I. Die Vorgeschichte: Difference between revisions

From World War I Document Archive
Jump to navigation Jump to search
 
No edit summary
 
(4 intermediate revisions by the same user not shown)
Line 34: Line 34:
solcher Institutionen als Ursache und Urheber des Völkerringens <br>
solcher Institutionen als Ursache und Urheber des Völkerringens <br>
anzusehen sind. <br>
anzusehen sind. <br>
 
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Kautsky verfällt ferner nicht in den Fehler vieler anderer An- <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Kautsky verfällt ferner nicht in den Fehler vieler anderer An-  
kläger der Zentralmächte, seine Betrachtung erst mit dem Attentat <br>
kläger der Zentralmächte, seine Betrachtung erst mit dem Attentat  
von Sarajewo zu beginnen, sondern geht auch auf die Vorgeschichte <br>
von Sarajewo zu beginnen, sondern geht auch auf die Vorgeschichte  
des Krieges ein. Aber gerade dabei macht sich die Beschränkung <br>
des Krieges ein. Aber gerade dabei macht sich die Beschränkung  
der Quellen nachteilig fühlbar. Gewiß kann man vielem, was ge- <br>
der Quellen nachteilig fühlbar. Gewiß kann man vielem, was ge-  
sagt wird, beistimmen. Es ist eine traurige Wahrheit, daß Deutsch- <br>
sagt wird, beistimmen. Es ist eine traurige Wahrheit, daß Deutsch-  
land schließlich nur noch mit Staaten befreundet und verbündet <br>
land schließlich nur noch mit Staaten befreundet und verbündet  
war, „die ihre Lebensfähigkeit verloren hatten" (K. Seite 24), mit <br>
war, „die ihre Lebensfähigkeit verloren hatten" (K. Seite 24), mit  
Österreich und der Türkei. Die inneren Verhältnisse des morschen, <br>
Österreich und der Türkei. Die inneren Verhältnisse des morschen,  
von rivalisierenden und sich befeindenden Nationalitäten bewohnten <br>
von rivalisierenden und sich befeindenden Nationalitäten bewohnten  
Donaustaates und die harte, selbstsüchtige Wirtschaftspolitik der <br>
Donaustaates und die harte, selbstsüchtige Wirtschaftspolitik der  
ungarischen A.Sirarier gegen das vergeblich zum Meere strebende <br>
ungarischen A.Sirarier gegen das vergeblich zum Meere strebende  
Serbien sind zutreffend gekennzeichnet. Aber es heißt doch die <br>
Serbien sind zutreffend gekennzeichnet. Aber es heißt doch die  
Grenze gerechter Kritik überschreiten, wenn man von einem öster- <br>
Grenze gerechter Kritik überschreiten, wenn man von einem öster-  
reichischen „Imperialismus" spricht (K. Seite 26), und die Schilde- <br>
reichischen „Imperialismus" spricht (K. Seite 26), und die Schilde-  
rung der Persönlichkeit des slawenfreundlichen, die Wiederher- <br>
rung der Persönlichkeit des slawenfreundlichen, die Wiederher-  
stellung des Dreikaiserbündnisses anstrebenden Erzherzogs Franz <br>
stellung des Dreikaiserbündnisses anstrebenden Erzherzogs Franz  
Ferdinand als eines Mannes, „der allein auf die Gewalt, baute" <br>
Ferdinand als eines Mannes, „der allein auf die Gewalt, baute"  
(a. a. O.), wird manchem Widerspruch begegnen. <br>
(a. a. O.), wird manchem Widerspruch begegnen;"^-. ^•'' -i;'-'^''' " -
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Bei der Entwicklung der Balkankrisen wird die „frivole 'Ge- <br>
 
fährdung des Weltfriedens" durch die Annexion von Bosnien und <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Bei der Entwicklung der Balkankrisen wird die „frivole 'Ge-  
der Herzegowina scharf gebrandmarkt (K. Seite 27), aber die friedens- <br>
fährdung des Weltfriedens" durch die Annexion von Bosnien und  
gefährdenden Bestrebungen Rußlands und seiner Ententefreunde <br>
der Herzegowina scharf gebrandmarkt (K. Seite 27), aber die friedens-  
werden nicht ei-wähnt. Das Streben nach der Herrschaft über die <br>
gefährdenden Bestrebungen Rußlands und seiner Ententefreunde  
Meerengen, einem Ziele, von dem die politischen und militärischen <br>
werden nicht ei-wähnt. Das Streben nach der Herrschaft über die  
Leiter des Zarenreichs wohl wußten und sogar protokollarisch fest- <br>
Meerengen, einem Ziele, von dem die politischen und militärischen  
legten, man könne nicht voraussetzen, daß es „außerhalb eines <br>
Leiter des Zarenreichs wohl wußten und sogar protokollarisch fest-  
europäischen Krieges" erreicht werden könnte (Weißbuch Juni 1919, <br>
legten, man könne nicht voraussetzen, daß es „außerhalb eines  
Seite 175), die unter russischer Patronanz erfolgende Gründung <br>
europäischen Krieges" erreicht werden könnte (Weißbuch Juni 1919,  
des Balkanbundes, der zuerst gegen die Türkei, dann gegen die <br>
Seite 175), die unter russischer Patronanz erfolgende Gründung  
Donaumonarchie als Sturmbock dienen sollte, die Einweihung <br>
des Balkanbundes, der zuerst gegen die Türkei, dann gegen die  
Frankreichs und Englands in die Ziele dieses Bundes, nach seiner <br>
Donaumonarchie als Sturmbock dienen sollte, die Einweihung  
Auflösung die weitgehenden russischen Versprechungen an Serbien, <br>
Frankreichs und Englands in die Ziele dieses Bundes, nach seiner  
um sich dessen Mitwirkung als Stoßtruppe gegen die österreichische <br>
Auflösung die weitgehenden russischen Versprechungen an Serbien,  
Südflanke zu sichern — all das sind seit dem Frühsommer 1919 <br>
um sich dessen Mitwirkung als Stoßtruppe gegen die österreichische  
bekannte Tatsachen, an denen der objektive Forscher nicht schwei- <br>
Südflanke zu sichern — all das sind seit dem Frühsommer 1919  
gend vorübergehen kann. Wie würde es gegen die politischen <br>
bekannte Tatsachen, an denen der objektive Forscher nicht schwei-  
Leiter Deutschlands ausgenützt werden, wenn von ihnen der Minister <br>
gend vorübergehen kann. Wie würde es gegen die politischen  
eines verbündeten Staates ähnliche kriegsdrohende Äußerungen <br>
Leiter Deutschlands ausgenützt werden, wenn von ihnen der Minister  
berichten könnte wie Sasonow von König Georg und Sir Edward <br>
eines verbündeten Staates ähnliche kriegsdrohende Äußerungen  
Grey anläßlich der Verhandlungen über eine englisch-russische <br>
berichten könnte wie Sasonow von König Georg und Sir Edward  
Marinekonvention im September 1912 (Weißbuch Juni 1919, <br>
Grey anläßlich der Verhandlungen über eine englisch-russische  
Seite 195)!
Marinekonvention im September 1912 (Weißbuch Juni 1919,  
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Auch von Widersprüchen ist die Kautskysche Darstellung nicht <br>
 
frei. Er erzählt selbst, daß er im Jahre 1902 in einer Schrift: „Die <br>
Seite 195)1 ■:\/::'::n'T:' ::'::.]"' :-i ^
soziale Revolution" nachstehendes Urteil abgegeben hat (K. Seite 31<br>
 
und 32, Sperrdruck von Kautsky): <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Auch von Widersprüchen ist die Kautskysche Darstellung nicht  
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;„Die einzige Friedensbürgschaft liegt heute in der Angst vor dem <br>
frei. Er erzählt selbst, daß er im Jahre 1902 in einer Schrift: „Die  
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;revolutionären Proletariat. Es bleibt abzuwarten, wie lange diese den <br>
soziale Revolution" nachstehendes Urteil abgegeben hat (K. Seite 31  
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;sich häufenden Konfliktsursachen gegenüber standhalten wird. Und es <br>
und 32, Sperrdruck von Kautsky):  
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;gibt eine Reihe von Machten, die noch kein selbständiges revolutionäres <br>
 
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Proletariat zu fürchten haben, und manche von ihnen werden völlig <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;„Die einzige Friedensbürgschaft liegt heute in der Angst vor dem  
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;von einer skrupellosen, brutalen Clique von Männern der hohen Finanz <br>
revolutionären Proletariat. Es bleibt abzuwarten, wie lange diese den  
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;beherrscht. Diese Mächte, bisher in der internationalen Politik unbe- <br>
sich häufenden Konfliktsursachen gegenüber standhalten wird. Und es  
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;deutend oder friedliebend, treten jetzt als internationale Störenfriede <br>
gibt eine Reihe von Machten, die noch kein selbständiges revolutionäres  
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;immer mehr hervor. So vor allem die Vereinigten Staaten, <br>
Proletariat zu fürchten haben, und manche von ihnen werden völlig  
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;daneben England und Japan. Rußland figurierte ehedem In der <br>
von einer skrupellosen, brutalen Clique von Männern der hohen Finanz  
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Liste der internationalen Störenfriede an erster Stelle, sein heldenmütiges <br>
beherrscht. Diese Mächte, bisher in der internationalen Politik unbe-  
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Proletariat hat es augenblicklich von ihr abgesetzt. Aber ebenso wie <br>
deutend oder friedliebend, treten jetzt als internationale Störenfriede  
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;der Übermut eines im Innern schrankenlosen Regimes, das keine revolu- <br>
immer mehr hervor. So vor allem die Vereinigten Staaten,  
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;tionäre Klasse in seinem Rücken scheut, kann auch die Verzweiflung <br>
daneben England und Japan. Rußland figurierte ehedem In der  
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;eines wankenden Regimes einen Krieg entzünden, wie es 1870 bei Na- <br>
Liste der internationalen Störenfriede an erster Stelle, sein heldenmütiges  
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;poleon III. der Fall war und vielleicht noch bei Nikolaus II, der Fall <br>
Proletariat hat es augenblicklich von ihr abgesetzt. Aber ebenso wie  
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;sein wird. Von diesen Mächten und ihren Gegensätzen, und <br>
der Übermut eines im Innern schrankenlosen Regimes, das keine revolu-  
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;nicht etwa von dem zwischen Deutschland und Frankreich, zwischen <br>
tionäre Klasse in seinem Rücken scheut, kann auch die Verzweiflung  
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Österreich und Italien, droht heute dem Weltfrieden die größte Gefahr." <br>
eines wankenden Regimes einen Krieg entzünden, wie es 1870 bei Na-  
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Mit diesem in den späteren Auflagen gestrichenen Urteil — <br>
poleon III. der Fall war und vielleicht noch bei Nikolaus II, der Fall  
eine genaue Zeitangabe der Streichung wird leider unterlassen —<br>
sein wird. Von diesen Mächten und ihren Gegensätzen, und
stimmt es nicht überein, wenn das vorliegende Buch schon in den <br>
nicht etwa von dem zwischen Deutschland und Frankreich, zwischen
bescheidenen Anfängen des deutschen Flottenbaues im Jahre 1897 <br>
Österreich und Italien, droht heute dem Weltfrieden die größte Gefahr."
den Übergang zu einer Weltpolitik sehen will, die, „wenn sie einen <br>
Mit diesem in den späteren Auflagen gestrichenen Urteil —  
Sinn hatte, nur den haben konnte: Aufrichtung der Beherrschung <br>
eine genaue Zeitangabe der Streichung wird leider unterlassen —  
der Welt durch Deutschland !" (K. Seite 17). Wer solches behauptet, <br>
stimmt es nicht überein, wenn das vorliegende Buch schon in den  
hat sich wohl nie mit Bleistift und Papier klar gemacht, über welche <br>
bescheidenen Anfängen des deutschen Flottenbaues im Jahre 1897  
Land- und Seestreitkräfte Deutschland gegenüber der „WeIt" <br>
den Übergang zu einer Weltpolitik sehen will, die, „wenn sie einen  
verfügte, die es angeblich gewaltsam unterjochen wollte. Darauf <br>
Sinn hatte, nur den haben konnte: Aufrichtung der Beherrschung  
wird im nächsten, von den „Rüstungen" handelnden Abschnitt <br>
der Welt durch Deutschland !" (K. Seite 17). Wer solches behauptet,  
noch eingegangen werden. Hier sei nur erwähnt, daß niemand, <br>
hat sich wohl nie mit Bleistift und Papier klar gemacht, über welche  
der das Flottenprogramm von 1897 kennt, ernstlich glauben kann, <br>
Land- und Seestreitkräfte Deutschland gegenüber der „WeIt"  
es habe die Einleitung des „Wettrüstens mit England" (a. a. O.) <br>
verfügte, die es angeblich gewaltsam unterjochen wollte. Darauf  
bedeutet. Daß die spätere deutsche Flottenpolitik, weniger <br>
wird im nächsten, von den „Rüstungen" handelnden Abschnitt  
wegen ihres Umfangs als wegen mancher lärmenden Begleiterschei- <br>
noch eingegangen werden. Hier sei nur erwähnt, daß niemand,  
nungen, ein Haupthindernis für eine Verständigung mit England <br>
der das Flottenprogramm von 1897 kennt, ernstlich glauben kann,  
bildete, soll nicht bestritten werden. Auch ist zuzugeben, daß die <br>
es habe die Einleitung des „Wettrüstens mit England" (a. a. O.)  
insulare Lage des Vereinigten Königreichs das Streben erklärt und <br>
bedeutet. Daß die spätere deutsche Flottenpolitik, weniger  
rechtfertigt, sich die Zufuhr zur See von Lebensmitteln und Roh- <br>
wegen ihres Umfangs als wegen mancher lärmenden Begleiterschei-  
stoffen auch im Kriegsfalle unbedingt zu sichern. Ein Vertreter <br>
nungen, ein Haupthindernis für eine Verständigung mit England  
des Pazifismus aber sollte, wenn er in solcher Weise den britischen<br>
bildete, soll nicht bestritten werden. Auch ist zuzugeben, daß die  
Marinismus verteidigt, den Hinweis nicht unterlassen, daß Eng- <br>
insulare Lage des Vereinigten Königreichs das Streben erklärt und  
lands Versorgung zur See nicht nur ebenso gut, sondern weit besser<br>
rechtfertigt, sich die Zufuhr zur See von Lebensmitteln und Roh-  
durch das Bekenntnis zur Freiheit der Meere zu sichern gewesen <br>
stoffen auch im Kriegsfalle unbedingt zu sichern. Ein Vertreter  
wäre, wie sie Cobden 1862 gefordert hatte: Beseitigung des See- <br>
des Pazifismus aber sollte, wenn er in solcher Weise den britischen  
beuterechts, Beschränicung der Blockade mit Ausnahme der Konter- <br>
Marinismus verteidigt, den Hinweis nicht unterlassen, daß Eng-  
bande auf befestigte oder verteidigte Hafenplätze, Beseitigung <br>
lands Versorgung zur See nicht nur ebenso gut, sondern weit besser  
des Visitationsrechts neutraler Schiffe. Die furchtbare Waffe der <br>
durch das Bekenntnis zur Freiheit der Meere zu sichern gewesen  
rücksichtslosen Blockade hat zudem gezeigt, daß es ein Irrtum ist, <br>
wäre, wie sie Cobden 1862 gefordert hatte: Beseitigung des See-  
zu glauben, nur die Insel England sei „im Falle eines Krieges dem <br>
beuterechts, Beschränicung der Blockade mit Ausnahme der Konter-  
Hungertode ausgeliefert" (K. Seite 18). Das kontinentale Deutsch- <br>
bande auf befestigte oder verteidigte Hafenplätze, Beseitigung  
land hat nicht nur im Kriege, sondern gegen alle Gesetze von Mensch- <br>
des Visitationsrechts neutraler Schiffe. Die furchtbare Waffe der  
lichkeit und Völkerrecht auch nach Einstellung der Feindselig- <br>
rücksichtslosen Blockade hat zudem gezeigt, daß es ein Irrtum ist,  
keiten unter dieser schrecklichsten aller Kriegswaffen furchtbar <br>
zu glauben, nur die Insel England sei „im Falle eines Krieges dem  
gelitten und bleibt selbst nach Abschluß des schmählichsten und <br>
Hungertode ausgeliefert" (K. Seite 18). Das kontinentale Deutsch-  
demütigendsten Friedens von einer Erneuerung dieses teuflischen <br>
land hat nicht nur im Kriege, sondern gegen alle Gesetze von Mensch-  
Mittels ständig bedroht. Auffallend im Munde eines Vorkämpfers <br>
lichkeit und Völkerrecht auch nach Einstellung der Feindselig-  
internationaler Verständigung sind auch die Ausführungen auf <br>
keiten unter dieser schrecklichsten aller Kriegswaffen furchtbar  
Seite 19, wo England mehr oder minder das Recht zu einem Prä- <br>
gelitten und bleibt selbst nach Abschluß des schmählichsten und  
ventivkrieg gegen Deutschland wegen dessen Flottenbauten zuge- <br>
demütigendsten Friedens von einer Erneuerung dieses teuflischen  
sprochen wird. <br>
Mittels ständig bedroht. Auffallend im Munde eines Vorkämpfers  
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Aber nicht nur der Flottenbau von 1897, sondern auch die <br>
internationaler Verständigung sind auch die Ausführungen auf  
meisten anderen „deutschen Provokationen", die auf Seite 21—23 <br>
Seite 19, wo England mehr oder minder das Recht zu einem Prä-  
aufgezählt sind, fallen in die Zeit vor dem 1902 gefällten Urteil, <br>
ventivkrieg gegen Deutschland wegen dessen Flottenbauten zuge-  
nämlich das Telegramm an den Burenpräsidenten Krüger 1896, <br>
sprochen wird.  
die Proklamation Kaiser Wilhelms an die Mohammedaner 1898, das <br>
 
Verhalten Deutschlands auf der ersten Haager Konferenz 1899, die <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Aber nicht nur der Flottenbau von 1897, sondern auch die  
Kaiserrede an die nach China ziehenden Truppen 1900. An „Provo- <br>
meisten anderen „deutschen Provokationen", die auf Seite 21—23  
kationen" nach 1902 werden nur die Tangerfahrt 1905 und die <br>
aufgezählt sind, fallen in die Zeit vor dem 1902 gefällten Urteil,  
Entsendung des „Panther" nach Agadir 1911 aufgezählt, zwei <br>
nämlich das Telegramm an den Burenpräsidenten Krüger 1896,  
Ereignisse, die, so sehr man sie bedauern mag, an sich wohl kaum <br>
die Proklamation Kaiser Wilhelms an die Mohammedaner 1898, das  
ausreichen, um die 1902 ausgesprochene Auffassung von Grund aus <br>
Verhalten Deutschlands auf der ersten Haager Konferenz 1899, die  
umzustoßen. <br>
Kaiserrede an die nach China ziehenden Truppen 1900. An „Provo-  
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Immerhin ist Kautsky, im Gegensatz zu manchem seiner Partei- <br>
kationen" nach 1902 werden nur die Tangerfahrt 1905 und die  
freunde, gerecht genug, zuzugeben, daß der Militarismus nicht eine <br>
Entsendung des „Panther" nach Agadir 1911 aufgezählt, zwei  
auf Deutschland beschränkte Erscheinung war, sondern daß auch <br>
Ereignisse, die, so sehr man sie bedauern mag, an sich wohl kaum  
Frankreich und Rußland „davon mehr als genug" hatten <br>
ausreichen, um die 1902 ausgesprochene Auffassung von Grund aus  
(K. Seite 33). Wenn aber unmittelbar vorher gesagt wird, daß die <br>
umzustoßen.  
1902 noch in erster Linie als „internationale Störenfriede" bezeich- <br>
 
neten angelsächsischen Staaten „bis zum Weltkriege überhaupt <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Immerhin ist Kautsky, im Gegensatz zu manchem seiner Partei-  
keinen Militarismus kannten", so mag das wohl für die nordameri- <br>
freunde, gerecht genug, zuzugeben, daß der Militarismus nicht eine  
kanische Union gelten. Wer aber das Buch von Lord Roberts: <br>
auf Deutschland beschränkte Erscheinung war, sondern daß auch  
„41 Jahre in Indien" kennt, wer gelesen hat, welche Überfalls- <br>
Frankreich und Rußland „davon mehr als genug" hatten  
pläne gegen Deutschland Lord Fisher schmiedete, wie Lord (damals <br>
(K. Seite 33). Wenn aber unmittelbar vorher gesagt wird, daß die  
Mr.) Haidane, nachdem er im Januar 1906 die Besprechungen <br>
1902 noch in erster Linie als „internationale Störenfriede" bezeich-  
zwischen dem französischen und englischen Generalstabe eingeleitet <br>
neten angelsächsischen Staaten „bis zum Weltkriege überhaupt  
hatte, sich im September desselben Jahres im preußischen Kriegs- <br>
keinen Militarismus kannten", so mag das wohl für die nordameri-  
ministerium Belehrung holte, um den Hauptmangel der englischen <br>
kanische Union gelten. Wer aber das Buch von Lord Roberts:  
Heeresorganisation, die langsame Mobilmachung der britischen <br>
„41 Jahre in Indien" kennt, wer gelesen hat, welche Überfalls-  
Hilfstruppen in einem etwaigen deutsch-französischen Kriege, zu <br>
pläne gegen Deutschland Lord Fisher schmiedete, wie Lord (damals  
beheben, der muß zugeben, daß England seine militaristische Periode, <br>
Mr.) Haidane, nachdem er im Januar 1906 die Besprechungen  
die durch die Namen Irland, Indien, Ägypten gekennzeichnet ist, <br>
zwischen dem französischen und englischen Generalstabe eingeleitet  
auch während der letzten Generation noch nicht überwunden hatte. <br>
hatte, sich im September desselben Jahres im preußischen Kriegs-  
Die entsetzlichen Nachrichten über das Blutbad von Amritsar im <br>
ministerium Belehrung holte, um den Hauptmangel der englischen  
April 1919 bilden dafür einen neuen Beleg. <br>
Heeresorganisation, die langsame Mobilmachung der britischen  
Hilfstruppen in einem etwaigen deutsch-französischen Kriege, zu  
beheben, der muß zugeben, daß England seine militaristische Periode,  
die durch die Namen Irland, Indien, Ägypten gekennzeichnet ist,  
auch während der letzten Generation noch nicht überwunden hatte.  
Die entsetzlichen Nachrichten über das Blutbad von Amritsar im  
April 1919 bilden dafür einen neuen Beleg.  


<hr>
<hr>
*) Es werden bezeichnet das Kautskysche Buch mit K., <br>
&nbsp;*) Es werden bezeichnet das Kautskysche Buch mit K., <br>
die „Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch" mit D., <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;die „Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch" mit D., <br>
die Schrift von Dr. Roderich Gooss: „Das Wiener Kabinett und die <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;die Schrift von Dr. Roderich Gooss: „Das Wiener Kabinett und die <br>
Entstehung des Weltkrieges" mit G. <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Entstehung des Weltkrieges" mit G. <br>

Latest revision as of 11:17, 26 November 2015

WWI Document Archive > Official Papers > Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914 — Volume 5 (Commentary) > Glossen zu den Vorkriegsakten > I. Die Vorgeschichte


     Das Jahr 1919 hat zahlreiche amtliche Veröffentlichungen über
den Ursprung des Weltkrieges gebracht. Die deutschen Akten
sind vollständig erschienen, von den österreichischen der erste Teil,
aus den russischen Archiven ist manches wichtige Dokument hervor-
gezogen worden ; der serbische Diplomat Boghitschewitsch hat dazu
mehrfache Ergänzungen geliefert. Selbst das Dunkel in Frankreich
ist wenigstens etwas gelichtet worden durch das dritte französische
Gelbbuch, das allerdings erstaunlich wenig beachtet worden, in
Deutschland sogar fast gänzlich unbekannt geblieben ist. Wer
heute über den Ursprung des Krieges schreiben will, muß diese
Publikationen in ihrer Gesamtheit berücksichtigen. Kautsky tut
das nicht, sondern stützt sich ausschließlich auf das deutsche und
österreichische Material. Das deutsche Weißbuch vom Juni 1919
wird zwar erwähnt (K. Seite 45)*) und an mehreren Stellen heftig
bekämpft, die darin enthaltenen russischen Enthüllungen aber
werden mit Stillschweigen übergangen. Das Kautskysche Buch
ist daher ein, noch dazu nicht immer unparteiischer, Kommentar
zu den deutschen und österreichischen Akten, aber der Titel „Wie
der Weltkrieg entstand" ist nicht gerechtfertigt.
          Ein einleitendes Kapitel: „Die Schuldigen" vertritt den meiner
Auffassung nach völlig begründeten Standpunkt, daß man sich
nicht damit begnügen dürfe, den Kapitalismus und den dadurch
erzeugten Imperialismus, das Streben nach gewaltsamer Ausdehnung
des Staatsgebiets, für die ungeheure Katastrophe verantwortlich
zu machen. Ich teile die Auffassung, daß es trotz Kapitalismus
und Imperialismus möglich gewesen wäre, das Unheil zu vermeiden.
Die geschichtliche Forschung darf sich nicht auf so allgemeine
Redensarten beschränken. Sie muß versuchen festzustellen, in-
wieweit besondere politische Institutionen oder bestimmte Träger
solcher Institutionen als Ursache und Urheber des Völkerringens
anzusehen sind.
     Kautsky verfällt ferner nicht in den Fehler vieler anderer An-
kläger der Zentralmächte, seine Betrachtung erst mit dem Attentat
von Sarajewo zu beginnen, sondern geht auch auf die Vorgeschichte
des Krieges ein. Aber gerade dabei macht sich die Beschränkung
der Quellen nachteilig fühlbar. Gewiß kann man vielem, was ge-
sagt wird, beistimmen. Es ist eine traurige Wahrheit, daß Deutsch-
land schließlich nur noch mit Staaten befreundet und verbündet
war, „die ihre Lebensfähigkeit verloren hatten" (K. Seite 24), mit
Österreich und der Türkei. Die inneren Verhältnisse des morschen,
von rivalisierenden und sich befeindenden Nationalitäten bewohnten
Donaustaates und die harte, selbstsüchtige Wirtschaftspolitik der
ungarischen A.Sirarier gegen das vergeblich zum Meere strebende
Serbien sind zutreffend gekennzeichnet. Aber es heißt doch die
Grenze gerechter Kritik überschreiten, wenn man von einem öster-
reichischen „Imperialismus" spricht (K. Seite 26), und die Schilde-
rung der Persönlichkeit des slawenfreundlichen, die Wiederher-
stellung des Dreikaiserbündnisses anstrebenden Erzherzogs Franz
Ferdinand als eines Mannes, „der allein auf die Gewalt, baute"
(a. a. O.), wird manchem Widerspruch begegnen.
     Bei der Entwicklung der Balkankrisen wird die „frivole 'Ge-
fährdung des Weltfriedens" durch die Annexion von Bosnien und
der Herzegowina scharf gebrandmarkt (K. Seite 27), aber die friedens-
gefährdenden Bestrebungen Rußlands und seiner Ententefreunde
werden nicht ei-wähnt. Das Streben nach der Herrschaft über die
Meerengen, einem Ziele, von dem die politischen und militärischen
Leiter des Zarenreichs wohl wußten und sogar protokollarisch fest-
legten, man könne nicht voraussetzen, daß es „außerhalb eines
europäischen Krieges" erreicht werden könnte (Weißbuch Juni 1919,
Seite 175), die unter russischer Patronanz erfolgende Gründung
des Balkanbundes, der zuerst gegen die Türkei, dann gegen die
Donaumonarchie als Sturmbock dienen sollte, die Einweihung
Frankreichs und Englands in die Ziele dieses Bundes, nach seiner
Auflösung die weitgehenden russischen Versprechungen an Serbien,
um sich dessen Mitwirkung als Stoßtruppe gegen die österreichische
Südflanke zu sichern — all das sind seit dem Frühsommer 1919
bekannte Tatsachen, an denen der objektive Forscher nicht schwei-
gend vorübergehen kann. Wie würde es gegen die politischen
Leiter Deutschlands ausgenützt werden, wenn von ihnen der Minister
eines verbündeten Staates ähnliche kriegsdrohende Äußerungen
berichten könnte wie Sasonow von König Georg und Sir Edward
Grey anläßlich der Verhandlungen über eine englisch-russische
Marinekonvention im September 1912 (Weißbuch Juni 1919,
Seite 195)!      Auch von Widersprüchen ist die Kautskysche Darstellung nicht
frei. Er erzählt selbst, daß er im Jahre 1902 in einer Schrift: „Die
soziale Revolution" nachstehendes Urteil abgegeben hat (K. Seite 31
und 32, Sperrdruck von Kautsky):
           „Die einzige Friedensbürgschaft liegt heute in der Angst vor dem
      revolutionären Proletariat. Es bleibt abzuwarten, wie lange diese den
      sich häufenden Konfliktsursachen gegenüber standhalten wird. Und es
      gibt eine Reihe von Machten, die noch kein selbständiges revolutionäres
      Proletariat zu fürchten haben, und manche von ihnen werden völlig
      von einer skrupellosen, brutalen Clique von Männern der hohen Finanz
      beherrscht. Diese Mächte, bisher in der internationalen Politik unbe-
      deutend oder friedliebend, treten jetzt als internationale Störenfriede
      immer mehr hervor. So vor allem die Vereinigten Staaten,
      daneben England und Japan. Rußland figurierte ehedem In der
      Liste der internationalen Störenfriede an erster Stelle, sein heldenmütiges
      Proletariat hat es augenblicklich von ihr abgesetzt. Aber ebenso wie
      der Übermut eines im Innern schrankenlosen Regimes, das keine revolu-
      tionäre Klasse in seinem Rücken scheut, kann auch die Verzweiflung
      eines wankenden Regimes einen Krieg entzünden, wie es 1870 bei Na-
      poleon III. der Fall war und vielleicht noch bei Nikolaus II, der Fall
      sein wird. Von diesen Mächten und ihren Gegensätzen, und
      nicht etwa von dem zwischen Deutschland und Frankreich, zwischen
      Österreich und Italien, droht heute dem Weltfrieden die größte Gefahr."
     Mit diesem in den späteren Auflagen gestrichenen Urteil —
eine genaue Zeitangabe der Streichung wird leider unterlassen —
stimmt es nicht überein, wenn das vorliegende Buch schon in den
bescheidenen Anfängen des deutschen Flottenbaues im Jahre 1897
den Übergang zu einer Weltpolitik sehen will, die, „wenn sie einen
Sinn hatte, nur den haben konnte: Aufrichtung der Beherrschung
der Welt durch Deutschland !" (K. Seite 17). Wer solches behauptet,
hat sich wohl nie mit Bleistift und Papier klar gemacht, über welche
Land- und Seestreitkräfte Deutschland gegenüber der „WeIt"
verfügte, die es angeblich gewaltsam unterjochen wollte. Darauf
wird im nächsten, von den „Rüstungen" handelnden Abschnitt
noch eingegangen werden. Hier sei nur erwähnt, daß niemand,
der das Flottenprogramm von 1897 kennt, ernstlich glauben kann,
es habe die Einleitung des „Wettrüstens mit England" (a. a. O.)
bedeutet. Daß die spätere deutsche Flottenpolitik, weniger
wegen ihres Umfangs als wegen mancher lärmenden Begleiterschei-
nungen, ein Haupthindernis für eine Verständigung mit England
bildete, soll nicht bestritten werden. Auch ist zuzugeben, daß die
insulare Lage des Vereinigten Königreichs das Streben erklärt und
rechtfertigt, sich die Zufuhr zur See von Lebensmitteln und Roh-
stoffen auch im Kriegsfalle unbedingt zu sichern. Ein Vertreter
des Pazifismus aber sollte, wenn er in solcher Weise den britischen
Marinismus verteidigt, den Hinweis nicht unterlassen, daß Eng-
lands Versorgung zur See nicht nur ebenso gut, sondern weit besser
durch das Bekenntnis zur Freiheit der Meere zu sichern gewesen
wäre, wie sie Cobden 1862 gefordert hatte: Beseitigung des See-
beuterechts, Beschränicung der Blockade mit Ausnahme der Konter-
bande auf befestigte oder verteidigte Hafenplätze, Beseitigung
des Visitationsrechts neutraler Schiffe. Die furchtbare Waffe der
rücksichtslosen Blockade hat zudem gezeigt, daß es ein Irrtum ist,
zu glauben, nur die Insel England sei „im Falle eines Krieges dem
Hungertode ausgeliefert" (K. Seite 18). Das kontinentale Deutsch-
land hat nicht nur im Kriege, sondern gegen alle Gesetze von Mensch-
lichkeit und Völkerrecht auch nach Einstellung der Feindselig-
keiten unter dieser schrecklichsten aller Kriegswaffen furchtbar
gelitten und bleibt selbst nach Abschluß des schmählichsten und
demütigendsten Friedens von einer Erneuerung dieses teuflischen
Mittels ständig bedroht. Auffallend im Munde eines Vorkämpfers
internationaler Verständigung sind auch die Ausführungen auf
Seite 19, wo England mehr oder minder das Recht zu einem Prä-
ventivkrieg gegen Deutschland wegen dessen Flottenbauten zuge-
sprochen wird.
     Aber nicht nur der Flottenbau von 1897, sondern auch die
meisten anderen „deutschen Provokationen", die auf Seite 21—23
aufgezählt sind, fallen in die Zeit vor dem 1902 gefällten Urteil,
nämlich das Telegramm an den Burenpräsidenten Krüger 1896,
die Proklamation Kaiser Wilhelms an die Mohammedaner 1898, das
Verhalten Deutschlands auf der ersten Haager Konferenz 1899, die
Kaiserrede an die nach China ziehenden Truppen 1900. An „Provo-
kationen" nach 1902 werden nur die Tangerfahrt 1905 und die
Entsendung des „Panther" nach Agadir 1911 aufgezählt, zwei
Ereignisse, die, so sehr man sie bedauern mag, an sich wohl kaum
ausreichen, um die 1902 ausgesprochene Auffassung von Grund aus
umzustoßen.
     Immerhin ist Kautsky, im Gegensatz zu manchem seiner Partei-
freunde, gerecht genug, zuzugeben, daß der Militarismus nicht eine
auf Deutschland beschränkte Erscheinung war, sondern daß auch
Frankreich und Rußland „davon mehr als genug" hatten
(K. Seite 33). Wenn aber unmittelbar vorher gesagt wird, daß die
1902 noch in erster Linie als „internationale Störenfriede" bezeich-
neten angelsächsischen Staaten „bis zum Weltkriege überhaupt
keinen Militarismus kannten", so mag das wohl für die nordameri-
kanische Union gelten. Wer aber das Buch von Lord Roberts:
„41 Jahre in Indien" kennt, wer gelesen hat, welche Überfalls-
pläne gegen Deutschland Lord Fisher schmiedete, wie Lord (damals
Mr.) Haidane, nachdem er im Januar 1906 die Besprechungen
zwischen dem französischen und englischen Generalstabe eingeleitet
hatte, sich im September desselben Jahres im preußischen Kriegs-
ministerium Belehrung holte, um den Hauptmangel der englischen
Heeresorganisation, die langsame Mobilmachung der britischen
Hilfstruppen in einem etwaigen deutsch-französischen Kriege, zu
beheben, der muß zugeben, daß England seine militaristische Periode,
die durch die Namen Irland, Indien, Ägypten gekennzeichnet ist,
auch während der letzten Generation noch nicht überwunden hatte.
Die entsetzlichen Nachrichten über das Blutbad von Amritsar im
April 1919 bilden dafür einen neuen Beleg.


 *) Es werden bezeichnet das Kautskysche Buch mit K.,
    die „Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch" mit D.,
    die Schrift von Dr. Roderich Gooss: „Das Wiener Kabinett und die
    Entstehung des Weltkrieges" mit G.