Difference between revisions of "I, 6. Graf Szögyény an Grafen Berchtold, 5. Juli 1914"
From World War I Document Archive
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+ | <p align="center"><strong>Graf Szögyény an Grafen Berchtold</strong> | ||
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+ | <p align="left">Telegramm Nr. 237 | ||
+ | <p align="right">B e r l i n , den 5. Juli 1914 | ||
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+ | <p align="center">C h i f f r e - S t r e n g g e h e i m | ||
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+ | <dd> Nachdem ich Kaiser Wilhelm zur Kenntnis gebracht habe, daß ich ein allerhöchstes | ||
+ | Handschreiben Seiner k. u. k. Apostolischen Majestät, welches mir Graf Hoyos heute | ||
+ | überbrachte, ihm zu überreichen habe, erhielt ich eine Einladung der deutschen Majestäten zu | ||
+ | einem Dejeuner ins Neue Palais für heute mittags. | ||
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+ | <dd> Das allerhöchste Handschreiben und das beigeschlossene Memorandum habe ich Seiner | ||
+ | Majestät überreicht. In meiner Gegenwart las der Kaiser mit größter Aufmerksamkeit beide | ||
+ | Schriftstücke<a href="#N_1_"><sup>1</sup></a> | ||
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+ | <dd> Zuerst versicherte mir Höchstderselbe, daß er eine ernste Aktion unsererseits gegenüber | ||
+ | Serbien erwartet habe, doch müßte er gestehen, daß er infolge der Auseinandersetzungen unseres | ||
+ | allergnädigsten Herrn eine ernste europäische Komplikation im Auge behalten müsse und daher | ||
+ | vor einer Beratung mit dem Reichskanzler keine definitive Antwort erteilen wolle. | ||
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+ | <dd> Nach dem Dejeuner, als ich nochmals Ernst der Situation mit großem Nachdrucke | ||
+ | betonte, ermächtigte mich seine Majestät, unserem allergnädigsten Herrn zu melden, daß wir auch | ||
+ | in diesem Falle auf die volle. Unterstützung Deutschlands rechnen können. Wie gesagt, müsse er | ||
+ | vorerst die Meinung des Reichskanzlers anhören, doch zweifle er nicht im geringsten daran, daß | ||
+ | Herr von Bethmann Hollweg vollkommen seiner Meinung zustimmen werde. Insbesondere gelte | ||
+ | dies betreffend eine Aktion unsererseits gegenüber Serbien. Nach seiner (Kaiser Wilhelms) | ||
+ | Meinung muß aber mit dieser Aktion nicht zugewartet werden. Rußlands Haltung werde | ||
+ | jedenfalls feindselig sein, doch sei er hierauf schon seit Jahren vorbereitet, und sollte es sogar zu | ||
+ | einem Krieg zwischen Österreich-Ungarn und Rußland kommen, so könnten wir davon überzeugt | ||
+ | sein, daß Deutschland in gewohnter Bundestreue an unserer Seite stehen werde. Rußland sei | ||
+ | übrigens, wie die Dinge heute stünden, noch keineswegs kriegsbereit und werde es sich gewiß | ||
+ | noch sehr überlegen, an die Waffen zu appellieren. Doch werde es bei den anderen Mächten der | ||
+ | Tripleentente gegen uns hetzen und am Balkan das Feuer schüren. | ||
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+ | <dd> Er begreife sehr gut, daß es Seiner k. u. k. Apostolischen Majestät bei seiner bekannten | ||
+ | Friedensliebe schwer fallen würde, in Serbien einzumarschieren; wenn wir aber wirklich die | ||
+ | Notwendigkeit einer kriegerischen Aktion gegen Serbien erkannt hätten, so würde er (Kaiser | ||
+ | Wilhelm) es bedauern, wenn wir den jetzigen, für uns so günstigen Moment unbenützt ließen. | ||
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+ | <dd> Was Rumänien betreffe, so werde er dafür sorgen, daß König Carol und seine Ratgeber | ||
+ | sich korrekt verhalten werden. | ||
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+ | <dd> Das Eingehen in ein Vertragsverhältnis mit Bulgarien »sei ihm keineswegs sympathisch«; | ||
+ | nach wie vor habe er nicht das geringste Vertrauen zu König Ferdinand, noch zu seinen früheren | ||
+ | und jetzigen Ratgebern. Trotzdem wolle er nicht die geringste Einwendung gegen die Eingehung | ||
+ | eines vertragsmäßigen Anschlusses der Monarchie an Bulgarien erheben, doch müsse dafür | ||
+ | Vorsorge getroffen werden, daß der Vertrag keine Spitze gegen Rumänien enthalte und - wie dies | ||
+ | auch im Memorandum hervorgehoben werde - Rumänien zur Kenntnis gebracht werde. | ||
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+ | <dd> Kaiser Wilhelm beabsichtigt, sich morgen früh nach Kiel und von dort auf seine | ||
+ | Nordlandfahrt zu begeben; früher wird aber Seine Majestät mit Reichskanzler in der in Rede | ||
+ | stehenden Angelegenheit noch Rucksprache pflegen und hat er ihn zu diesem Zwecke von | ||
+ | Hohenfinow für heute abends in das Neue Palais bestellt. | ||
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+ | <dd> Jedenfalls werde ich Gelegenheit finden, im Laufe des morgigen Tages mich mit dem | ||
+ | Reichskanzler zu besprechen. | ||
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+ | <br><br><a name="N_1_">1. </a>Siehe<a href="1001.html"> Nr. 1.</a> | ||
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Revision as of 03:50, 6 February 2009
WWI Archive > Dokumente zum Kriegsausbruch > I, 6. Graf Szögyény an Grafen Berchtold, 5. Juli 1914
Graf Szögyény an Grafen Berchtold
<p align="left">Telegramm Nr. 237
<p align="right">B e r l i n , den 5. Juli 1914
<p align="center">C h i f f r e - S t r e n g g e h e i m
<a name="N_1_">1. </a>Siehe<a href="1001.html"> Nr. 1.</a>
WWI Archive > Dokumente zum Kriegsausbruch > I, 6. Graf Szögyény an Grafen Berchtold, 5. Juli 1914