader Blättern geschrieben werde, und die Tatsache, daß die serbische Regierung noch keinen Finger gerührt hat, um auf serbischem Boden gegen die serbischen Mitschuldigen des Verbrechens vom 28. Juni vorzugehen.


5. P e t e r s b u r g


Den anverwahrten offiziellen Erlaß wollen Euer Exzellenz dem Herrn Minister des Äußern oder dessen Stellvertreter am Freitag, den 24 1. M., vormittags, zur Kenntnis bringen.

Zu den Ausführungen dieser Note ersuche ich Euer Exzellenz noch das Nachfolgende mündlich anzuschließen:

Die k. u. k. Regierung weiß sich frei von jedem Gefühle der Mißgunst und des Übelwollens Serbien gegenüber; noch während der Krise vom Jahre 1912 hat die k. u. k. Regierung es Serbien durch ihre wohlwollende und territorial desinteressierte Haltung möglich gemacht, sein Gebiet um fast das Doppelte zu vergrößern. Auch heute sieht sich die Monarchie zu den ernsten Schritten, die sie in Belgrad unternimmt, nur aus Gründen der Selbsterhaltung und Selbstverteidigung genötigt.

Es ist der k. u. k. Regierung lediglich darum zu tun, das Territorium der Monarchie vor dem Eindringen insurrektioneller Miasmen aus dem benachbarten Königreiche zu sichern und der nachsichtigen Duldung zu steuern, die königlich serbische Regierung bisher allen Bestrebungen entgegengebracht hat, die auf serbischem Boden durch Wort, Schrift und Tat gegen die Integrität der Monarchie gerichtet waren.

Mit der von Belgrad aus geleiteten Ermordung des Erzherzog-Thronfolgers (das zur Verfügung der kaiserlichen Regierung stehende Dossier gebe über die aufgedeckten Zusammenhänge und die Mithilfe der »Narodna odbrana« erschöpfende Aufschlüsse) mußte die Langmut der k. u. k. Regierung den serbischen Umtrieben gegenüber ein Ende erreichen.

Die Mordtat von Sarajevo muß aber auch gleichzeitig das Solidaritätsgefühl der großen Monarchien erwecken, deren gemeinsames Interesse es ist, sich gegen den Königsmord zur Wehr zu setzen, von wo er auch komme und wen er auch zunächst treffe.


6. K o n s t a n t i n o p e l


Den anverwahrten offiziellen Erlaß wollen Euer Exzellenz am Freitag, den 24.1. M., vormittags, dem Herrn Minister des Äußern oder seinem Stellvertreter zur Kenntnis bringen.




  1. Das ist am 23. Juli (da der fragliche Erlaß auf den 24. Juli vordatiert ist)
  2. Siehe Nr. 21.



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