II, 48. Zirkular-Erlaß , 25. Juli 1914

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WWI Archive > Dokumente zum Kriegsausbruch > II, 48. Zirkular-Erlaß , 25. Juli 1914



Zirkular-Erlaß[1]
(Übermittlung des Dossiers)

Nr. 3540—3560 und 3569, 3570

W i e n ,   den 25. Juli 1914

Adresse:

I und II
zum ho. Erlaß v. 20. Juli 1. J.

I

1. Graf S z ö g é n y ,   Berlin (Nr. 3540), 1. Nr. 3426
2. Herr von M é r e y ,   Rom (Nr. 3541), 2. Nr. 3427
3. Graf S z é c s e n ,   Paris (Nr. 3542), 3. Nr. 3428
4. Graf M e n s d o r f f ,   London (Nr. 3543), 4. Nr. 3429
5. Graf S z á p á r y ,   Petersburg (Nr. 3544), 5. Nr. 3430
6. Markgraf P a l l a v i c i n i ,   Konstantinopel (Nr. 3545), 6. Nr. 34312.


II

1. Graf C z e r n i n ,   Bukarest (Nr. 3546), 1. Nr. 3432
2. Graf T a r n o w s k i ,   Sofia (Nr. 3547), 2. Nr. 3433
3. Herr von S z i l a s s y ,   Athen (Nr. 3548), 3. Nr. 3434
4. Herr von L ö w e n t h a l ,   Durazzo (Nr. 3549), 4. Nr. 3436
5. Herr O t t o ,   Cetinje (Nr. 3550), 5. Nr. 34353.


III

Alle Missionen, mit Ausnahme jener bei den Signaturmächten und den Balkanstaaten sowie jener in Stockholm, Washington, Tokio, Buenos Aires, Rio, St. Jago, Peking, Tanger, Mexico, Teheran und Bangkok.


1. von V e l i c s ,   München (Nr.3551),
2. Graf C l a r y ,   Brüssel (Nr. 3552),
3. Graf S z é c h e n y i ,   Kopenhagen (Nr. 3553),
4. Baron G i s k r a ,   Haag (Nr. 3554),
5. Baron K u h n ,   Lissabon (Nr.3555),
6. Graf H o y o s ,   Dresden (Nr.3556),
7. Baron G a g e r n ,   Bern (Nr. 3557),
8. Graf K o z i e b r o d s k i ,   Stuttgart (Nr. 3558),
9. Graf S z é c h e n y i ,   Kairo (Nr. 3559),
10. Baron G a g e r n ,   Madrid (Nr. 3569),
11.Prinz S c h ö n b u r g ,   Rom, (Nr. 3570).


IV

Graf H a d i k , Stockholm (Nr.3560).

ad I,—III

Im Anbuge [sic] erhalten E. · / . das in der Zirkularnote an die Mächte angekündigte Dossier, das die großserbische Propaganda und ihre Zusammenhänge mit dem Sarajevoer Attentate zum Gegenstande hat.


ad I, 1—6

E. · / . wollen dieses Dossier zur Kenntnis der dortigen Regierung bringen.


ad I, 1—4

E. · / . sind ermächtigt, der dortigen Regierung von dem Inhalte dieses Dossiers Kenntnis zu geben.


ad II, 5

E. · / . wollen der königlich montenegrinischen Regierung von dem Inhalte dieses Dossiers Kenntnis geben und hiebei neuerdings der Genugtuung der k. u. k. Regierung Ausdruck verleihen, daß Montenegro in diesem Aktenstücke keinerlei Rolle spielt.


ad III

Dieses Dossier dient zu Ihrer Kenntnisnahme und zur entsprechenden Verwertung bei der dortigen Regierung.


ad IV

Zum Privatschreiben vom 22. 1. M. Im Anbuge [sic] erhalten E. · / . das in der Zirkularnote an die Mächte angekündigte Dossier, das die großserbische Propaganda und ihre Zusammenhänge mit dem Sarajevoer Attentate zum Gegenstande hat.
Dieses Dossier dient zu Ihrer Kenntnisnahme und zur entsprechenden Verwertung bei der dortigen Regierung.


Memoire

Die von Serbien ausgegangene Bewegung, die sich zum Ziele gesetzt hat, die südslawischen Teile Österreich-Ungarns von der Monarchie loszureißen, um sie mit Serbien zu einer staatlichen Einheit zu verbinden, reicht weit zurück.
In Ihren Endzielen stets gleichbleibend und nur in ihren Mitteln und an Intensität wechselnd, hat diese Propaganda auf serbischem Boden zur Zeit der Annexionskrise einen ihrer Höhepunkte erreicht. Den schützenden Mantel der Heimlichkeiten abstreifend, war sie damals mit dem Einbekenntnisse ihrer Tendenzen offen hervorgetreten und hatte versucht, unter der Patronanz der serbischen Regierung mit allen ihr zu Verfügung stehenden Mitteln zur Verwirklichung ihrer Absichten zu gelangen.
Während die gesamte serbische Presse in gehässigen, die Tatsachen entstellenden Ausfällen zum Kampfe gegen die Monarchie aufrief, bildeten sich - von anderen Propagandamitteln abgesehen - Assoziationen, die diesen Kampf vorbereiteten.
An Bedeutung ragte unter diesen die »Narodna odbrana« hervor. Aus einem damals bestandenen revolutionären Komitee hervorgegangen, war diese als Privatverein konstituierte, jedoch vom Belgrader Auswärtigen Amte völlig abhängige Organisation von serbischen Militär- und Zivilfunktionären ins Leben gerufen worden. Als ihre Gründer fungierten unter anderen: General Božo Janković, die ehemaligen Minister Ljuba Jovanović, Ljuba Davidović und Velislav Vulović, der Direktor der Staatsdruckerei Živojin Dačić und die damaligen Hauptleute, jetzt Majore Voja Tankosić und Milan Pribicević. Dieser Verein hatte sich die Bildung und Ausrüstung von Freischaren für den bevorstehenden Krieg gegen die österreichisch-ungarische Monarchie zum Ziele gesetzt. (Siehe Beilage 2.)
Ein anschauliches Bild der damaligen Tätigkeit der »Narodna odbrana« liefert unter anderem die Aussage des vom Kreisgerichte in Sarajevo als Zeugen vernommenen bosnisch-herzegowinischen Landesangehörigen Trifko Krstanović, der sich zu jener Zeit in Belgard [sic] befand, und der nebst anderen Angehörigen der Monarchie von der »Narodna odbrana« als Komitatschi angeworben war. Mit etwa 140 anderen Bandenmitgliedern war Krstanović anfangs 1909 nach einer für die Ausbildung von Banden in Čuprija (Bezirk Jagodina) errichteten und von den Hauptleuten Voja Tankosić und Dušan Putnik geleiteten Schule gebracht worden. Als Lehrer fungierten dort ausschließlich serbische Offiziere. General Božo Janković und Hauptmann Milan Pribićević inspizierten diesen dreimonatlichen Bandenkurs in regelmäßigen Zeitabschnitten.
Dort erhielten die angehenden Komitatschis Unterricht im Schießen und Werfen von Bomben, im Minenlegen, Sprengen von Eisenbahnen, Tunnels und Brücken sowie im Zerstören von Telegraphenleitungen. Ihre Aufgabe war es, nach den Aufträgen ihrer Befehlshaber die neuerworbenen Kenntnisse in Bosnien und der Herzegowina in die Tat umzusetzen.

Durch diese ganz öffentlich betriebene und von der serbischen Regierung geförderte Aktion der »Narodna odbrana« wurde damals der Bandenkrieg gegen Österreich-Ungarn vorbereitet. Angehörige der Monarchie wurden hiebei zum Verrate an ihrem Vaterlande verleitet und systematisch dazu erzogen, als serbische Emissäre heimtückische Angriffe gegen die Verteidigungsmittel ihrer Heimat zu richten.

Diese Periode der aggressiven Aspirationen fand ihren Abschluß mit der von der serbischen Regierung am 31. März 1909 abgegebenen Erklärung, in welcher sich diese mit der durch die Annexion Bosniens und der Herzegowina geschaffenen völker- und staatsrechtlichen Neuordnung abfinden zu wollen erklärte und feierlich versprach, mit der österreichisch-ungarischen Monarchie in Hinkunft in freundschaftlichen Beziehungen leben zu wollen.
Mit dieser Erklärung schien auch das Ende der eine stete Quelle der Unruhe bildenden Bewegung gegen Österreich-Ungarn gekommen und der Weg zu einer wirklich freundschaftlichen Annäherung Serbiens an die Monarchie betreten. Der Förderung durch die serbische Regierung beraubt und von ihr pflichtgemäß bekämpft, hätte die monarchiefeindliche Propaganda nur mehr ein schattenhaftes, dem baldigen Untergange geweihtes Dasein fristen können. Dagegen hätten die zwischen den südslawischen Teilen der Monarchie und Serbien auf sprachlichem, ethnischem und kulturellem Gebiete bestehenden Berührungspunkte zur Verrichtung gemeinsamer, vom Geiste gegenseitiger Freundschaft und paralleler Interessen getragener Kulturarbeit führen müssen.

Diese Erwartungen haben sich jedoch nicht erfüllt.

Die monarchiefeindlichen Aspirationen sind geblieben und unter den Augen der serbischen Regierung, die nichts getan hat, um diese Bewegung zu unterdrücken, hat die gegen Österreich-Ungarn gerichtete Propaganda nur noch an Breite und Tiefe gewonnen. Der Haß gegen die Monarchie wurde wach erhalten und durch stets neue Anfachung zu einem unversöhnlichen gestaltet. Mit den alten, der geänderten Situation angepaßten und durch neue Methoden ergänzten Mitteln wurde das Volk Serbiens »zum unvermeidlichen Vernichtungskampfe« gegen Österreich-Ungarn aufgerufen. Systematisch wurden geheimnisvolle Fäden nach den südslawischen Gebieten der Monarchie gesponnen und deren Bürger zum Verrate am Vaterlande geworben.
Vor allem hat die serbische Presse seither nicht aufgehört, in diesem Geiste zu wirken.
Nicht weniger als 81 in Serbien erscheinenden Zeitschriften mußte bis heute wegen ihres die inländischen Strafgesetze verletzenden Inhaltes das Postdebit entzogen werden.
Kaum eine der Strafnormen, welche die erhabene Person des Monarchen, die Mitglieder allerhöchsteines Hauses und die Integrität des Staates schützen, ist seitens der serbischen Blätter unverletzt geblieben. Einige wenige aus der überreichen Fülle dieses Materials entnommene, aus verschiedenen Zeitpunkten stammende Proben dieser Preßstimmen sind in der Beilage 1 zusammengestellt.
Ohne in eine detaillierte Besprechung dieser Äußerungen der öffentlichen Meinung Serbiens einzugehen, muß immerhin bemerkt werden, daß sie die Annexion Bosniens und der Herzegowina trotz der serbischerseits erfolgten Anerkennung dieses Aktes nach wie vor als einen an Serbien verübten Raub, der einer Remedur bedarf, hinstellen, ein Gedanke, der nicht bloß in den Blättern schärfster Richtung in allen Variationen ihrer unflätigen Sprache immer wiederkehrt, sondern der auch in der dem Belgrader Auswärtigen Amte so nahestehenden »Samouprava« in kaum verhüllter Form ausgesprochen wird. (Lit. b der Beilage I.)
Ebenso kann nicht unterlassen werden, das Augenmerk darauf zu lenken, wie das am 15. Juni 1910 in Sarajevo von Bogdan Zerajić verübte Attentat gegen den Landeschef von Bosnien und der Herzegowina, Feldzeugmeister von Varešanin, publizistish verwertet wurde.

Wie bekannt hatte sich Zerajić unmittelbar nach der Tat entleibt und vor deren Verübung seine gesamten Papiere verbrannt. Unter diesen Umständen vermochten die Motive seines Anschlages nicht vollkommen klargestellt zu werden. Immerhin konnte man aber aus einem bei ihm gefundenen Abzeichen schließen, daß er Krapotkinschen Ideen huldigte. Auch die geführten Erhebungen deuteten darauf hin, daß man es mit einem auf anarchistischen Grundlagen beruhenden Verbrechen zu tun hatte.

Dies hinderte jedoch die Presse Serbiens nicht, den Attentäter als serbischen Nationalhelden zu feiern und seine Tat zu verherrlichen. Ja, die »Politika« verwahrte sich förmlich dagegen, daß Zerajić Anarchist gewesen sei und reklamierte ihn als »heldenmütigen Serben, dessen Name jeder Serbe mit Achtung und Schmerz nennen wird«.
Das Datum des 18. August[2] desselben Jahres hielt die »Politika« für eine passende Gelegenheit, sich mit dem Anschlage des Zerajić, »dessen Name im Volke wie etwas ,Heiliges' genannt werde«, neuerlich zu befassen und das Attentat in einem Gedichte zu feiern. (Lit. a der Beilage I.)
So wurde dieses Verbrechen, das mit den Aspirationen auf Territorien der Monarchie nichts zu tun hatte, für die Förderung dieser Ideen ausgebeutet und durch die Glorifizierung des Zerajić der Mord ganz ausdrücklich als ein rühmliches und nachahmenswertes Mittel im Kampfe für die Verwirklichung dieser Gedanken anerkannt. Diese Sanktionierung des Mordes als einer vollkommen zulässigen Methode im Kampfe gegen die Monarchie kehrt später in den Blättern bei Besprechung des von Jukić verübten Attentates gegen den königlichen Kommissär von Cuvaj wieder. (Lit. c der Beilage I.)
Diese nicht nur in Serbien verbreiteten, sondern — wie später gezeigt werden wird — auf wohlorganisierten Schleichwegen in die Monarchie eingeschmuggelten Zeitungen waren es, die bei den breiten Massen jene Stimmungen erzeugten und wach erhielten, welche einen fruchtbaren Nährboden für die Machenschaften der monarchiefeindlichen Assoziationen boten.
Zum Zentralpunkt dieser von Vereinen betriebenen Agitation wurde die »Narodna odbrana«. Dieselben Personen, die zur Zeit der Annexion an der Spitze des Vereins gestanden waren, bildeten auch jetzt seine Leitung; wieder findet man hier, wie seinerzeit, als die energischsten und tätigsten Organisatoren, die heftigsten Gegner der Monarchie: den General Božo Janković, den Direktor der Staatsdruckerei Živojin Dačić sowie die Majore Milan Pribičević und Voja Tankosić. Organisatorisch auf eine in die Breite und Tiefe gehende Basis gestellt und hierarchisch straff gegliedert (siehe Beilage 2 unter »Organisation«), besaß die »Narodna odbrana« bald zirka 400 Ausschüsse, die eine heftige Agitation entfalteten.
Hiezu kam, daß die »Narodna odbrana« zu dem Schützenbunde (mit 762 Vereinen), dem Sokolbunde »Dušan Silni« (mit 2,500 Mitgliedern), dem olympischen Klub, dem Reitervereine »Knez Mihaizlo«, dem Jägerbunde und der Kulturliga in engste Verbindung trat und zahlreiche andere Vereine in ihre Dienste stellte, die alle, von der »Narodna odbrana« geführt und unterstützt, in deren Sinn wirken. In steter gegenseitiger Durchdringung gelangten diese Vereine zu einer förmlichen Amalgamierung, so daß sie heute eigentlich alle nur Glieder des einen Körpers der »Narodna odbrana« sind.
So spannte die »Narodna odbrana« über ganz Serbien ein engmaschiges Netz der Agitation, mit welchem sie alle für ihre Ideen Empfänglichen an sich zog.
Welches aber der Geist ist, in dem die »Narodna odbrana« wirkt, das geht mit genügender Klarheit schon aus ihren offiziellen Vereinspublikationen hervor.
In ihren Statuten, im Kleide eines Kulturvereins auftretend, dem nur die geistige und körperliche Entwicklung der Bevölkerung Serbiens sowie deren materielle Kräftigung am Herzen liegt, enthüllt die »Narodna odbrana« in ihrem Vereinsorgane (siehe Beilage 2) den wahren und den einzigen Grund ihres Daseins, ihr sogenanntes »reorganisiertes Programme«, nämlich:
In »fanatischer und unermüdlicher Arbeit« dem serbischen Volke unter dem Vorwande, daß ihm die Monarchie »seine Freiheit und Sprache nehmen, ja Serbien zerschmettern« wolle, die »heilige Wahrheit« zu predigen, daß es eine unerläßliche Notwendigkeit ist, gegen Österreich-Ungarn, diesen seinen »ersten und größten Feind«, den »Ausrottungskampf mit Gewehr und Kanone« zu führen und das Volk »mit allen Mitteln« auf diesen Kampf vorzubereiten, der zu führen ist, »zur Befreiung der unterworfenen Gebiete«, in denen »7 Millionen unterjochter Brüder schmachten«.
Ausschließlich im Dienste dieser Idee stehen die »Kulturbestrebungen« der »Narodna odbrana« als bloße Mittel zur Organisierung und Erziehung des Volkes für den ersehnten Vernichtungskampf gegen die Monarchie.
In eben diesem Geiste wirken aber alle der »Narodna odbrana« affiliierten Vereine, wofür der Sokolverein in Kragujevac als Beispiel dienen möge. (Siehe Beilage 3.)
Wie bei der »Narodna odbrana«, so stehen auch hier Offiziere, Professoren und Staatsbeamte an der Spitze.
Die Ansprache mit welcher der Vereinspräsident Major Kovačević die Jahresversammlung im Jahre 1914 eröffnete, verzichtet vollkommen darauf, das Turnen, daß doch der eigentliche Zweck eines Sokolvereines ist, zu erwähnen und befaßt sich ausschließich mit der »Vorbereitung zum Kampfe« gegen den »gefährlichen herzlosen, lüsternen, lästigen und gefräßigen Feind im Norden«, der »Millionen serbischer Brüder Freiheit und Recht nimmt und sie in Slaverei und Ketten hält«.
In dem Verwaltungsbericht dieses Vereines treten die sachlichen Ausführungen ganz in den Hintergrund und geben nur die Stichworte für das Bekenntnis des wahren »Zieles der Handlungen der Verwaltung« ab, nämlich: die Vorbereitung der nationalen Entwicklung und der Stärkung der »unterdrückten Nation« zu dem Ende, damit sie ihr noch nicht erfülltes Programm, ihre noch nicht erfüllte Arbeit «zu Ende führen und jene» große Tat« vollbringen könne, »die sich in nächster Zeit abspielen wird«: »die Befreiung der jenseits der Drina wohnenden Brüder, welche die Leiden des Gekreutzigten erdulden«.
Ja sogar der Kassier benützt seinen Kassenbericht zu dem Mahnrufe, man müsse »Falken erziehen«, die imstande sind, den »noch nicht befreiten Brüdern die Freiheit zu bringen«.
Ebenso wie bei der »Narodna odbrana« die Kulturbestrebungen, ist also bei den Sokols die turnerische Betätigung nicht Selbstzweck, sondern ein bloßes Mittel im Dienste ebenderselben Propaganda, die mit denselben Gedanken, ja fast mit den gleichen Worten betrieben wird.
Wenn nun die »Narodna odbrana« das »Volk« zum Vernichtungskampfe gegen die Monarchie aufruft, wendet sie sich nicht nur an das Volk in Serbien, sondern an alle südslawischen Völkerschaften. Gelten doch der »Narodna odbrana« die südslawischen Gebiete der Monarchie als »unsere unterworfenen serbischen Gebiete«. (Siehe auch Beilage 4.) So sollen also auch die südslawischen Angehörigen der Monarchie an dieser »nationalen Arbeit« teilnehmen; so soll auch jenseits der serbischen Grenze diese »gesunde, notwendige Arbeit« verrichtet werden. Und auch auf dem Boden der Monarchie sucht die »Narodna odbrana« jene »Helden für diesen heiligen Kampf«, denen Obilić, der Mörder Murads, als nachstrebenswertes Belspiel nationaler Opferwilligkeit voranleuchten soll.
Um aber die »Brüder außerhalb Serbiens« zur Teilnahme an der »Arbeit privater Initiative« anzuspornen unterhält die »Narodna odbrana« eine lebhafte Verbindung mit den »Brüdern jenseits der Grenze«. Wie diese Verbindung geartet ist, wird in dem Vereinsorgane nicht gesagt, wohl deshalb, weil dies zu jenem Teile der »Gesamtarbeit« gehört, der »aus mehrfachen Gründen weder wiedergegeben werden darf noch kann«.
Wie umfangreich dieser Zweig ihrer Tätigkeit ist, läßt sich aus dem Umstande erkennen, daß sowohl der Zentralausschuß der »Narodna odbrana« als auch einzelne ihrer Kreisausschüsse eigene Sektionen für »auswärtige Angelegenheiten« bezitzen.
Diese »auswärtige« Tätigkeit der »Narodna odbrana« und ihrer Affiliierten ist eine äußerst vielseitige.
Das, weil behö[r]dlich kontrollierbar, relativ ungefährlichste Mittel dieser Agitation sind die Vortragsreisen welche hervorragende Vereinsmitglieder der »Narodna odbrana« nach den südöstlichenTeilen der Monarchie unternehmen, wo sie in verschiedenen Vereinen über nationale und kulturelle Fragen sprechen. Diese Anlässe bieten den Vortragenden die von ihnen gesuchte und wohl den vornehmlichsten Zweck dieser Reisen bildende Gelegenheit, in halben, dem Kenner verständlichen Worten und Wendungen im Sinne der wahren Tendenzen dieser Vereine zu wirken.
Unter diesen Emissären nimmt unter anderen auch der schon mehrmals erwähnte Direktor der serbischen Staatsdruckerei Živojin Dačić eine hervorragende Stellung ein, jener Živojin Dačić, der am 8. August 1909 einen »Aufruf« an das serbische Volk erließ, in welchem er Österreich-Ungarn als den Feind Serbiens bezeichnete und zur Vorbereitung auf den Kampf mit der Monarchie ermahnte. Wiederholt unternahm Dačić Agitationsreisen nach den südöstlichen Teilen der österreichisch-ungarischen Monarchie. Bei einem solchen Vortrage in Karlovci, (1912) legte er seine sonst beobachtete Vorsicht ab und trat geradezu für die »Vereinigung aller Serben gegen den gemeinsamen Feind« ein, als den er in nicht mißzuverstehenden Andeutungen Österreich-Ungarn hinstellte.
Bedenklicher sind die Beziehungen, welche die im Geiste der »Narodna odbrana« wirkenden serbischen Korporationen unter dem Deckmantel der Interessen- und Kulturgemeinschaft mit Vereinen der Monarchie angeknüpft haben, denn die gegenseitigen deputativen, oder korporativen Besuche dieser Vereine, die sich einer genaueren behördlichen Kontrolle entziehen, werden serbischerseits zu allerlei monarchiefeindlichen Machenschaften benützt.
So hat sich beispielsweise ein zu der bekannten Feier des Sarajevoer Prosvjetavereines im September 1912 entsendeter Delegierter der »Narodna odbrana« nicht gescheut (siehe Beilage 6), bei diesem Anlasse im geheimen bosnische Mitglieder für seinen Verein anzuwerben. Die Entsendung eines Vertreters des Kragujevacer Sokolvereines zu dieser Feier sollte den »Brüdern in Bosnien« sagen: »Wir haben Euer nicht vergessen; die Flügel des Falken der Sumadija sind noch mächtig«, ein Gedanke, der im intimen Verkehre wohl einen ganz anderen, den früher dargelegten Tendenzen dieses Vereines adäquateren Ausdruck gefunden haben wird. (Siehe Beilage 3.) Was die Vorgänge anbelangt, die sich bei den in Serbien abgehaltenen Zusammenkünften dieser Art abspielen, so entziehen sich diese allerdings einer auf vollkommen sicherer Basis stehenden Kenntnis der k. u. k. Behörden, denen ja für diese Fälle nur schwer kontrollierbare konfidentielle Mitteilungen zur Verfügung stehen. In diesem Zusammenhange wäre des Besuches von Agramer Studenten in Serbien im April 1912 zu gedenken, der auf serbischer Seite durch die Veranstaltung eines offiziellen militärischen Empfanges, ja sogar einer Truppenparade zu Ehren dieser Studenten zu einer derart suggestiven Demonstration gestaltet wurde, daß der Verwaltungsbericht des Kragujevacer Sokolvereines sagen darf, dieses »Ereignis bedeutet den Anfang und Keim einer großen Tat, die sich in der nächsten Zukunft abspielen wird«, »ein Keim, der reifen wird, wenn die Volksseele noch mehr aufwallt«, »bis es keine Schranken gibt, die sie nicht niederreißen könnte«.

Erst vor kurzem ist es zur Kenntnis der Behörden der Monarchie gelangt, daß die Sokolvereine Serbiens einige analoge Korporationen in der Monarchie dazu bestimmt haben, sich mit ihnen in einem bisher geheim gehaltenen Verbande zu vereinigen, dessen Charakter bisher noch nicht ganz klargestellt ist, da die Erhebungen darüber derzeit noch fortdauern. Immerhin lassen die schon jetzt erzielten Ergebnisse der Nachforschungen vermuten, daß man hier einem der Wege auf die Spur gekommen ist, auf dem die subversiven Tendenzen der serbischen Sokols und ihrer Freunde einzelnen verführten und irregeleiteten Personengruppen in der Monarchie eingeimpft werden. Diese auf breitere Schichten gemünzte, mehr vorbereitende Propaganda tritt aber an Bedeutung gegenüber jener »auswärtigen Arbeit« in den Hintergrund, die von der »Narodna odbrana« und ihren Freunden in der Agitation von Mann zu Mann geleistet wird. Hier ist jenes Gebiet, auf dem ihre traurigsten Erfolge liegen. Durch ihre geheimen Vertrauensmänner und Emissäre trägt sie das Gift der Aufwieglung in die Kreise der Erwachsenen ebenso wie der urteilslosen Jugend. So haben beispielsweise, von Milan Pribičević verleitet, die ehemaligen Honvedoffiziere V.B., D.K., V.N. und der kroatisch-slawonische Gendarmerieleutnant V.K. den Heeresdienst in der Monarchie unter bedenklichen Umständen verlassen und sich nach Serbien gewendet, wo sie inzwischen allerdings manche ihrer Hoffnungen getäuscht sehen und wenigstens zum Teile daran denken, in die von ihnen verratene Heimat zurückzukehren. Die von Serbien aus in die mittleren Schulen Kroatiens und Bosniens getragene Agitation ist leider so bekannt, daß sie einer Exemplifizierung nicht bedarf. Weniger bekannt aber ist es, daß die wegen schwerer disziplinärer Vergehen aus kroatischen und bosnischen Schulen Ausgeschlossenen in Serbien mit offenem Armen aufgenommen, oft sogar von Staats wegen unterstützt und zu Feinden der Monarchie erzogen werden. Die serbischen Schulen mit ihren monarchiefeindlichen Lehrbehelfen und ihrer großen Zahl von Professoren und Lehrern, die in den Reihen der »Narodna odbrana« stehen, sind allerdings geeignete Anstalten zur Erziehung derartiger Adepten. Ein besonders beachtenswerter Fall dieser Art mag hier als Beispiel Erwähnung finden. Im März 1914 waren mehrere Schüler der Lehrerpräparandie in Pakrac (Kroatien) wegen eines Streikes relegiert worden. Dieselben wandten sich nach Serbien, wo sie zum Teile sofort als Lehrer Anstellungen erhielten, zum Teile in einer Lehrerbildungsanstalt untergebracht wurden. Mit monarchiefeindlichen Kreisen in Verbindung stehend, hat einer dieser Relegierten öffentlich erklärt, er und seine Leute würden zur Zeit der Anwesenheit des Herrn Erzherzog-Thronfolgers in Bosnien den Beweis liefern, daß Bosnien serbisches Land sei. Recht merkwürdig mutet es an, daß der königlich serbische Kreispräfekt in Krajna, wie hier ergänzend bemerkt sei, dreien aus dem Kreise dieser so arg kompromittierten Studenten gerade zur Zeit der Anwesenheit des Herrn Erzherzogs Franz Ferdinand in Bosnien serbische Pässe ausstellte, in denen er sie fälschlich als serbische Staatsangehörige bezeichnete, obwohl er deren kroatische Heimatsberechtigung kennen mußte. Mit diesen Pässen ausgerüstet, vermochten die drei Präparandisten unbemerkt nach der Monarchie zu gelangen, wobei sie jedoch erkannt und angehalten wurden. Mit all dem wäre aber die »auswärtige« Tätigkeit der »Narodna odbrana« noch lange nicht erschöpfend charakterisiert. Schon seit längerer Zeit war die k. u. k. Regierung durch konfidentielle Meldungen darüber unterrichtet, daß die »Narodna odbrana« den von ihr gewünschten Krieg gegen die Monarchie auch militärisch insoferne vorbereite, als sie in der Monarchie Emissäre halte, die nach gewohnter Bandenart im Falle des Ausbruches vom Feindseligkeiten die Zerstörung von Transportmitteln und -einrichtungen bewirken und Revolten sowie Paniken hervorrufen sollten. (Siehe Beilage 7.) Das im Jahre 1913 beim Kreisgerichte in Sarajevo gegen Jovo Jagličić und Genossen eingeleitete Strafverfahren wegen Verbrechens der Ausspähung (Beilage 6) hat die Bestätigung dieser vertraulichen Mitteilungen gebracht. So wie zur Zeit ihrer Gründung steht auch heute noch die Vorbereitung des Bandenkrieges auf dem Programme der »Narodna odbrana«, wozu noch ergänzend die Entwicklung einer Spionagetätigkeit trat. So ist das heutige sogenannte »reorganisierte Programm« der »Narodna odbrana« in Wahrheit ein erweitertes Programm: Den »Ausrottungskampf« gegen die Monarchie vorzubereiten, ja herbeizuführen und dann wieder »die alte rote Fahne der Narodna odbrana« zu entfalten. Aus dieser Atmosphäre des offen und geheim geschürten Hasses gegen die Monarchie, verbunden mit einer sich jenseits aller Verantwortlichkeit dünkenden Agitation, die im Kampfe gegen Österreich-Ungarn alle Mittel für zulässig erachtet und hiebei ganz ungescheut den gemeinen Mord als deren wirksamstes empfiehlt, mußten schließlich auch ohne weiteres Zutun der monarchiefeindlichen Kreise Serbiens, Akte des Terrorismus entstehen. Am 8. Juni 1912 gab Lukas Jukić gegen den königlichen Kommissär in Agram von Cuvaj einen Schuß ab, durch den der im Wagen sitzende Banalrat von Hervoić tötlich verletzt wurde. Auf der Flucht erschoß Jukić einen ihn verfolgenden Polizeimann, und verletzte zwei weitere. Wie aus der öffentlich durchgeführten Hauptverhandlung bekannt ist, finden sich in den Ideen des Jukić die grundlegenden Gedanken der von der »Narodna odbrana« propagierten Pläne wieder. Wenn sich Jukić auch schon seit einiger Zeit mit Attentatsplänen trug, so kamen diese doch erst zur Reife, als er am 18. April 1912 den Ausflug der Agramer Studenten nach Belgrad mitgemacht hatte. Bei den zu Ehren der Besucher veranstalteten rauschenden Festlichkeiten war Jukić zu verschiedenen Personen in Beziehung getreten, die dem Kreise der »Narodna odbrana« angehörten, und mit denen er politische Gespräche führte. Wenige Tage später war Jukić wieder in Belgrad, und hier erhielt er von einem serbischen Major eine Bombe und von einem Genossen die Browningpistole, mit der er das Attentat vollführte. Die in Agram aufgefundene Bombe war nach dem Gutachten der Sachverständigen in einem Arsenale zu militärischen Zwecken erzeugt worden. Noch war der Anschlag des Jukić nicht vergessen, als am 18. August 1913 der aus Amerika zugereiste Stephan Dojčić in Agram ein Attentat gegen den königlichen Kommissär Baron Skerlecz verübte -- eine Tat, die der von Serbien aus organisierten Verhetzung der in Amerika lebenden Südslawen entsprang -, gleichfalls ein Werk der »auswärtigen« Propaganda der »Narodna odbrana« und ihrer Gesinnungsgenossen. Die von dem Serben T. Dimitrijević verfaßte, in Chicago gedruckte Broschüre »Natrag u staro ognjište vaše« mit ihren maßlosen Ausfällen gegen Seine k. u. k. Apostolische Majestät und ihrer Aufforderung an die Serben der Monarchie, im Hinblicke auf ihre baldige »Befreiung« nach Serbien heimzuwandern, zeigt den Parallelismus dieser in Amerika mit voller Freiheit der Bewegung betriebenen, von Serbien aus geleiteten Propaganda und jener, die von Serbien aus in die Gebiete der Monarchie getragen wird. Und wieder kaum nach Jahresfrist war Agram der Schauplatz eines, diesmal mißglückten Attentates. Am 20. Mai 1. J. versuchte Jakob Schäfer im Agramer Theater einen Anschlag auf den Banus Freiherrn von Skerlecz, woran er im letzten Augenblicke durch einen Polizeibeamten gehindert wurde. Die Untersuchung ergab den Bestand eines Komplottes, dessen Seele Rudolf Hercigonja war. Aus den Aussagen Hercigonjas und seiner fünf Mitangeklagten ergab sich, daß auch dieses Attentat seinen Ausgang von Serbien nahm. An einem gescheiterten Versuche zur Befreiung des Jukić beteiligt, war Hercigonja nach Serbien geflüchtet (Oktober 1912), wo er gemeinsam mit seinem Komplizen Majoran Jakšić mit Komitatschis und Mitgliedern der »Narodna odbrana« verkehrte. Wie schon so oft bei den durch die viel zu frühe Beschäftigung mit Fragen der Politik überhitzten jugendlichen Gemütern, war das Ergebnis dieses korrumpierenden Verkehres auch diesmal ein unheilvolles. Hercigonja kehrte mit dem in Belgrad verkündeten Dogma zurück, daß die südslawischen Länder Österreich-Ungarns von der Monarchie abgetrennt und mit dem Königreiche vereinigt werden müßten. Dazu hatte er in dem Kreise, in dem er dort verkehrte, die Lehre eingesogen, daß dieses Ziel durch die Ausführung von Attentaten auf hochstehende Persönlichkeiten und führende Politiker der Monarchie anzustreben sei, da es nur durch diese Mittel verwirklicht werden könne. In diesem Sinne wirkte dann Hercigonja in Agram auf seine Freunde ein, deren einige er für seine Ideen gewann. Im Vordergrunde seiner Pläne stand die Verübung eines Anschlages auf den Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand. Wenige Monate vorher waren gegen Luka Aljinović Erhebungen wegen hochverräterischer Propaganda geführt worden. Im Zuge dieses Verfahrens hatten drei Zeugen ausgesagt, Aljinović habe vor ihnen erklärt, er hätte im Jahre 1913 in Belgrad zu Propagandazwecken, speziell aber zur Ausführung eines Attentates auf den Herrn Erzherzog Franz Ferdinand von der »Narodna odbrana« 100 Dinar und die gleiche Summe von einer geheimen Studentenvereinigung bekommen. Man sieht, wie sich die verbrecherische Agitation der »Narodna odbrana« und der ihr Gleichgesinnten in letzter Zeit auf die Person des Herrn Erzherzog-Thronfolgers konzentrierte. Aus allen diesen Feststellungen gelangt man zu dem Schlusse, daß die »Narodna odbrana« mit den um sie gruppierten monarchiefeindlichen Kreisen Serbiens seit kurzem den Zeitpunkt für gekommen erachtete, die von ihr verbreiteten Lehren durch Taten verwirklichen zu lassen. Beachtenswert ist aber, daß sie sich hiebei damit begnügte, für diese Taten die Anregungen zu geben und dort, wo diese Anregungen auf fruchtbaren Boden gefallen waren, die materiellen Hilfsmittel zu deren Verwirklichung beizustellen, daß sie aber die einzige gefährliche Rolle bei dieser Propaganda der Tat ausschließlich der von ihr verhetzten und verführten Jugend der Monarchie zuschob, die ganz allein die Lasten dieses traurigen »Heldentums« zu tragen hat. Alle Züge dieser Mache finden sich in der Entstehungsgeschichte des tiefbetrübenden Attentates vom 28. Juni wieder. (Beilage 8.) Princip und Grabež tragen den Typus der schon in der Schule von den Gedanken der »Narodna odbrana« vergifteten Jugend. In Belgrad, im Kreise einer von diesen Ideen erfüllten Studentenschar verkehrend, trug sich Princip mit Attentatsplänen gegen den Herrn Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand, gegen den sich damals aus Anlaß seiner Reise nach den annektierten Ländern der Haß der monarchiefeindlichen Elemente Serbiens besonders akzentuiert hatte. Ihm gesellte sich der im selben Kreis verkehrende Čabrinović bei, dessen wechselnde radikal-revolutionäre Ansichten, nach seinem eigenen Geständnisse unter dem Einflusse seiner Belgrader Umgebung und der Lektüre der serbischen Blätter in die gleiche monarchiefeindliche und zur Propaganda der Tat neigende Richtung gedrängt wurden. Dank seiner bereits vorhandenen Dispositionen erlag Grabež diesem Milieu, in das er erst später trat, sehr rasch. Soweit aber dieses Komplott auch gediehen und so fest der Entschluß der Verschwörer auch gewesen sein mag, zur Ausführung des Attentates zu schreiten, so wäre es doch nie zu dessen Verübung gekommen, wenn sich nicht, gleichwie im Falle Jukić, Leute gefunden hätten, die den Komplizen die Mittel zur Verübung des Anschlages zur Verfügung gestellt hätten. Denn es fehlte ihnen, wie Princip und Čabrinović ausdrücklich bestätigen, an den nötigen Waffen, ebenso aber auch an Geld zu deren Anschaffung. Interessant ist es nun zu sehen, wo sich die Komplizen ihre Werkzeuge zu verschaffen suchten. Milan Pribičević und Živojin Dačić, diese beiden führenden Männer der »Narodna odbrana«, waren die ersten, an die sie als sichere Helfer in ihrer Not dachten, offenbar deshalb, weil es im Kreise der Attentatslustigen bereits zur Tradition geworden ist, die Mordwerkzeuge von diesen Repräsentanten der »Narodna odbranan« zu beziehen. Der zufällige Umstand, daß diese beiden Männer zur kritischen Zeit nicht in Belgrad weilten, vereitelte allerdings diesen Plan, doch waren Princip und Čabrinović deshalb nicht verlegen, eine andere Unterstützungsquelle zu finden, jenen Milan Ciganović, einen gewesenen Komitatschi, jetzt Beamten der serbischen Eisenbahndirektion in Belgrad, gleichfalls ein aktives Mitglied der »Narodna odbrana«, welcher in deren Geschichte zuerst im Jahre 1909 als Zögling der Bandenschule in Čuprija (Beilage 5) auftaucht. In ihrer Erwartung hatten sich denn auch Princip und Čabrinović nicht getäuscht, denn bei Ciganović fanden sie sofort die erbetene Unterstützung. Dieser und durch dessen Vermittlung sein Freund, der schon mehrmals genannte königlich serbische Major Voja Tankosić, ebenfalls einer der Führer der »Narodna odbrana«, der im Jahre 1908 Leiter der Bandenschule in Čuprija gewesen war (Beilage 5), traten nun als geistige Leiter und entscheidende Förderer an die Spitze des Komplottes, das sie mit einer abstoßenden, für die moralischen Qualitäten der ganzen monarchiefeindlichen Bewegung bezeichnenden Selbstverständlichkeit billigten. Nur ein leises Bedenken hatten sie zuerst ob die drei Verschwörer auch fest entschlossen wären, die Tat zu wagen, ein Bedenken, das unter ihrer suggestiven Mithilfe allerdings bald schwand. Dann aber waren sie zu jeder Hilfe bereit. Tankosić stellte 4 Brownings mit Munition und Reisegeld zur Verfügung; 6 Handgranaten aus serbischen Armeebeständen bildeten die Vervollständigung der Ausrüstung, eine Bewaffnung, die nach ihrer Zusammenstellung und Herkunft Reminiszenzen an den Fall Jukić wachruft. Um den Erfolg der Aktion besorgt, verfügte Tankosić die Unterweisung der Verschwörer im Schießen, eine Aufgabe, der sich Ciganović mit dem bekannten Erfolg unterzog. Eine spezielle, nicht erbetene Fürsorge entwickelten aber Tankosić und Ciganović zur Geheimhaltung des Komplottes: sie stellten Zyankali mit der Weisung bei, daß sich die Täter nach vollbrachtem Anschlage damit entleiben, ein Akt der Fürsorge, der in erster Linie ihnen zu gute kommen mußte, da die Wahrung des Geheimnisses sie auch noch den geringen Gefahren entrückte, die sie bei dieser Unternehmung auf sich nehmen mußten. Der sichere Tod für die Opfer ihrer Verführung, die volle Sicherheit für sich, das ist die bereits bekannte Devise der »Narodna odbrana«. Um die Ausführung des Attentatsplanes zu ermöglichen, mußten die Bomben und Waffen unbemerkt nach Bosnien eingeschmuggelt werden. Auch hier tritt Ciganović helfend auf, er schreibt den Verschwörern eine genaue Reiseroute vor und sichert ihnen für ihr Einschleichen nach Bosnien die Unterstützung der serbischen Grenzbehörden. Die Art, wie dieser selbst von Princip als »mysteriös« bezeichnete Transport organisiert war und durchgeführt wurde, läßt keinen Zweifel darüber offen, daß dies ein wohl vorbereiteter und für die geheimnisvollen Zwecke der »Narodna odbrana« schon oft begangener Schleichweg war. Mit einer Selbstverständlichkeit und Sicherheit, die nur der Gewohnheit entspringen können, stellten die Grenzhauptleute in Šabak und Ložnica ihren Verwaltungsapparat für diesen Zweck zur Verfügung. Ohne Störungen vollzog sich dieser geheimnisvolle Transport mit seinem komplizierten System von stets wechselnden Führern, die, wie durch Zauberkraft herbeigerufen, immer zur Stelle waren, wenn man sie brauchte. Ohne nach dem Zwecke dieser merkwürdigen Reise einiger unreifer Studenten zu fragen, ließen die serbischen Behörden, auf die Weisung des ehemaligen Komitatschis und untergeordneten Bahnbeamten Ciganović hin, diesen glatt funktionierenden Apparat spielen. Sie brauchten übrigens nicht zu fragen, denn nach den erhaltenen Weisungen war ihnen wohl klar, daß hier wieder eine »Mission«  der »Narodna odbrana« zu erfüllen war. Der Anblick des Arsenals von Bomben und Revolvern entlockte denn auch dem Finanzwachmanne Grbić nur ein wohlwollend zustimmendes Lächeln, wohl ein ausreichender Beweis dafür, wie sehr man auf dieser »Straße« an den Anblick derartiger Konterbande gewöhnt war. Schwere Schuld hat die königlich serbische Regierung auf sich geladen, als sie all dies geschehen ließ. Zur Pflege freundnachbarlicher Beziehungen zu Österreich-Ungarn verpflichtet, hat sie ihrer Presse gestattet, den Haß gegen die Monarchie zu verbreiten; hat sie es zugelassen, daß auf ihrem Boden etablierte Vereinigungen unter Führung höherer Offiziere, Staatsbeamter, Lehrer und Richter öffentlich eine Kampagne gegen die Monarchie führen, die auf die Revölutionierung ihrer Bürger abzielt; hat sie es nicht verhindert, daß an der Leitung ihrer Militär- und Zivilverwaltung beteiligte, aller moralischen Hemmungen bare Männer das öffentliche Gewissen derart vergiften, daß ihm in diesen Kampfe der gemeine Meuchelmord als die beste Waffe scheint. Beilage 1

Serbische Preßstimmen a) Die »Politïka« brachte am 18. August 1910 anläßlich des 80. Geburtstages Seiner k. u. k. Apostolischen Majestät ein großes Bild des Bogdan Zerajić, der zwei Monate vorher gegen den Landeschef von Bosnien, Freiherrn von Varešanin, ein Attentat verübt hatte. In dem dazu gehörigen Artikel hieß es: »Vor zwei Monaten, am 2. Juni (a. St.), gerade am Tage der Eröffnung des bosnisch- herzegowinischen Landtages, versuchte ein junger Serbe, der Student Bogdan Zerajić in Sarajevo den Landeschef von Bosnien und der Herzegowina, den General Marian Varešanin zu töten. Fünf Schüsse feuerte Zerajić auf diesen Renegaten, der sich seine Karriere im berühmten Volksaufstande im Rakovica durch Vergießung des Blutes seiner leiblichen Brüder gesichert hatte, durch einen merkwürdigen Zufall gelang es nicht, ihn zu töten. Dann jagte sich der tapfere und selbstbewußte Zerajić die sechste und letzte Kugel in den Kopf und stürzte sofort tot zusammen. In Wien verstanden sie sehr gut, daß Zerajić das Attentat nicht deshalb verübte, weil er russische und revolutionäre Schriften gelesen, sondern daß er dies als edler Sprosse eines Volkes getan hatte, das auf diese blutige Weise gegen die Fremdherrschaft protestieren wollte. Deshalb trachteten sie, diese ganze Sache möglichst schnell zu vertuschen und -- was gegen ihre Gewohnheit ist - eine Affäre zu vermeiden, welche die österreichische Regierung in Bosnien und der Herzegowina noch mehr kompromittiert hätte. In Wien wünschte man, daß jedes Andenken an Zerajić ausgelöscht und seinem Attentate jede Bedeutung abgesprochen werde. Aber gerade diese Furcht, vor dem toten Zerajić und das Verbot, daß sein Name in ganz Bosnien und der Herzegowina erwähnt werde, bewirkten, daß sein Name im Volke wie etwas Heiliges genannt wird, heute am 18. August vielleicht mehr als jemals.

Am heutigen Tage zünden auch wir eine Kerze auf seinem Grabe an und rufen: »Ehre dem Zerajić!« Hieran schloß, sich ein Gedicht, dessen Inhalt in Übersetzung lautet:

»Bosnien lebt, noch ist es nicht tot, � Umsonst habt Ihr seinen Leib begraben; Noch sprüht es Feuer, das gefesselte Opfer, � Noch ist's nicht Zeit, das Grablied zu singen. � Mit Satanshand scharrtet auf Ihr die Grube, � Aber der lebende Tote will nicht in die Gruft; � Kaiser, hörtest Du? im Blitzen des Revolwers � Sausen die bleiernen Kugeln gegen Deinen Thron! � Das sind nicht Sklaven, das ist herrliche Freiheit, � Die aus der kühnen Hand des Unterjochten leuchtet! � Was zittert so dieses schreckliche Golgatha? � Petrus zog das Schwert, Christus zu schirmen. � Seine Hand sank, aber aus dem Blute � Werden tausende tapfere Hände sich erheben; Dieser Schuß war nur der erste Bote Der glorreichen Österreichern nach Golgathas Peinen.«

b) Am 18. Oktober 1910 brachten anläßlich des Jahrestages der Annexion Bosniens und der Herzegowina »Politika« und »Mali Journal«, von denen letzteres mit schwarzem Rande erschien, Artikel, in denen sie sich in heftigen Angriffen gegen Österreich-Ungarn ergingen. Europa müsse sich überzeugen, daß das serbische Volk noch immer an die Revanche denke. Der Tag der Revanche müsse kommen, dafür bürgten die fieberhaften Anstrengungen Serbiens zwecks Organisierung seiner Wehrmacht sowie die Stimmung und der Haß des serbischen Volkes gegen die Nachbarmonarchie.

Aus dem gleichen Anlaß schrieb die »Samouprava« am 9. Oktober 1910: »Schimpfworte und Exzesse sind kein Mittel, um den wahren Patriotismus zum Ausdruck zu bringen. Nur stille und würdige Arbeit führt zum Ziele!«

c) Am 18. April 1911 hieß es in der »Politika«: »Außer einigen Zynikern würde es niemand in Serbien gerne sehen, wenn König Peter nach Wien oder Budapest reisen sollte. Durch die Annexion Bosniens und der Herzegowina ist ein für allemal die Möglichkeit einer Freundschaft zwischen Serbien und Österreich-Ungarn zerstört worden. Das fühlt jeder Serbe.«

d) Die »Beogradske Novine« schreiben am 18. April 1911: »Auch die meisten Regeirungsmänner mißbilligen die geplante Reise des Königs Peter zu Kaiser Franz Joseph. Der Sturm der Entrüstung, der sich wegen des Planes dieser Reise des Königs des ganzen Serbentums bemächtigt hat, ist vollkommen begreiflich.« 

e) Das »Mali Journal« vom 19. April 1911 sagt: »Ein Besuch des Königs Peter beim Herrscher von Österreich-Ungarn wäre eine Beleidigung des ganzen Serbentums. Durch diesen Besuch würde Serbien das Recht auf die Piemontrolle verlieren. Die Interessen Serbiens können sich niemals mit den Interessen Österreichs decken.«

f) Am 23. April 1911 führen »Politika«, »Mali Journal«, »Tribuna«, »Beogradske Novine« und »Vecernje Novosti« zu dem Plane eines Besuches König Peters am Wiener Hofe aus: »Zwischen Serbien und Österreich-Ungarn könne niemals Freundschaft existieren. Der geplante Besuch des Königs Peter sei daher für Serbien eine »schändliche Kapitulation«, eine »Demütigung Serbiens«, eine »feierliche Sanktionierung aller Verbrechen und Missetaten, die Österreich-Ungarn an Serbien und dem serbischen Volke begangen habe«.

g) Am 18. April 1912 schreibt »Trgovinski Glasnik« in einem mit »Der Zerfall in Österreich« überschriebenen Artikel: »In Österreich-Ungarn herrscht ein Zerfall nach allen Seiten. Was jenseits der Donau und Save geschieht, das ist nicht mehr eine deutsche, magyarische, böhmische oder kroatische Krise, das ist eine allgemeine österreichische Krise, eine Krise der Dynastie selbst. Wir Serben können mit Zufriedenheit einer solchen Entwicklung der Dinge in Österreich zusehen.« 

h) In einem »Die Grenzen Albaniens« betitelten Artikel greift der »Balkan« Österreich-Ungarn mit folgenden Ausführungen an: Wenn Europa zu schwach sei, um Österreich Halt zu gebieten, würden Montenegro und Serbien dies tun, indem sie Österreich zurufen: »Halt, weiter geht es nicht! Ein Krieg zwischen Österreich-Ungarn und Serbien ist unausbleiblich. Wir haben das türkische Reich zerstückelt, wir werden auch Österreich zerstückeln. Einen Krieg haben wir beendet, jetzt stehen wir vor einem zweiten.«

i) »Vecernje Novosti« vom 22. April 1913 richten einen Aufruf an das serbische reisende Publikum und an die serbischen Kaufleute, sie mögen die Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft boykottieren. Niemand solle mit den Schiffen dieser österreichischen Gesellschaft fahren oder Waren transportieren lassen. Alle, die dies täten, würden von einem Ausschusse mit Geldbußen bestraft. Die Gelder würden der Komitatschikasse zufließen, welche für die Verwendung im kommenden Kriege mit Österreich bestimmt sei.

k) Die »Tribuna« vom 26. Mai 1913 schreibt aus Anlaß der Besitzergreifung Ada Kalehs durch Österreich-Ungarn: »Das schwarz-gelbe verbrecherische Österreich hat wieder einen räuberischen Trick durchgeführt. Es ist ein Dieb, der, wenn er nicht einen ganzen Sack Geld stehlen kann, sich auch mit einem Dinar begnügt.« 

l) Am 10. Juni 1913, anläßlich der Wiederkehr des Jahrestages des Attentates auf den königlichen Kommissär in Agram durch den Studenten Luka Jukić, brachten die serbischen Blätter Gedenkartikel. Im einem Artikel der »Pravda« heißt es: »Es muß aus tiefster Seele wehe tun, daß nicht jeder so gehandelt hat wie unser Jukić. Wir haben keinen Jukić mehr, aber wir haben den Haß, wir haben den Zorn, wir haben heute zehn Millionen Jukić. Wir sind fest überzeugt, daß Jukić bald durch seine Arrestfenster den letzten Kanonenschuß der Freiheit vernehmen wird.« 

m) »Mali Journal« vom 7. Oktober 1913 bringt an leitender Stelle einen Artikel, in welchem Österreich-Ungarn die Existenzberechtigung abgesprochen wird und die slawischen Nationalitäten aufgefordert werden, den Angriffskampf, den Serbien zu unternehmen gedenke, zu unterstützen.

n) Der »Piemont« vom 8. Oktober 1913 schreibt zu dem Gedächtnistage der Annexion: »Heute sind es fünf Jahre, daß mittels eines kaiserlichen Dekretes die Souveränität des Habsburger Zepters über Bosnien und die Herzegowina ausgebreitet wurde. Den Schmerz, der an diesem Tage dem serbischen Volke zugefügt wurde, wird das serbische Volk noch durch Jahrzehnte fühlen. Beschämt und vernichtet stöhnte das serbische Volk verzweifelt. Das Volk legt das Gelübde ab, Rache zu üben, um durch einen heroischen Schritt zur Freiheit zu gelangen. Dieser Tag hat die bereits eingeschlafene Energie geweckt, und der wiederbelebte Held wird eines Tages die Freiheit suchen. Heute, wo serbische Gräber die alten serbischen Länder zieren, wo die serbische Kavallerie die Schlachtfelder von Mazedonien und Altserbien betreten hat, wendet sich das serbische Volk, nachdem es seine Aufgabe im Süden beendet hat, der entgegengesetzten Seite zu, von wo das Stöhnen und Weinen des serbischen Bruders gehört wird, wo der Galgen haust. Serbische Soldaten, die heute in Dušans Reiche mit jenen Albanesen kämpfen, die gegen uns der Staat aufwiegelte, welcher uns Bosnien und Herzegowina nahm, legten heute das Gelübde ab, daß sie gegen die »zweite Türkei« ebenso vorgehen werden, wie sie mit Gottes Hilfe gegen die Balkan-Türkei vorgegangen sind. Sie legen dieses Gelübde ab und hoffen, daß der Tag der Rache naht. Eine Türkei verschwand. Der gute serbische Gott wird geben, daß auch die »zweite Türkei« verschwindet.«

o) Das »Mali Journals vom 4. November 1913 schreibt: »jedes Streben nach einer Annäherung an Österreich-Ungarn kommt einem Verrate an dem serbische Volke gleich. Serbien muß sich mit den Tatsachen abfinden und immer vor Augen halten, daß es in Österreich-Ungarn seinen gefährlichsten Feind hat, den energisch zu bekämpfen die heilgste Pflicht jeder serbischem Regierung sein muß.«

p) Am 14. Jänner 1914 heißt es in der »Pravda«: »Unsere Neujahrswünsche gelten in erster Linie unseren noch nicht befreiten, unter fremder Knechtschaft seufzenden Brüdern. Die Serben mögen aushalten; nach Kossovo kam Kumanovo, und unser Siegeszug ist noch nicht beendet.« 

q) »Novosti« vom 18. Jänner 1914 brachten ein Bild der Wasserweihe in Bosnien mit folgendem Text: Auch in Orten, die unter fremdem Joche seufzen, bewahren die Serben ihre Sitten, bis sie der Tag der Freiheit in heller Begeisterung finden wird.« 

r) Die »Zastava« gesteht im Jänner 1914: »Serbien eifert die österreichisch-ungarischen Serben zur Revolution an.« 

s) Das »Mali Journal« vom 9. März 1914 schreibt: »Serbien kann das Säbelrasseln Franz Ferdinands anläßlich der Skutari-Affäre nie vergessen.« 

t) Am 4. April 1914 schreibt die »Zastava«: »Die österreichischen Staatsmänner, die nur eine Politik des Hasses, eine Bureaukratenpolitik führen; nicht aber eine weitausblickende Politik, bereiten selbst den Untergang ihres Staates vor.« 

u) Die »Pravda« vom 8. April 1914 sagt: »Österreich hat heute seine Existenzberechtigung verloren.«

v) In den Österreicherrnummern (April 1914) geben alle serbischen Blätter der Hoffnung Ausdruck, daß auch die nichtbefreiten, unterjochten, gedrückten Brüder bald eine frohe Auferstehung feiern werden.

w) In der »Tribuna« vom 23. April 1914 heißt es: »Die Pazifisten haben ein neues Schlagwort erfunden, das vom »Patriotismus Europas«. Diesen Programm kann aber nur dann verwirklicht werden, wenn Österreich aufgeteilt wird.«

x) Das »Mali Journal« vom 12. Mai 1914 schreibt: »Was im Privatleben Verbrechen heißt, nennt man in Österreich Politik. Die Geschichte kennt ein Ungeheuer, und dieses Ungeheuer heißt Österreich.« Beilage 2

Auszug aus dem vom Zentralausschusse des Vereins »Narodna »odbrana« herausgegebenen Vereinsorgane gleichen Namens »Narodna odbrana«, izdanje stredisnog odbora narodne odbrane. Beograd, 1911. (Nova stamparija »Davidovic«, Decanska ulica br. 14, Ljub. Davidovica) In einer kurzen Einleitung wird zunächst bemerkt, daß diese Broschüre »keine vollkommene, erschöpfende Wiedergabe der Gesamtarbeit der ,Narodna odbrana’ bilde, da sie dies aus mehrfachen Gründen weder sein darf noch sein kann«. Diese Schrift ist in drei Abschnitte geteilt, deren erster aus XIV Kapiteln besteht und programmatischer Natur ist, während der zweite Abschnitt einen Bericht über die Vereinstätigkeit enthält und im dritten Beispiele für die Organisation ähnlicher ausländischer Vereine angeführt werden. Im I. Kapitel »Entstehung und Tätigkeit der ersten ,Narodna odbrana’« wird bemerkt, daß dieser Verein anläßlich der in Serbien durch die Annexion Bosniens und der Herzegowina entstandenen Volksbewegung mit folgenden Zielen gegründet wurde: 1. Hebung, Ermutigung und Stärkung des Nationalgefühls. 2. Einschreibung und Sammlung von Freiwilligen. 3. Formierung von Freiwilligeneinheiten und deren Vorbereitung zur bewaffneten Aktion. 4. Sammlung von freiwilligen Beiträgen, Geld und anderen Erfordernissen zur Verwirklichung ihrer Aufgabe. 5. Organisierung, Ausrüstung und Einexerzierung einer besonderen aufständischen Truppe (Komitee), bestimmt zu besonderer und selbständiger Kriegführung. 6. Entwicklung einer Aktion in allen anderen Richtungen der Verteidigung des serbischen Volkes. Anknüpfend hieran wird bemerkt, daß durch die Anerkennung der Annexion seitens der Großmächte dieser ganzen Arbeit des Vereines ein Ende bereitet worden ist, worauf unter Beibehaltung der bestehenden Vereinsverfassung zu einer Reorganisation des Programmes und zu neuer Arbeit geschritten worden sei, damit bei Wiederholung eines ähnlichen Anlasses »die alte rote Kriegsfahne der ,Narodna odbrana’ wieder entfaltet werden könne«. Im II. Kapitel »Die neue heutige ,Narodna odbrana’« wird zunächst ausgeführt: »Man hat zur Zeit der Annexion die Erfahrung gemacht, daß Serbien für den Kampf, den ihm die Verhältnisse auferlegen, nicht vorbereitet ist, und daß dieser Kampf, den Serbien aufzunehmen hat, viel ernster und schwieriger ist, als man dachte; die Annexion war nur einer der Schläge, den die Feinde Serbiens gegen dieses Land geführt hatten, ein Schlag, dem bereits viele andere Schläge vorangegangen sind und dem noch andere folgen werden. Damit ein neuer Überfall Serbien nicht ebenso unvorbereitet trifft, ist es notwendig, sich vorzubereiten, zu arbeiten.« Als Ziel dieser in den breitesten Schichten des Volkes zu leistenden »Arbeit« wird die »Vorbereitung des Volkes zum Kampfe in allen Richtungen der nationalen Arbeit, entsprechend den heutigen Zeiterfordernissen«, bezeichnet und werden als Mittel hiezu »Stärkung des nationalen Bewußtseins, körperliche Übungen, das wirtschaftliche und gesundheitliche Wohlergehen, Hebung der Kultur etc.« hervorgehoben, »insoweit auf diesem Gebiete neben dem Staate der einzelne und die Gesellschaft wirken kann und muß«. Das Kapitel III »Die drei Hauptaufgaben« beginnt mit dem Hinweise darauf, daß die Annexion gelehrt habe, das Nationalbewußtsein in Serbien sei nicht so stark, als es in einem Lande sein sollte, welches als kleiner Teil von 3 Millionen die Hoffnung und Stütze für 7 Millionen des unterjochten serbischen Volkes bilde. Die erste Aufgabe des Vereines bestehe daher in der Stärkung des nationalen Bewußtseins. Die zweite Aufgabe sei die Pflege körperlicher Übungen, die dritte,die Erzielung einer richtigen Wertung dieser sportlichen Betätigung. In dem IV. »Vom Schießwesen« handelnden Kapitel wird der Wert einer guten Ausbildung im Schießen speziell für die serbischen Verhältnisse hervorgehoben, da dort die militärische Ausbildung nur 6 Monate dauere. Diese Ausführungen konkludieren in dem Satze: »Einem neuen Schlage, wie die Annexion einer war, muß ein neues Serbien entgegentreten, worin jeder Serbe vom Kinde bis zum Greise ein Schütze ist.« Kapitel V, welches das »Verhältnis der ,Narodna odbrana’ zur Sokolschaft« behandelt, beginnt mit einem allgemeinen kulturpolitischen Exkurs über die Bedingungen der Kräfte der Staaten. Hiebei wird auf den Niedergang der Türkei verwiesen und anknüpfend hieran gesagt: »Die alten Türken vom Süden her verschwinden nach und nach, und nur noch ein Teil unseres Volkes leidet unter ihrer Herrschaft. Aber neue Türken kommen vom Norden, furchtbarer und gefährlicher als die alten. Kulturell und wirtschaftlich stärker gehen die nördlichen Feinde auf uns los. Sie wollen uns unsere Freiheit, unsere Sprache nehmen, uns zerschmettern. Die Vorzeichen des Kampfes, der da kommt, sind fühlbar. Das serbische Volk steht vor der Frage, sein oder nicht sein.« »Was wollen wir mit den Vorträgen« lautet die Überschrift des VII. Kapitels, dessen wesentlicher Inhalt sich in dem Satze erschöpft: »Die ,Narodna odbrana’ veranstaltete Vorträge, welche mehr oder weniger Agitationsvorträge waren. Es wurde das Programm unserer neuen Arbeit entwickelt. Bei jedem Vortrage wurde von der Annexion gesprochen, von der Arbeit der alten ,Narodna odbrana’ und den Aufgaben der neuen. Die Vorträge werden nie aufhören, Agitationsvorträge zu sein, sie werden sich jedoch immer mehr nach den einzelnen Fächern entwickeln und sich mit allen Fragen unseres gesellschaftlichen und nationalen Lebens befassen.« In den Kapiteln VIII »Tätigkeit der Frau in der ,Narodna odbrana’«, IX »Detail- und Kleinarbeit« und X »Renaissance der Gesellschaft« wird unter Hinweis auf die Aufgaben der ,Narodna odbrana’ die Vorbereitung und Vertiefung der Vereinsarbeit und die Notwendigkeit einer Regenerierung der Individuen, des Volkes und des Staates behandelt. Das Kapitel XI »Neue Obilice Und Singjelice«5 sagt einleitend: »Es ist ein Irrtum, zu behaupten, Kossovo sei gewesen und vorüber. Wir befinden uns mitten im Kossovo. Unser heutiges Kossovo ist die Finsternis und Unkenntnis, in welcher unser Volk lebt. Die anderen Gründe des neuen Kossovo leben an den Grenzen im Norden und Westen: Die Deutschen, Österreicher und Schwabas mit ihrem Vordringen gegen unseren serbischen und slawischen Süden.« Anknüpfend hieran wird unter Hinweis auf die Heldentaten des Obilic und Singjelic auf die Notwendigkeit der Aufopferung im Dienste der Nation hingewiesen und gesagt: »Die nationale Arbeit ist mit Opfern verbunden, namentlich in der Türkei und in Österreich, wo solche Arbeiter von den Behörden verfolgt, in den Kerker und an den Galgen gebracht werden. Auch für diesen Kampf gegen die Finsternis und Unwissenheit sind solche Helden nötig. Die ,Narodna odbrana’ zweifelt nicht, daß im Kampfe mit Gewehr und Kanone gegen die Schwabas und unsere sonstigen Feinde, dem wir entgegengehen, unser Volk eine Reihe von Helden stellen wird. Doch ist die ,Narodna odbrana' damit nicht zufrieden, denn sie betrachtet auch die heutigen sogenannt friedlichen Verhältnisse als Krieg und fordert gleichfalls Helden für diesen heutigen Kampf, den wir in Serbien und jenseits der Grenze führen.« Über die »Verbindung mit den Brüdern und Freunden« handelt das XII. Kapitel, dessen wesentlichster Inhalt sich in folgenden Sätzen zusammendrängt: »Zu den Hauptaufgaben der ,Narodna odbrana’ gehört die Aufrechterhaltung der Verbindung mit unseren nahen und ferneren Brüdern jenseits der Grenze und unseren übrigen Freunden in der Welt. Mit dem Worte ,Volk’ meint die ,Narodna odbrana’ unser ganzes Volk, nicht nur jenes in Serbien. Sie hofft, daß die von ihr in Serbien geleistete Arbeit den Brüdern außerhalb Serbiens ein Ansporn zu lebhafterer Teilnahme an der Arbeit privater Initiative werde, damit der heutige neue Aufschwung für die Schaffung einer kräftigen serbischen ,Narodna odbrana’ in allen serbischen Gebieten unter einem vor sich gehe.« »Zwei wichtige Aufgaben« benennt sich Kapitel XIII, welches ausführt: »Indem wir auf dem Standpunkte stehen, daß durch die Annexion Bosniens und der Herzegowina das Vordringen gegen unsere Länder vom Norden her vollkommen zutage getreten ist, erachtet die ,Narodna odbrana’ und nennt dem Volke Österreich als unseren ersten und größten Feind.« Diese Arbeit (nämlich Österreich dem serbischen Volke als dessen größten Feind zu bezeichnen) betrachtet der Verein nach den folgenden Ausführungen als eine gesunde, notwendige Aufgabe, als seine Grundpflicht. Dann fährt die Broschüre fort: »Wie einst die Türken vom Süden auf uns losgegangen sind, so geht heute Österreich vom Norden her auf uns los. Wenn die ,Narodna odbrana’ die Notwendigkeit des Kampfes mit Österreich predigt, so predigt sie eine heilige Wahrheit unserer nationalen Lage.« Der durch diese Propaganda entstehende Haß gegen Österreich sei allerdings nicht das Ziel, sondern die natürliche Konsequenz der Arbeit, deren Zweck die Selbsterhaltung und Freiheit sei. Wenn hiebei der Haß gegen Österreich aufkeime, so sei es Österreich, welches ihn durch sein Vorgehen säe, welches Vorgehen den »Kampf gegen Österreich bis zu dessen Ausrottung auferlegt«. Nach einem Lobe der modernen Auffasung der nationalen Idee wird bemerkt, daß bei Besprechung der »Befreiung und Vereinigung« zu viel mit Phrasen gearbeitet werde. Dem Volke müsse gesagt werden: »Die Befreiung unserer unterworfenen serbischen Gebiete und deren Vereinigung mit Serbien ist für unseren Herrn, unseren Kaufmann, unseren Bauer notwendig wegen der fundamentalsten Bedürfnisse der Kultur, des Handels, wegen des Brotes und des Raumes. In dieser Erkenntnis wird das Volk mit größerer Opferwilligkeit bei der nationalen Arbeit zugreifen. Unserem Volke muß gesagt werden, daß die Freiheit Bosniens für dasselbe notwendig ist, nicht nur aus Mitleid mit den dortselbst leidenden Brüdern, sondern wegen des Handels und der Verbindung mit dem Meere. Die »beiden Aufgaben« der »Narodna odbrana« werden dann nochmals in folgendem Schlußsatze zusammengefaßt: »Neben der Aufgabe, dem Volke die ihm seitens Österreichs drohende Gefahr zu erklären, hat die ,Narodna odbrana’ noch die wichtige Aufgabe, unter vollständiger Wahrung der heiligen nationalen Erinnerungen dieses neue, gesunde und in seinen Folgen mächtige Erfassen des Nationalismus und der Arbeit zum Zwecke der Befreiung und Vereinigung in das Volk zu tragen.« Das XIV., Schlußkapitel, beginnt mit einem Appell an die Regierung und das Volk Serbiens, sich mit allen Mitteln für den Kampf vorzubereiten, »den die Annexion vorangezeigt hat«. Im folgenden Satze wird hierauf die Tätigkeit der »Narodna odbrana« nochmals rekapituliert: »Indem die ,Narodna odbrana’ zeitgemäß, den veränderten Verhältnissen entsprechend, wirkt, dabei alle zur Zeit der Annexion geknüpften Verbindungen aufrechterhält, ist sie heute dieselbe, die sie zur Zeit der Annexion war. Sie ist auch heute ,odbrana’ (Wehr), sie ist auch heute ,Narodna’ (des Volkes). Sie versammelt auch heute um ihre Fahne die Staatsbürger Serbiens, wie sie sie zur Annexionszeit versammelt hat. Damals rief man nach dem Kriege, heute ruft man nach der Arbeit, damals wurden Meetings, Demonstrationen, freiwillige Komitees, Gewehre und Bomben verlangt, heute wird die stille, fanatische, unermüdliche Arbeit und wieder Arbeit in der Richtung der Aufgaben und Pflichten verlangt, welche wir vorgeführt haben, als vorläufige Vorbereitung für den Kampf mit Gewehr und Kanone, welcher kommen wird.« Über die Organisation der »Narodna odbrana« enthält diese Broschüre und der Jahresbericht dieses Vereines folgende Daten: Ein Zentralausschuß, mit dem Sitze in Belgrad, leitet alle Agenden der »Narodna odbrana«. Diesem sind alle anderen Ausschüsse der »Narodna odbrana« untergeordnet. Der Zentralausschuß teilt sich in vier Sektionen: für kulturelle Arbeit, für körperliche Fortbildung, für die finanzielle Gebarung und für auswärtige Angelegenheiten. Kreisausschüsse mit dem Sitze an den Orten der politischen Kreisbehörden leiten die Vereinsangelegenheiten in den betreffenden Kreisen. Jeder Kreisausschuß teilt sich in je eine Sektion für kulturelle Arbeit (Vorstand ist der im Orte befindliche Obmann einer Filiale der »Kulturliga«), für körperliche Fortbildung (Vorstand ist ein im Orte befindliches Mitglied des Schützen-, Sokol-, Jäger-, Reitervereines) und für finanzielle Gebarung; bei einzelnen Kreisausschüssen besteht auch eine Sektion für auswärtige Angelegenheiten. Bezirksausschüsse mit dem Sitze an den Orten der politischen Bezirksbehörden leiten die Vereinsangelegenheiten in den betreffenden Bezirken. Ortsausschüsse sind die leitenden Organe in den einzelnen Orten. Vertrauensmänner befinden sich in jenen Orten im Innern des Landes, wo die Notwendigkeit, einen Ausschuß zu bilden, nicht besteht. Vereine, »welche mit der Arbeit der Organisation der ,Narodna odbrana’ in engster Verbindung stehen« und von dieser in jeder Hinsicht unterstützt werden, sind: der Schützenbund mit 762 Vereinen, der Sokolbund »Dusan Silni« mit 2500 Mitgliedern, der olympische Klub, der Reiterverein »Knez Mihajlo«, der Jägerbund und die Kulturliga. Alle diese Vereine sind ähnlich organisiert wie die »Narodna odbrana«, benützten auch deren Lokalitäten bzw. Vereinshäuser, deren Bibliotheken etc.; angesehene Mitglieder dieser Vereine sind Sektionsvorstände in den Ausschüssen der »Narodna odbrana«. Beilage 3

Auszug aus dem »Bericht über die Tätigkeit des Sokolvereines ,Dusan Silni’ in Kragujevac in den Jahren 1912 und 1913« (Kragujevac, Druckerei »Buducnost« Tih. Lekic 1914) An der Spitze dieses Berichtes ist die Ansprache abgedruckt, mit welcher der Präsident des Vereines, der königlich serbische Major Kovacevic, die Jahresversammlung im Jänner 1914 begrüßte. »Es ist Euch bekannt«, begann der Präsident, »daß das Sokolwesen, im Kampfe gegen den Germanismus enstanden, eine rein slawische Institution ist, welche das Ziel verfolgt, alle slawischen Brüder zu vereinigen, zu begeistern und durch Kultur und Gewalt für den Kampf gegen den Feind des Slawentums vorzubereiten. Wir Serben als ein Teil der großen Slawengemeinschaft haben die Sokolidee aufgenommen und der gemeinschaftlichen Arbeit für unser und unserer Brüder Wohlergehen und Glück zugestimmt. Auch wir Serben wollen im Geiste des Sokols leben und arbeiten, denn wir wünschen die Müden und Matten zu beleben, die Schwachen und Verkümmerten zu stärken, die Gefangenen und Gefesselten zu befreien. Wir haben dies auch jetzt und in den früheren Kriegen getan. Wir haben einen Teil unserer Brüder von dem Übermute des Feindes im Süden befreit. Wir haben ihnen die Fesseln aufgerissen, sie der Qualen entledigt und ihnen die Freiheit gegeben, damit sie in ihr das Glück, die Gleichheit und Brüderschaft fühlen.« Nach einigen Worten der Lobpreisung dieser »edlen Arbeit«, welche »einen Teil der großen Sokolidee verwirklichte«, fuhr Major Kovacevic fort: »Aber, meine Brüder und Schwestern, unser Feind im Norden ist gefährlicher und herzloser, weil er kulturell und ökonomisch stärker ist. Dieser Feind ist in seinen Gelüsten unersättlich; er hält Millionen unserer Brüder in Sklaverei und Ketten. Er nahm ihnen die Freiheit und das Recht und unterwarf sie alle seinen Diensten. Die Brüder murren, rufen und bitten um je raschere Hilfe. Wir dürfen sie nicht auf Gnade und Ungnade diesem fürchterlichen und gefräßigen Feinde überlassen. Wir müssen ihnen je eher zu Hilfe eilen, weil dies zu tun unsere Pflicht ist. Könnten wir denn schließlich glücklich sein, wenn so viele Brüder in Sklaverei leben, leiden und murren? Brüder und Schwestern! Der Feind ist gefährlich, lüstern und lästig. Seien wir immer auf der Hut! Arbeiten wir mit noch größerer Lust und Aufopferung. Seien wir genau in der heiligen Sokolpflicht, treu und ausharrend. Bereiten wir uns zum Kampfe und für die gerechte Sokolidee vor. Vereinigen und gesellen wir uns zu unzählbaren Sokolschwärmen, und denken wir immer an jene Wahrheit, welche die serbischen Sokolasen auf ihre Fahne geschrieben haben: Daß nur ein gesundes, kräftiges, nationalbewußtes und gut organisiertes Volk geeignet ist, sich zu verteidigen, zu kämpfen und zu siegen.« An diese Ansprache des Präsidenten schließt sich der Bericht des Verwaltungsausschusses an. Nach einer Schilderung der Erfolge der letzten Kriege, welche den Verein während zweier Jahre an einer Betätigung hinderten, heißt es dort: »Es kam der Tag, an dem wir zu unserer Arbeit zurückkehren, weil unser Programm noch nicht erfüllt, weil unsere Aufgabe noch nicht beendet ist. Noch ein großer Teil unseres Volkes erduldet die Leiden des gekreuzigten Christus; wir haben noch unsere Brüder jenseits der Drina zu besuchen; wir haben noch die Stadt Sarajevo und das Vermächtnis des heiligen Sava6 aufzusuchen; wir haben das Heimatland des Marina Novak, des Deli Radivoj und des alten Vujadin zu besichtigen; wir haben das Gebirge Romanija zu überschreiten und zu sehen, warum sich Travnik in Nebel gehüllt hat, es muß einmal jenes Lied aufhören: Aoj, Bosnien, Du Waisenkind vor Gott, hast du nirgends Leute Deines Stammes . . .« Nach einer Besprechung diverser Unternehmungen des Vereines wird betont, daß der Verein zu den »Brüdervereinen jenseits der Save und Drina« Beziehungen unterhielt und speziell die Entsendung von Delegierten zu der in Sarajevo abgehaltenen Jubelfeier der Prosjeta betont. Hierzu bemerkt der Bericht: »Durch Absendung der Repräsentanten zu den Brüdern nach Bosnien beabsichtigte der Ausschuß, denselben hiemit zu sagen: ,Wir haben Euer nicht vergessen, die Flügel des Falken der Sumadija sind noch mächtig’.« Nach eingehender Schilderung eines Besuches der Agramer Studenten in Serbien7 und der Fahnenweihe des »Verbandes der nüchternen Jugend« schließt der Verwaltungsbericht mit folgenden Sätzen: »Diese Erscheinungen - die Ankunft der Brüder Kroaten in der Sumadija und die Zusammenkunft der ,nüchternen Jugend’ aus allen Gegenden des Serbentums - weiß die Verwaltung richtig zu würdigen, und man wird nicht übertreiben, wenn man sagt, daß diese Ereignisse den Anfang und Keim einer großen Tat bedeuten, die sich in der nächsten Zukunft abspielen wird. Sie sind der Ausdruck eines großen, bisher noch stillen Erwachens des nationalen Bewußtseins und der Stärke einer unterdrückten Nation, welcher man nicht erlaubt, daß sie sich emporhebt und einigt. Noch eine Zeitlang, und dieser Keim wird reifen, und wenn die Volksseele noch mehr aufwallt, wird es keine Schranken geben, die sie nicht zerreißen kann, keine Hindernisse, die sie auf ihrem Wege nicht wird niederreißen können. Die Arbeit an der Kräftigung dieser Macht, die Mithilfe und Beschleunigung des Laufes dieser nationalen Entwicklung, die Vorbereitung und die Unterstützung dieser Idee war der Verwaltung stets das Ziel ihrer Handlungen.« Der Bericht des Kassiers führt vorerst alle jene an, die dem Verein ihre Unterstützung liehen. Nebst einer Reihe von Mitgliedern des Kragujevacer Kreisausschusses werden hiebei dankend erwähnt: Der Kreisausschuß der »Narodna odbrana« in Kragujevac, insbesondere dessen Rittersektion, die dem Sokolvereine öfters mit reichlichen Unterstützungen zu Hilfe kam; der Direktor des Gymnasiums in Kragujevac, der den Sokolen »ständig seine väterliche Aufmerksamkeit zeigte«; der Divisionskommandant der Sumadija, der den Verein reichlich unterstützte; der Präsident des Kreisgerichtes in Krugajevac, der Kreisvorstand und der Gemeindevorstand in Krugajevac. Nachdem der Kassier der im Kriege gefallenen Vereinsmitglieder gedacht hat, schließt er seinen Bericht mit folgenden Worten: »Nach dem so glänzenden Siege über einen Teil unseres Feindes hoffte die Vereinsleitung, daß Ihr alle von nun ab noch mehr, fester und lieber Euch der Tätigkeit des Sokoltums widmen werdet, damit Ihr in unserem Falkenhorst Falken erzieht, die im gegebenen Zeitpunkte eines Tages in der Lage sein werden, hoch aufzufliegen und auf ihren mächtigen Schwingen auch allen unseren noch nicht befreiten Brüdern Brüderschaft, Liebe und Freiheit zu bringen.« Der Jahresbericht ist unterfertigt von dem Major M. J. Kovacevic als Präsis, dem Gerichtssekretär D. V. Brzakovic als Sekretär und von 10 Vorstandsmitgliedern, unter denen sich zwei Professoren (Emil Lukic und Milan Jankovic) sowie ein weiterer Offizier (Infanteriemajor Michael Vasic) befinden. Aus diesem Jahresberichte und aus einer von dem Kragujevacer Sokolvereine dem »Srpski Sokol« in Tuzla zur Ausfüllung zugesendeten, gleichfalls vom Major Kovacevic und Gerichtssekretär Brzakovic gezeichneten Tabelle geht hervor, daß die Sokolvereine in Serbien mit einzelnen derartigen Vereinen in der Monarchie in einem bisher nicht bekannt gewesenen Verbande stehen. Beilage 4

Das serbische Amtsblatt im Dienste der »Narodna odbrana«

Dem serbischen Amtsblatte »Srpski novine« vom 28. Juni 1914 (n. St.) lag als Beilage ein Aufruf der »Narodna odbrana« bei, der allen Abonnenten des Blattes zugestellt wurde. In diesem Aufrufe befinden sich die folgenden Stellen: »Brüder und Schwestern! Nur ein Teil des Kossovo wurde gerächt, nur ein Teil des St. Veittages (Vidovdan) gesühnt. Ebenso weit und breit, wie die Gebiete sind, in denen unsere Volkssprache gehört wird - die serbische, kroatische und slowenische - von Kikinda bis Monastir, von Triest bis Carevo-Selo, ebenso weit und breit ist die Bedeutung des St. Veittages und des Kossovo. So viel nationale Serben auf diesem Territorium weinen, so viel Ketten unserer Brüder knirschen, so viel Arbeit ist noch zu leisten, so viel haben wir noch zu opfern. Der St. Veittag konnte früher für uns einen Tag der Trauer bedeuten, aber heute, wo wir schon tief in die neue Geschichte des Volkes geschritten sind, wo hinter uns große und glorreiche nationale Geschehnisse stehen und uns noch größere und glorreichere erwarten, heute, wo wir in der Mitte des Schaffens des großen nationalen Staates stehen, heute muß für uns der St. Veittag ein Tag großer Freude und Stolzes wegen des Geschehenen sein, da es aus ihm entsprossen ist und noch mehr wegen dessen, was kommen wird. Serben und Serbinnen! Millionen unserer Brüder, Slowenen, Kroaten und Serben außerhalb unserer Grenzen schauen heute auf uns, die Kinder des Königreiches, und ihre Brust wölbt die Freude und die Hoffnung, indem sie unsere heutige majestätische Manifestation für die nationale Sache betrachten. Dem Mutigen hilft Gott! Vorwärts alle! Es ruft nun derjenige Teil unserer geheiligten Aufgabe, der noch unverwirklicht geblieben ist. Am St. Veittage 1914 in Belgrad.« Beilage 5

Zeugenaussage des Trifko Krstanovic über die »Narodna odbrana«

Der Bäckergehilfe Trifko Krstanovic in Zavidovici wurde von einer Gendarmeriepatrouille in der Nacht vom 6. zum 7. Juli 1914 verhaftet, weil durch eine kurz nach Verübung des Attentates gegen den Herrn Erzherzog Franz Ferdinand von ihm gemachte Äußerung, dieses Attentat sei zu erwarten gewesen, der Verdacht entstanden war, daß er von dem Komplotte Kenntnis gehabt habe. Er wurde deshalb dem Kreisgerichte in Sarajevo eingeliefert. Bei der Abhörung des Verhafteten ergab sich, daß seine Äußerung den gegen ihn rege gewordenen Verdacht nicht rechtfertigte, da sie, lediglich auf seinen früheren Kenntnissen von der Tätigkeit der »Narodna odbrana« beruhend, bloß der Ausdruck seiner Überzeugung gewesen war, daß bei der in Serbien gegen die österreichisch-ungarische Monarchie und speziell gegen den Herrn Erzherzog Franz Ferdinand entfalteten Agitation eine derartige Tat erwartet werden mußte. Das gegen Krstanovic eingeleitete Verfahren wurde deshalb mangels jeden Tatbestandes eingestellt und der Genannte mit Rücksicht auf seine für die Untersuchung wichtigen Kenntnisse über die Tätigkeit der ,Narodna odbrana' als Zeuge einvernommen. Ein die hier interessierenden Umstände betreffender Auszug aus diesem am 19. Juli 1914 aufgenommenen Zeugenprotokolle folgt hiemit: »Im Herbste des Jahres 1908 überschritt ich auf der Mokra Gora bei Visegrad die Grenze nach Serbien, um mir Beschäftigung zu suchen. Zuerst kam ich nach Bajina Bašta im Bezirke Uzice, und da ich dort keinerlei Beschäftigung fand, ging ich nach Belgrad, wo ich gerade zu der Zeit der Verkündigung der Annexion Bosniens und der Herzegowina einlangte. Da ich sah, daß wegen der Annexion in der Bevölkerung eine große Bewegung und Erregung entstanden war und daß ich keinerlei Beschäftigung werde finden können, ging ich in das k. u. k. Konsulat und ersuchte, mich nach Hause abzufertigen. Dort sagte man mir, daß ich nachmittags kommen möge und daß man mich dann in die Heimat abfertigen werde. Als ich jedoch aus dem Konsulate hinausging, erwischte mich auf der Straße ein Gendarm und fragte mich, woher ich sei; in der Meinung, ich sei ein Spion, führte er mich in eine Karaula. Hier verhörte man mich, und als ich ihnen sagte, daß ich gerne nach Hause möchte, begann mich ein Unteroffizier zu schmähen, wieso ich jetzt aus Serbien wolle, da sie gerade jetzt mehr Leute brauchen, weil es zu einem Kriege mit Österreich kommen könnte. Als ich ihm sagte, daß ich nichts zum Leben habe, antwortete er mir, daß ich volle Versorgung finden werde, wenn ich mich in das Komitee einschreibe. Ich war in jener Not damit einverstanden, und ein Gendarm führte mich in das Gasthaus ,Zelenom Vijencu’ (,zum grünen Kranz’) und stellte mich dort dem Voja Tankosic, dem Führer des Komitees und Kapitän im regulären Heere, vor. Hier beim ,grünen Kranz’ wurde ich in Kost und Wohnung genommen, und wie ich sah, waren hier auch andere vom Komitee wohnhaft. Voja Tankosic sagte mir, daß es der Zweck des Komitees sei, sich zu unterrichten im Bombenwerfen, in der Zerstörung von Brücken, Tunnels, Telegraphen und Eisenbahnen, und zwar deshalb, weil es leicht zu einem Kriege zwischen Serbien und Österreich kommen könnte. Hierauf führte mich ein Mann in ein ärarisches kleineres Haus neben dem Finanzministerium, wo die Kanzleien des Komitees sich befanden, und hier in der Kanzlei traf ich Milan Pribicevic, welcher mich in das Komitee einschrieb. Bei dieser Einschreibung fragte mich Milan Pribicevic, ob mir Voja Tankosic gesagt habe, welche Pflichten ich als Komitadschi habe; worauf ich antwortete: »Ja«. Er sagte mir, daß die Eingeschriebenen tüchtig, stark und opferwillig sein müßten. Damals waren wir etwa 70 eingeschrieben. In Belgrad hatten wir nichts gemacht. Nach etwa 1½ Monaten teilte uns unser Führer Tankosic mit, daß die Großmächte unser Komitee verboten haben und daß wir uns aus Belgrad entfernen und irgendwo in einem verlorenen Orte verstecken müssen, wohin Fremde nicht kommen. Auf diese Weise sandten sie uns in die Stadt Cuprija. Hier übten uns ein die Offiziere Voja Tankosic, Dusan Putnik, Zivko Gvozdic und Mitar Djinovic, der in die montenegrinische Bombenaffäre verwickelt war und in Montenegro erschossen wurde. Es war uns verboten, mit den übrigen Leuten zu verkehren, damit man nichts von unserem Zwecke erfahre und auch nichts davon, wie viele wir wären. Wir übten uns in dem Werfen von Bomben, in dem Errichten von Minen und in der Zerstörung von Telegraphen, Eisenbahnen, Tunnels und Brücken. Alle 14 Tage kamen zu uns Milan Pribicevic, General Bozo Jankovic, der Apotheker Skaric, der Abgeordnete Zivko Rafajlovic, ein gewisser Glisic Milutin, Beamter im Finanzministerium, und diese sahen zu, wie wir übten, und beglichen jedesmal für uns die Kosten der Verpflegung. Unsere Lehrer sagten uns, daß wir Komitees, sobald der Krieg verkündigt sei, vorausgehen werden, hinter uns die Freiwilligen und dann das reguläre Heer. In Cuprija waren wir etwa 140 Mann. Wir bekamen außer Kost, Wohnung und Kleidung je 65 Para täglich für Tabak. Die Schule dauerte beiläufig drei Monate, d. h. bis März 1909. Dann sagten uns die Mitglieder des Ausschusses, daß wir entlassen wären, daß jeder gehen könne, wohin er wolle, denn die Annexion Bosniens und der Herzegowina sei von den Großmächten anerkannt und unser Komitee habe keinen Zweck mehr. Bei der Auflösung des Komitees sagte mir General Bozo Jankovic, daß ich in den Dienst des Bozo Milanovic in Sabac trete und 50 Dinar monatlich Lohn erhalte. Er sagte mir nicht, welcher Dienst das sein werde. Ich nahm an, weil ich mich als Komitadschi gegenüber dem General Jankovic zu folgen verpflichtet fühlte und auch da ich nichts zum Leben hatte und mir ein Brot suchen mußte. So kam ich im März 1909 nach Sabac und meldete mich bei Bozo Milanovic, Kaufmann in Sabac. General Jankovic hatte mir gesagt, daß Bozo Milanovic der Vorstand der ,Narodna odbrana’ in Sabac sei und daß ich bei ihm in dieser »Narodna odbrana« dienen werde. Als ich dem Bozo Milanovic das Schreiben des Generals gab und er es gelesen hatte, sagte er mir, daß ich ihm treu dienen und seine Aufträge ausführen müsse. Der hauptsächlichste Dienst werde für mich sein, Briefe auszutragen, wohin sie eben lauten. Falls ich einen Brief nicht dorthin tragen werde, wohin er gerichtet sei, und falls irgend jemand anderer zu diesem Briefe käme, so sei das mit meinem Leben verbunden. Gleich nächsten Tages gab mir Bozo Milanovic einen geschlossenen Brief, den ich zu Cedo Lukic, Finanzwachtmeister, in Serbisch-Raca, tragen sollte. Am Wege nach Raca, im Orte Bogatic, stellte mich der Bezirkskapetan, nahm mir den Brief ab, öffnete und las ihn. In dem Brief stand, daß Lukic sofort drei Boote kaufen solle, damit sie fertig wären, falls sie gebraucht würden. Dem Briefe waren 100 Dinar beigeschlossen. Bei dieser Gelegenheit sagte mir der Kapetan, daß vom Ministerium der strenge Auftrag gekommen sei, daß die Komatadschi auf eigene Faust nichts tun dürfen, damit nicht eine internationale diplomatische Intervention provoziert werde. Ich kehrte nach Sabac zurück und meldete dem Bozo Milanovic, was mir geschehen war. Bozo Milanovic wendete sich an den Kreispräfekten, und dieser ordnete an, daß mir der Revolver, den mir der Kapetan in Bogatic abgenommen hatte, zurückgestellt werde. Auch ordnete er an, daß der Kapetan den Brief an Cedo Lukic, an welchen er lautete, zu expedieren habe. Derartige Briefe habe ich vom März 1909 bis zum Oktober 1910 ausgetragen, und zwar habe ich während dieser Zeit nach Serbisch-Raća 43 Briefe, nach Loznica 55 Briefe, nach Zvornik 5, nach Ljubivija 2 Briefe getragen und nach Koviljaca weiß ich nicht wie viele. Ich habe mir deswegen gemerkt, wie oft ich in jedem Orte war, weil diese Orte von Sabac sehr weit entfernt sind. Die Briefe habe ich an die Leiter der Zollämter in den betreffenden Orten getragen, und von diesen habe ich wieder Briefe als Antwort erhalten und zu Bozo Milanovic getragen. Ich erinnere mich, daß ich auch einige Male Briefe nach Sepacka Ada getragen habe. Mein Gehilfe im Austragen von Briefen war ein gewisser Vaso Erić, gebürtig aus Srebrenica. Nach Belgrad habe ich Briefe von Bozo Milanovic jede Woche getragen und an Milan Pribičevic und Bozo Jankovic zugestellt. Von dem Inhalte dieser Briefe habe ich nichts gewußt und hat mir auch niemand hierüber etwas gesagt. Soviel ich sehen konnte, waren die Briefe, welche Bozo Milanovic absandte, nicht chiffriert, während die Briefe, welche die Zollamtsleiter sendeten, mit besonderen Zeichen geschrieben waren, was ich beobachtet habe, als sie Bozo Milanavic öffnete. Einmal brachte ich dem Bozo Milanovic ein solches chiffriertes Schreiben, ich glaube aus Zvornik, und dieser sendete mich mit dem Schreiben zu Mika Atanasijevic, Professor in Sabac, damit er es dechiffriere. Dieser vollführte das, wie er das gewöhnlich tat; aber vielleicht vergaß er den Brief zu schließen, so daß ich ihn lesen konnte. In dem Briefe stand, daß von sicherer Seite gemeldet werde, daß Geld mit dem Bildnisse des Thronfolgers zu prägen sei, und daß dies ein Zeichen sei, daß Kaiser Franz Joseph abdizieren werde. Etwa nach acht Monaten meiner Dienstleistung bei Bozo Milanovic gab mir Bozo seine Visitkarte, auf welcher ein Totenkopf aufgezeichnet war, und auf der aufgeschrieben stand, daß ich zum Vertrauten (povjerenik) der »Narodna odbrana« ernannt sei. Bei dieser Gelegenheit sagte er mir, daß es sich um Spionage handle . . . Von dem Offizier Dusan Opterkic, dem Mitgliede der »Narodna odbrana«, erfuhr ich einmal, daß die »Narodna odbrana« in Bosnien und Herzegowina 23 Mitglieder habe. Sonst ist mir aber nicht bekannt, ob und welche Organisation die »Narodna odbrana« in Bosnien hat. Hin und wieder gab mir Milan Pribicevic einen Revolver oder aber Geld zum Ankauf eines Revolvers, damit ich ihn den Finanzern an der Grenze gebe, welche als Komitadschis dienten, da sie keinen Revolver hatten und auch kein Geld, um sich einen solchen selbst zu kaufen. Wie mir scheint, gab ihnen Milan Pribicevic diese zur Ehrung, weil sie eben Komitadschis waren. Eine andere Beschäftigung mit Waffen hatte ich nicht. Einmal bekam ich zur Zeit meiner Dienstleistung von Bozo Milanovic den Auftrag, mit einem Manne zu einem Bauern in Lijesnica an der Drina zu gehen, und dieser Bauer werde uns informieren und alles, was notwendig wird, zeigen, damit wir zwei den Ljubo Stanaricic, serbischen Reserveoffizier, der nach Bijeljina geflüchtet war, töten. Der Ausschuß der »Narodna odbrana« hatte nämlich erfahren, daß Ljubo Stanaricic für den serbischen Staat gefährlich sei und hatte beschlossen, daß er getötet werden solle. Von Bozo Milanovic erhielten ich und jener Mann den Auftrag, an einem bestimmten Orte über die Drina zu gehen und Ljubo Stanaricic, der gerade am Ufer der Drina auf der bosnischen Seite im Bijeljiner Bezirke wohnhaft ist, zu töten. Ich und jener Mann waren in die Drina gestiegen, aber weil das Wasser tief war und wir auch sahen, daß Ljubo mit dem Gewehr auf der Schulter um sein Haus herumgehe, kehrten wir zum Hause jenes Bauern zurück. Weil ich sah, daß wir ihn mit dem Messer nicht töten können, sendete ich jenen Mann nach Sabac, damit er Božo Milanović melde, daß es nicht möglich, den Stanarčić auf diese Weise, wie er wolle, nämlich mit dem Messer, zu töten. Daraufhin erhielt ich von Bozo Milanovic den Auftrag, daß wir ihn auf jeden Fall töten. Dann haben wir uns entschlossen, ihn mit dem Gewehr zu erschießen. Dieser Mann, der mit mir war, hatte nach dem Auftrage des Bozo auf Stanaricic zu schießen und ihn zu töten, und ich hatte zu kontrollieren, ob dieser Auftrag ausgeführt werde. Inzwischen kam jedoch ein berittener Gendarm und brachte vom Kreispräfekten in Sabac den Auftrag, daß wir zurückkehren und von der ursprünglichen Absicht absehen sollen. Und so kehrten wir nach Sabac zurück. Im Oktober 1910 verlangte ich vom Bozo Milanovic, daß er mir den Lohn erhöhe, und als er mir das nicht tun wollte, bedankte ich mich für den Dienst. Aus Šabac ging ich nach Belgrad, wo ich mit dem General Jankovic zusammentraf, der mich verhaften ließ, weil ich den Gehorsam aufgesagt habe. Sie zogen mich durch verschiedene Gefängnisse, etwa zwei Monate, und alles deswegen, weil ich ihnen den Gehorsam aufgesagt hatte und sie sich fürchteten, daß ich ihre Geheimnisse verrate. Zum Schlusse entschieden sich die Behörden, mich nach Bosnien zu expedieren. In Sabac sagte mir ein Gefangener, daß es sich um mein Leben handelt. Die Gendarmen begleiteten mich bis Zvornik, wo sie mich den bosnischen Gendarmen übergaben. So kam ich im Dezember 1910 nach Bosnien. Von irgend einer Schwarzen Hand weiß ich nichts Bestimmtes, mit Ausnahme dessen, was ich von dieser in serbischen Zeitungen gelesen habe. Heute erinnere ich mich nicht daran, was von dieser Schwarzen Hand in Zeitungen geschrieben war. Ebenso weiß ich nichts von der Schwarzen Liste. In Serbien herrschte nach der Annexion ein allgemeiner Unwille und Haß gegen die Person des österreichischen Thronfolgers, denn er war allgemein als ein Blutfeind der Serben angesehen.« Im übrigen berief sich Krstanovic auf seine früheren Angaben, von denen bloß die folgenden zur Ergänzung der vorstehenden Aussage von Interesse sind. Das Komitee, in das Krstanovic durch Milan Pribicevic aufgenommen wurde, gelangte von der »Narodna odbrana« zur Aufstellung. In der Schule in Cuprija befanden sich 20 bis 22 Angehörige aus der Monarchie. Unter den Schülern war auch Milan Ciganovic. In der Schule zu Cuprija wurde gelehrt, daß die Komitees bereit sein müssen, auf Befehl der »Narodna odbrana« nach Bosnien zu gehen und dort nach den von ihren Vorgesetzen erhaltenen Aufträgen zu handeln. Beilage 6

Auszug aus den Akten des Kreisgerichtes in Sarajevo iiber das Strafverfahren gegen Jovo Jaglicic und Genossen wegen Verbrechens der Ausspähung

Im Jahre 1913 wurde eine von Jovo Jaglicic und mehreren Komplicen in Bosnien zugunsten Serbiens betriebene Ausspähungsaktion aufgedeckt. Das hierauf in Sarajevo eingeleitete Strafverfahren lieferte unter anderem auch folgendes, einen Einblick in die Methoden der großserbischen Propaganda und speziell der »Narodna odbrana«  bietendes Material. Jovo Jaglicic gab an, daß er im Monate August oder September 1912 zum ersten Male dem gewesenen Viehrevisor in Foca Petar Klaric, genannt Pešut, begegnete, welcher im Herbst 1912 nach Montenegro geflüchtet und dann Komitadschi geworden war. Bei der ersten Zusammenkunft fragte Klaric den Jaglicic, ob er den Rade Milošević aus Kalinovik kenne, und meinte auf die Antwort des letzteren, daß Milosevic im Spital schwer krank liege: »Schade, wenn er stirbt, wir haben Merkwürdiges gesprochen, hat er Dir nichts davon erwähnt?« Auf die verneinende Antwort erwiderte Klaric: »Ich hätte Dir etwas Wichtiges mitzuteilen, wir sind Serben und müssen etwas Wichtiges für Serbien tun, komme zu mir in meine Kanzlei.« Dort entspann sich nun zwischen ihnen folgendes Gespräch: »Jovan, ich will Dir etwas erzählen, ich kenne Dich noch nicht, ob Du mich verraten wirst? Ich sage es Dir trotzdem, und wenn Du das Herz hast, verrate mich!« Auf die Frage des Jaglicic, um was es sich denn handle, antwortete Klaric: »Bruder, in Serbien existiert ein Verein ,Narodna odbrana’. In diesen Verein sollen viele Leute eintreten; es sind auch schon viele in Bosnien und der Herzegowina sowie in der ganzen Monarchie angeworben; es gibt Leute dabei von Intelligenz und Wohlhabende, das sind große Köpfe, und wenn es die können, warum sollen es nicht auch wir tun, damit wir auch etwas dazu beitragen.« Auf die Frage, welche Ziele dieser Verein verfolgt, antwortete Klaric: »Der Verein verfolgt den Zweck: zum Beispiel Du bist in Kalinovik, Du meldest mir, was es dort Neues gibt, wie viel Militär, Kanonen, Munition, verschiedene Gewehre, wer kommt, wer geht u. dgl. Wir haben eine geheime Schrift ,Chiffre’ und korrespondieren mit derselben. Wenn du treu bist, erhältst Du sie auch.« Jaglicic hatte Furcht, daß Klaric ihn nur ausforsche, um ihn dann zu verraten und ersuchte ihn daher, er solle ihm einige Namen von Mitgliedern nennen, worauf Klaric eine Zeitlang nachdachte und dem Jaglicic dann einen Namen nannte, der diesem Vertrauen einflößte. Hierauf sagte ihm Klaric: »Soll ich Dir den ,Chiffre’ geben?« Jaglicic war damit einverstanden. Klaric, welcher den Chiffre auswendig kannte, schrieb ihn auf einen Zettel auf und übergab ihn dem Jaglicic. Bei einer anderen Gelegenheit erzählte Klaric von seinem Aufenthalt in Banja-Koviljaca (bei Loznica), wo er durch den serbischen Hauptmann Todorovic8 Unterricht im Bombenwerfen erhalten hat, und sagte auf die Frage des Beschuldigten, warum er dies gelernt habe: »Wenn es zu etwas kommt, wie ich Dir bereits gesagt habe, ist es notwendig, daß ich mit Bomben umzugehen verstehe, daß ich Dich einübe und Du dann die anderen, damit Pulvermagazine und sonstige wichtige Objekte in die Luft gesprengt werden, weil wir in diesem Falle Bomben aus Serbien erhalten werden.« Hierauf beschrieb Klaric das Aussehen der Bomben und sagte, daß er bereits Leute angeworben habe, welche im Falle eines Krieges die Telegraphen- und Telephondrähte durchschneiden werden. Bei diesen Zusammenkünften erfuhr Jaglicic von Klaric auch, daß es zu den Aufgaben der Mitglieder der »Narodna odbrana« gehört, österreichisch-ungarische Soldaten zur Fahnenflucht zu verleiten, Freiwillige (Komitadschis) anzuwerben, Banden zu organisieren, Objekte und Depots zu sprengen usw. Auch teilte ihm Klaric mit, daß selbst die chiffrierte Korrespondenz zwischen den serbischen und bosnischen Mitgliedern nicht der Post anvertraut, sondern durch sichere Boten über die Grenze befördert wird. Klaric hat dem Jaglicic weiters erzählt, daß gelegentlich der Prosvjetafeier (im September 1912) mit der zu dieser entsendeten Deputation aus Serbien auch ein serbischer Major in Sarajevo im Hotel »Europe« gewohnt hat9, welchem Klaric Mitglieder der »Narodna odbrana« zuführte, die dieser beeidete. Von einem Spion erfuhr Jaglicic, daß Bomben nach Sarajevo kommen werden oder schon gekommen sind, daß diese das Aussehen von Seifenstücken haben10, und daß man auch diesem Spione 2 bis 3 Stücke senden, oder daß er sich solche abholen werde. Beilage 7

Aus konfidentiellen Meldungen über die »Narodna odbrana«

Die Leitung der »Narodna odbrana« besteht aus Vertretern aller Parteirichtungen, um auch die Fortschrittler und die Gegner der Verschwörer zu gewinnen. Ihr eigentlicher Spiritus rector ist der jetzige Major Pribicevic. Die Sekretärstelle ist immer mit einem beurlaubten Offizier besetzt. Aufgabe der »Narodna odbrana« ist es, in den südslawischen Teilen Österreich-Ungarns eine wirksame Propaganda in Militär- und Zivilkreisen zu entwickeln, um so eine Revolution vorzubereiten, eventuelle Mobilisierungen zu stören, Paniken und Revolten hervorzurufen usw. Die Organisation besitzt in der Monarchie mehrere Vertrauensmänner und Emissäre, die eine stille Propaganda von Mann zu Mann betreiben. Einzelne haben spezielle Missionen, um bei wichtigen Brücken, Knotenpunkten usw. einige Leute - womöglich Eisenbahnbeamte - anzuwerben, welche die Aufgabe haben, im geeigneten Momente etwa erhaltene Weisungen durchzuführen oder durchführen zu lassen. Der Verkehr zwischen den Mitgliedern der »Narodna odbrana« wird möglichst durch persönliche Fühlungnahme bewerkstelligt. Als Mitglieder werden hauptsächlich junge Leute, Arbeiter, Eisenbahner geworben. Beilage 8

Auszug aus den Akten des bosnisch-herzegowinischen Kreisgerichtes in Sarajevo über die dort anhängige Untersuchung gegen Gavrilo Princip und Genossen wegen des am 28. Juni 1914 an Seiner k. u. k. Hoheit dem Herrn Erzherzoge Franz Ferdinand von Österreich-Este und Ihrer Hoheit der Frau Herzogin Sophie von Hohenberg verübten Verbrechens des Meuchelmordes

1. D i e T a t u n d d i e T ä t e r s c h a f t

Gavrilo Princip, Nedeljko Cabrinovic, Trifko Grabez, Vaso Cubrilovic und Cetres Popovic sind geständig, in Gemeinschaft mit dem flüchtigen Mehemed Mehmedbasic ein Komplott zur Ermordung des Herrn Erzherzogs Franz Ferdinand gebildet und mit Bomben, teilweise auch mit Browningpistolen ausgerüstet, Höchstdemselben am 28. Juni 1914 auf seiner Rundfahrt durch Sarajevo zwecks Verübung des geplanten Attentates aufgelauert zu haben. Nedeljko Cabrinovic ist geständig, als erster unter den Verschwörern gegen den Wagen des Herrn Erzherzogs eine Bombe geschleudert zu haben, die ihr Ziel verfehlte, und die beim Explodieren lediglich Insassen des dem erzherzoglichen Automobil folgenden Wagens verletzte. Gavrilo Princip ist geständig, aus seiner Browningpistole zwei Schüsse gegen das erzherzogliche Automobil abgegeben zu haben, durch welche der Herr Erzherzog Franz Ferdinand und die Frau Herzogin Sophie von Hohenberg tödlich verletzt wurden. Beide Täter geben die Mordabsicht bei Verübung der Tat zu. Diese Geständnisse haben durch die gepflogenen Erhebungen ihre volle Bestätigung gefunden und ist festgestellt, daß weiland Herr Erzherzog Franz Ferdinand und weiland Frau Herzogin Sophie von Hohenberg an den Folgen der von Gavrilo Princip auf sie abgegebenen Revolverschüsse gestorben sind. II. E n t s t e h u n g d e s K o m p l o t t s

Die Beschuldigten haben, im wesentlichen übereinstimmend, vor dem Untersuchungsrichter nachstehende Angaben gemacht: Im April 1914 faßte Princip während seines Aufenthaltes in Belgrad, wo er in dortigen Kaffeehäusern mit vielen serbischen Studenten verkehrte, den Plan zur Ausführung eines Attentates auf weiland Herrn Erzherzog Franz Ferdinand. Diese Absicht hat er mit dem ihm bekannten, damals gleichfalls in Belgrad anwesenden Cabrinovic besprochen, der sich damals schon mit dem gleichen Gedanken trug, und der zur Teilnahme an dem Attentate sofort bereit war. Über die Verübung eines Anschlages auf den Herrn Erzherzog wurde in dem Kreise, in dem Princip und Cabririovic verkehrten, oft gesprochen, da der Herr Erzherzog als gefährlicher Feind des serbischen Volkes galt. Die zur Ausführung der Tat nötigen Bomben und Waffen wollten sich Princip und Cabrinovic, da sie selbst die Mittel zu deren Ankauf nicht besaßen, zuerst von dem serbischen Major Milan Pribicevic oder von der »Narodna odbrana« beschaffen. Da aber Major Milan Pribicevic und das maßgebende Mitglied des genannten Vereines, Zivojin Dacic, zu jener Zeit verreist waren, beschlossen sie, zu trachten, die Waffen von dem ihnen bekannten ehemaligen Komitadschi und derzeitigen Staatsbahnbeamten Milan Ciganovic zu erhalten. Nun trat Princip durch Vermittlung eines intimen Bekannten des Ciganovic mit diesem in Verbindung. Ciganovic suchte hierauf den Princip auf, sprach mit ihm über das geplante Attentat, das er vollkommen billigte, und erklärte zunächst, daß er es sich noch überlegen wolle, ob er die Waffen hiezu beistellen solle. Auch Cabrinovic sprach mit Ciganovic, wegen der Waffen. Zu Österreichern zog Princip den gleichfalls in Belgrad anwesenden Trifko Grabez ins Vertrauen, der sich nach seinem Geständnisse gleichfalls zur Mitwirkung an dem Attentate bereit erklärte. In der folgenden Zeit hatte Princip wiederholt Gespräche mit Ciganovic über die Ausführung des Attentates. Inzwischen hatte sich Ciganovic wegen des geplanten Attentates auch mit dem ihm eng befreundeten serbischen Major Voja Tankosic ins Einvernehmen gesetzt, der dann für diese Zwecke die Browningpistole zur Verfügung stellte. Grabez gesteht in Übereinstimmung mit den Angaben des Princip und Cabrinovic zu, am 24. Mai in Begleitung des Ciganovic den Major Tankosic über dessen Wunsch in seiner Wohnung besucht zu haben. Nach der Vorstellung habe Tankosic dem Grabez gesagt: »Bist Du dieser, bis[t] Du entschlossen?« worauf Grabez erwiderte: »Ich bin es.« Als Tankosic dann fragte: »Versteht Ihr aus dem Revolver zu schießen?« und Grabez hierauf verneinend antwortete, sagte Tankosic zu Ciganovic: »Ich werde Dir einen Revolver geben, gehe und unterrichte sie im Schießen.« Hierauf führte Ciganovic den Princip und den Grabez zur Militärschießstätte in Topcider und erteilte ihnen in einem bei der Schießstätte liegenden Walde Unterricht im Schießen mit Browningpistolen auf Ziele. Hiebei erwies sich Prinzip [sic] als der bessere Schütze. Ciganovic hat den Princip, Grabez und Cabrinovic auch mit dem Gebrauche der ihnen später übergebenen Bomben vertraut gemacht. Am 27. Mai 1914 übergab Ciganovic dem Princip, Čabrinovic und Grabez nach deren übereinstimmenden Geständnissen 6 Bomben, 4 Browningrevolver und genügende Mengen Munition sowie eine Glastube mit Zyankali, damit sie sich zwecks Wahrung des Geheimnisses nach verübter Tat vergiften. Überdies gab ihnen Ciganovic Geld. Schon zu Österreichern hatte Princip den Danilo Ilić von seinem Attentatsplane unterrichtet. Bei der Rückkehr nach Sarajevo ersuchte er nun diesen, einige weitere Personen zu werben, die sich an dem Attentate beteiligen, damit es sicher gelinge. Hierauf hat Ilić nach seinem Geständnisse den Vaso Cubrilovic, Cetres Povovic und Mehemed Mehmedbašić hiezu geworben. III. H e r k u n f t d e r B o m b e n

Bei Verübung des Attentates war nur eine der Bomben zur Verwendung gelangt. Die übrigen fünf Bomben wurden später von der Polizei in Sarajevo zustande gebracht. Diese Bomben sind nach dem Gutachten der gerichtlichen Sachverständigen serbische Handgranaten, die fabriksmäßig erzeugt wurden und für militärische Zwecke bestimmt waren. Sie sind identisch mit den 21 Bomben, die im Jahre 1913 in der Save bei Brcka gefunden wurden und die sich zum Teile noch in der Originalpackung befanden, aus der sich mit Sicherheit ergab, daß sie aus dem serbischen Waffenlager in Kragujevac stammten. Damit ist festgestellt, daß auch die bei dem Attentate gegen den Herrn Erzherzog Franz Ferdinand verwendeten Granaten aus den Vorräten des Kragujevacer Armeedepots stammen. Grabez nennt die ihm und seinen Komplizen übergebenen Granaten ganz spontan »Kragujevacer Bomben«. IV. T r a n s p o r t d e r d r e i A t t e n t ä t e r u n d d e r W a f f e n v o n Se r b i e n n a c h B o s n i e n

Princip gibt hierüber folgendes an: Ciganovic sagte dem Cabrinovic, Grabez und Princip, sie sollten ihren Weg über Sabac und Loznica nach Tuzla nehmen und sich dort an Misko Jovanovic wenden, der die Waffen übernehmen werde. Zunächst sollten sie nach Sabac gehen und sich dort beim Grenzhauptmanne Major Rade Popovic melden, für den er ihnen einen Zettel mitgab, den Princip übernahm. Am 28. Mai verließen die drei Komplicen mit den Waffen Belgrad. In Sabac übergab Princip den Zettel, den er von Ciganovic erhalten hatte, dem Major Popovic, der hierauf alle drei auf das Kommando führte und ihnen einen Passierschein ausstellte, in welchem bestätigt wurde, daß einer von ihnen Finanzwachmann und die beiden anderen dessen Kameraden seien. Der Passierschein enthielt auch den Namen dieses angeblichen Finanzwachmannes, doch habe er den Namen vergessen. Gleichzeitig übergab ihnen Major Popovic ein geschlossenes Schreiben für den Grenzhauptmann in Loznica, der Pravanovic, Prdanovic oder Predojevic hieß. Princip, Cabrinovic und Grabez übernachteten in Sabac und reisten am nächsten Morgen mit der Bahn nach Loznica, und zwar auf Grund des ihnen vom Major Popovic ausgefertigten Passierscheines mit halber Fahrkarte. Mittags kamen sie in Loznica an und übergaben dem dortigen Grenzhauptmanne den Brief des Majors Popovic, in dem es hieß: »Schau, daß Du diese Leute empfängst und sie durchführst, wo Du weißt.« Der Grenzhauptmann sagte, er werde seine Finanzwachleute von der Grenze rufen und die drei dem sichersten Manne anvertrauen. Darauf telephonierte er und bestellte die drei Komplicen für den nächsten Morgen, 7 Uhr, in seine Kanzlei. Am anderen Morgen vereinbarten die drei Verschwörer, daß Cabrinovic mit dem Passe des Grabez offen den Weg nach Zvornik nehme, Princip und Grabez aber die Grenze heimlich überschreiten. Dieser Plan wurde mit dem Grenzhauptmannne besprochen und hiebei beschlossen, daß ein Finanzwachmann aus Ljesnica, namens Grbic, den Princip und Grabez in seine Karaula mitnehmen und über die Grenze bringen solle. Cabrinovic ging dann zu Fuß nach Banja Koviljaca in der Richtung gegen Zvornik. Princip und Grabez fuhren mit dem Finanzwachmanne Grbic nach Ljesnica, wo sie die Bomben und den Revolver in einem Hotelzimmer ablegten. Hiebei sah der Finanzwachmann Grbic diese Objekte. Princip selbst bezeichnete diese Reise als mystisch. Grabez sagte im wesentlichen konform mit Princip aus und fügte ergänzend bei, Grbic habe gelacht, als er die Bomben und die. Revolver sah, und lediglich gefragt, wohin in Bosnien sie mit diesen Bomben gingen. Der Finanzwachmann habe sich jedenfalls gedacht, das Grabez und Princip eine Mission hätten. Grbic und ein zweiter Finanzwachmann haben den Princip und Grabez auf einem Kahne zu einer Insel in der Drina gebracht. Dort wies sie Grbic an, auf einen Bauer zu warten, der sie abholen werde. Sie übernachteten auf der Insel in einem Bauernhäuschen,wohin Grbic sie gewiesen hatte. Am nächsten Tage kam ein Bauer, der sie während der Nacht zuerst durch einen Sumpf und dann über das Gebirge bis in die Nähe von Priboj brachte, wo er sie wieder dem dortigen Lehrer Cubrilovic, der bereits auf sie gewartet zu haben schien, zur Weiterbeförderung übergab. Dieser brachte sie dann weiter nach Tuzla zu Misko Jovanovic. Cabrinovic sagte über die Vorgänge der Reise bis zu dem Momente, in dem er sich von Princip und Grabez trennte, im wesentlichen übereinstimmend mit diesen aus und fügte nur ergänzend bei, daß Major Popovic ihnen erzählt habe, er sei erst am Tage vor ihrer Ankunft in Sabac aus Belgrad gekommen. In Loznica beschlossen Cabrinovic, Prinzip und Grabez sich zu trennen, da es zu gefährlich wäre, wenn sie zu dritt gingen. Der Grenzhauptmann in Loznica, dem sie hievon Mitteilung machten, lobte ihren Plan und gab dem Cabrinovic einen Brief für den Lehrer M. Jaklojevic in Mali-Zvornik mit. Cabrinovic übergab hierauf die von ihm getragenen Bomben, Browning und Munition dem Princip und Grabez und ging in Begleitung eines ihm beigegebenen Finanzwachmannes nach Mali-Zvornik. Dort fand er den Lehrer Jaklojevic, dem er den Brief des Grenzhauptmannes von Loznica übergab. Dieser avisierte hierauf den serbischen Grenzposten. Als Cabrinovic später mit dem Lehrer zu diesem Grenzposten kam, wartete dort bereits ein Mann auf sie, der sie mit einem Kahne über die Drina nach Groß-Zvornik in Bosnien brachte. Von dort begab sich dann Cabrinovic nach Tuzla zu Misko Jovanovic. Nachtrag

Knapp vor Abschluß dieses Memoires wird vom Kreisgerichte in Sarajevo ein Zeugenprotokoll vorgelegt, aus dem sich ergibt, daß ein Angehöriger der Monarchie einige Tage vor dem 28. Juni d. J. dem k. u. k. Konsulate in Belgrad die Meldung erstatten wollte, daß er vermute, es bestehe der Plan, auf Erzherzog Franz Ferdinand während seiner Anwesenheit in Bosnien ein Attentat zu verüben. Dieser Mann soll nun durch Belgrader Polizeiorgane, die ihn unmittelbar vor dem Betreten des k. u. k. Konsulates aus nichtigen Gründen verhafteten, an der Erstattung dieser Meldung verhindert worden sein. Aus den in dem fraglichen Zeugenprotokolle enthaltenen Angaben würde folgen, daß die betreffenden Polizeiorgane von dem geplanten Attentate Kenntnis gehabt und diesen Mann nur verhaftet hätten, um ihn an der Erstattung der Anzeige zu hindern. Da diese Angaben noch nicht nachgeprüft sind, kann über deren Stichhaltigkeit im gegenwärtigen Zeitpunkte noch kein Urteil abgegeben werden. Mit Rücksicht auf die hierüber schwebenden Erhebungen entziehen sich die näheren Details der Zeugenaussage derzeit einer genaueren Wiedergabe. Beilage 9

Die serbische Presse über das Attentat

a) Das Belgrader Blatt »Balkan« schreibt am 29. Juni über die beiden Attentäter:

Nedeljko Cabrinovic, von Beruf Typograph, war von anarchistischen Ideen erfüllt und als unruhiger Geist bekannt. Er weilte bis vor 20 Tagen in Belgrad, wohin er nach dem Kriege kam und in der Staatsdruckerei beschäftigt war. Vor seiner Abreise erklärte er, daß er sich nach Triest begebe, wo er in einer neuen Druckerei Arbeit bekommen werde. Gavrilo Princip weilte gleichfalls bis vor kurzem in Belgrad. Während des Krieges hat er sich als Freiwilliger gemeldet, wurde jedoch nicht angenommen, weshalb er Belgrad verließ. Er kehrte aber zu Weihnachten des vorigen Jahres wieder nach Belgrad zurück, besuchte eine Zeitlang das Gymnasium und verließ Belgrad fast zu gleicher Zeit wie Cabrinovic, jedoch auf einem anderen Wege als dieser. Princip war schweigsam, nervös, lernte gut, verkehrte mit einigen gleichfalls aus Bosnien und der Herzegowina stammenden Mittelschülern und in der letzten Zeit auch mit Cabrinovic. Er neigte sozialistischen Ideen zu, obwohl er ursprünglich der fortschrittlichen Jugend angehört hat. Princip ist ebenso wie Cabrinovic in Sarajevo aufgewachsen; beide verband seit ihrer Kindheit eine unzertrennliche Freundschaft.

b) Der »Piemont« vom I. Juli verweist darauf, daß nach dem lauten Proteste des Attentäters Zerajic der Protest Princips gefolgt sei. Das Werk des letzteren finde gleichfalls seine Aufklärung im bosnischen Regierungssystem. Der Umstand, daß Princip, den Racheakt am heiligen Nationaltag Vidovdan verübte, welcher für die Vornahme der Manöver gewählt worden war, lasse die Verzweiflungstat des jungen Märtyrers verständlicher und natürlicher erscheinen.

(Das Blatt wurde wegen dieses Artikels von der Polizei konfisziert, die Konfiskation jedoch tags darauf von der ersten Instanz des Belgrader Gerichtes annulliert.)

c) Der jungradikale »Odjek« vom 3. Juli sagt: Man habe den Herrn Erzherzog Franz Ferdinand am Tage des nationalen Enthusiasmus nach Sarajevo gesendet, um eine brutale Manifestation der Gewalt und Unterwerfung zu feiern. Dieser brutale Akt mußte brutale Gefühle des Widerstandes, des Hasses und der Rache herausfordern.

d) Das nationalistische Parteiorgan » Srpska Zastava« vom 3. Juli sagt in einem Artikel, betitelt »Verdächtigungen und Drohungen«: »Das Attentat stellt sich immer mehr als ein Erzeugnis der ungesunden Verhältnisse in der Monarchie dar. Anderseits ruft die wilde Verfolgung des serbischen Volkes in Bosnien und der Herzegowina den Abscheu der ganzen zivilisierten Welt hervor.«

e) Das fortschrittliche Blatt »Pravda« vom 3. Juli schreibt:. »Die Wiener Politik ist zynisch. Sie beutet den Tod des unglücklichen Paares für ihre abscheulichen Ziele gegen das serbische Volk aus.«

f) Die »Agence des Balkans« vom 3. Juli meldet: »Die in Bosnien und der Herzegowina gegen die Serben verübten Verbrechen sind unter den Auspizien und auf direkte Anstiftung der österreichisch-ungarischen Zivil- und Militärbehörden begangen worden.«

g) Die »Pravda« vom 4. Juli sagt: »Alle bisher in Österreich begangenen Morde und Attentate haben stets eine und dieselbe Quelle gehabt. Die unterdrückten Völker der Monarchie mußten zu dieser Art des Protestes greifen, weil ihnen kein anderer Weg möglich war. In einem Chaos der Schreckensherrschaft ist es natürlich und vollkommen begreiflich, daß sich die Ära der Attentate eingebürgert hat.«

h) Der »Balkan« vom 5. Juli bemerkt, daß Österreich-Ungarn »wegen Verfolgung Unschuldiger unter internationale Kontrolle gestellt werden müßte«; denn Österreich-Ungarn sei weniger konsolidiert als die Türkei.

i) Das »Mali Journal« vom 7. Juli schreibt: »Ein Sprößling des Mittelalters wurde dieser Tage in Sarajevo ermordet. Ermordet hat ihn ein Knabe, der das Leid um sein geknechtetes engeres Vaterland bis zum Paroxismus fühlte, das Leid, das ihm die Räuber der Länder seiner Väter angetan haben. Was hat daraufhin das offizielle Österreich-Ungarn getan? Es hat mit allgemeinen Massakrierungen, Plünderungen und Zerstörungen des serbischen Lebens und Eigentums geantwortet. Durch solches Heldentum zeichnen sich nur die Nichtsnutzigen aus. Die Feigen sind immer große Helden, wenn sie sicher sind, daß ihnen nichts geschehen wird. Man vergleiche nur Princip und Cabrinovic mit diesen Helden, und man wird gleich den großen Unterschied merken. Zivilisation und Gerechtigkeit sind in Österreich-Ungarn eine große Lüge.«

j) Die »Tribuna« vom 7. Juli sagt: »Wir sind der Ansicht, daß die Mordtat von Sarajevo bestellt wurde, um die Ausrottung der Serben mit einem Schlag durchzuführen.«

k) Der »Piemont« vom 8. Juli meldet aus Bajina Baska, daß die österreichischen Behörden in Bosnien ein Christenmassaker vorbereiten.

l) Der »Balkan« vom 8. veröffentlicht einen Bericht aus Bosnien unter dem Titel »Bartholomäusnacht in Sarajevo« und tritt für einen allgemeinen Boykott gegen alle in Serbien lebenden Österreicher ein.

m) Das »Mali Journal« vom 8. fordert zum Boykott gegen die Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft auf.

n) Unter dem Titel »Nichts aus Österreich-Ungarn!« schreibt die »Tribuna« vom 8., es sei am besten, aus Österreich-Ungarn nichts zu beziehen, auch die österreichischen und ungarischen Bäder nicht zu besuchen und keine Ärzte aus Österreich-Ungarn zu berufen. Die Privatinitiative könne in der angedeuteten Richtung viel ausrichten. Der Staat und die Behörden haben sich darein nicht einzumischen. Es sei genügend, an die Bürger zu appellieren.

o) Die »Stampa« vom 8. behauptet, daß die Sarajevoer Polizei die verhafteten Attentäter der unmenschlichsten und schamlosesten Tortur aussetze, um von ihnen unwahre Geständnisse zu erpressen, auf Grund welcher dann Anklagen gegen das serbische Volk erhoben werden sollen.

p) Die »Agence des Balkans« vom 9. meldet aus Belgrad: »Absolut sichere Privatmeldungen kündigen an, daß in Bosnien und der Herzegowina ein allgemeines Massaker der Serben unmittelbar bevorstehe.«

q) Anknüpfend an die Äußerung des Premierministers Asquith bei der Mitteilung der Nachricht vom Tode des Herrn Erzherzogs Franz Ferdinand, daß er für das Schicksal der Menschheit besorgt sei, veröffentlicht der »Balkan« am 9. Juli einen historischen Überblick über die Ereignisse der letzten 40 Jahre, aus dem er ableitet, daß das serbische Volk in diesem Zeitraume den furchtbaren Qualen der jesuitischen Politik Österreich-Ungarns ausgesetzt war. Schließlich mußte Herr Erzherzog Franz Ferdinand, wie alle Söhne Loyolas, welche nur im Blute der Menschen arbeiten und dem Prinzipe »der Zweck heiligt die Mittel« huldigen, vom Schicksal ereilt und ein Opfer des Jesuitismus werden, wie es auch das ganze Österreich-Ungarn werden wird. Durch den Untergang Österreich-Ungarns aber soll der Menschheit Ruhe und Frieden gegeben werden. Wenn man alle diese Wahrheiten resumiert, dann kommt man zum Schlusse, daß Asquith ruhigen Gemüts die Todesnachricht hätte mit den Worten begleiten können: »Ich bin für das Schicksal der Menschheit nicht mehr besorgt!«

r) Die »Politika« vom 9. Juli führt im Leitartikel unter der Überschrift »Unverschämte Lügen« aus: »Die Art und Weise, wie die Untersuchung über das Sarajevoer Attentat geführt wird, läßt offen erkennen, welche Ziele Österreich dabei verfolgt. Da die Attentäter ungeachtet aller Torturen, denen sie ausgesetzt sind, nicht das sagen wollen, was man von ihnen verlangt, wurden andere Individuen ausfindig gemacht, die sich bereit erklärten, unter gewissen Bedingungen eine gewisse Mitschuld an dem Attentate einzugestehen, zugleich aber alle jene zu beschuldigen, die Österreich unangenehm sind. Diese Methode ist vorläufig gelungen, denn die gedungenen Individuen erzählen alles, was man von ihnen will, und die österreichische Polizei sorgt dafür, daß diese Lügen sofort nach allen Windrichtungen verbreitet werden. Österreich hat ja kein Schamgefühl, und es glaubt, daß sich jemand finden werde, der solchen Lügen Glauben schenkt.«

s) Die »Štampa« vom 9. sagt, es sei noch nicht alles, was sich in Bosnien und der Herzegowina ereignet hat, aufgedeckt und in die Öffentlichkeit gedrungen! Das werde strengstens verheimlicht. Die Wahrheit werde aber dennoch früher oder später an die Oberfläche kommen. Das blutdürstige Österreich will sich eben an serbischem Blute satt trinken und tut es auch. Es verlautet, daß es heute ungefähr 10 000 Verwundete und Tote in Bosnien gebe.

t) Die »Politika« vom 10. Juli richtet maßlose Beleidigungen gegen Mitglieder des allerhöchsten Kaiserhauses.

u) Das Handelsblatt »Trgovinski Glasnik« vom 10. Juli spricht von der Verderbtheit und Skrupellosigkeit der österreichisch-ungarischen Politik, die es jesuitisch, rücksichtslos und unehrenhaft nennt. Sie sei dem serbischen Volke in Österreich-Ungarn eine Mahnung, daß es nicht in einem Kulturstaate lebe, welcher Leben und Eigentum garantiere, sondern, daß es stets bereit und bewaffnet sein müsse, sich vor der Räuberei der Behörden und der Regierung zu verteidigen. Nach den letzten Ereignissen dürfe das serbische Volk nicht mehr wie ein Lamm warten, welches jeden Tag abgeschlachtet werden könnte, sondern wie ein Löwe, der bereit ist zur blutigen Abwehr.

v) In der »Stampa« vom 10. Juli heißt es: Nichts sei ewig und auch Österreich-Ungarn werde nicht ewig in Bosnien und der Herzegowina bleiben. Die Zeit sei nicht fern, wo die Serben, welche die Macht der Türken brachen und die Bulgaren straften, um die Iwan Planina am Trebevic streifen werden.

w) Die »Pravda« vom 10. Juli fordert unter dem Titel »Boykott gegen die Nichtsnutzigen« zum Boykott der österreichischen Firmen in Belgrad sowie der österreichischen Waren auf und sagt, es sei Pflicht der »Narodna odbrana«, die strengste Durchführung des Boykotts zu überwachen.

x) Der » Zvono« vom 16. Juli erklärt Princip als Sohn der Gräfin Lonyay, dem die Aufgabe zu Teil wurde, den Tod des Kronprinzen Rudolf an dessen Mörder, Herrn Erzherzog Franz Ferdinand, zu rächen.

y) Das »Mali journal« vom 19. Juli veröffentlicht einen Bericht, worin es heißt: Princip sei von einem österreichisch-ungarischen Agenten zum Attentat angestiftet worden. In Wien sage man, der wahre Schuldige sei nur in der österreichisch-ungarischen Gesandschaft in Belgrad zu finden.

z) Das führende jungradikale Blatt »Odjek« vom 20. Juli schreibt: »Österreich-Ungarn gibt durch hundert Beweise kund, daß es den Titel des kranken Mannes in Europa erwerben will. Während in Serbien nicht ein einziger österreichischer Bürger belästigt worden ist, wurden in Bosnien und der Herzegowina Dörfer und Städte geplündert. Diese Tatsache ist ein neuer Beweis dafür, um wie viel Serbien kulturell und moralisch höher steht als Österreich-Ungarn.«  Beilage 10

Der Ortsausschuß der »Narodna odbrana« in Nisch über das Attentat gegen den Herrn Erzherzog Franz Ferdinand

Dem k. u. k. Ministerium des Äußern ist von einem verläßlichen Konfidenten, dessen Name gegebenenfalls bekanntgegeben wird, eine vertrauliche Mitteilung zugekommen, wonach der Ortsausschuß der »Narodna odbrana« in Nisch kürzlich eine Sitzung abhielt, in welcher der Vorsitzende dieses Ausschusses, der Direktor der Nischer Strafanstalt Jasa Nenadovic, auf das gegen den Herrn Erzherzog Franz Ferdinand verübte Attentat zu sprechen kam und hiebei folgendes ausführte: Serbien mußte sich diesmal unbedingt eines Mittels wie des Attentats gegen den Erzherzog Franz Ferdinand bedienen, weil eben dieser wegen seines aggressiven und exentrischen [sic] Charakters eine eminente und fatale Gefahr für Serbien und möglicherweise auch für weitere slawische Kreise bedeutete. Er hätte, wäre er am Leben geblieben, in Kürze Serbien zum Kriege herausgefordert oder es angegriffen, in welchem Falle Serbien, das da jetzt materiell so geschwächt und mit seiner Armeeorganisation noch nicht fertig ist, unbedingt verloren gewesen wäre. Nun ist aber durch den Sarajevoer Mord Serbien gerettet und damit einer jener aus dem Wege geräumt, die Serbien gefährlich sind. Serbien wird jetzt einige Jahre lang Ruhe haben, da der neue Thronfolger es sich wohl überlegen wird, in den Spuren seines Vorgängers zu wandeln. Wenn er auch wußte, so führte der Redner weiter aus, daß die Ermordung des Erzherzogs Franz Ferdinand für Österreich-Ungarn ein schwerer Schlag und großer Schmerz sein wird und daß darauf Torturen für unser dort lebendes Volk folgen werden, so hätte er doch nicht gedacht, daß seine Voraussetzungen in solchem Maße eintreffen, und daß die Kroaten sich derart benehmen werden. Hätten ihm doch seine Freunde in Bosnien und der Herzegowina auch versichert, daß die österreichisch-ungarischen Behörden feige sind und in ihrem Auftreten nicht übertreiben dürfen; leider aber hätten sich diese Freunde und durch sie auch wir getäuscht. Wenn es so weiter andauert, so müssen Revolver und Bomben erst recht ihre wahre Rolle spielen. Was immer auch der serbische Gott gibt, auf diese Art darf man es nicht weiter gehen lassen. Die Ausführungen des Redners fanden bei seinen Zuhörern vollste Zustimmung. Beilage 11

Nachträge nach Schluß des Druckes

1. Z u B e i l a g e 8

Der Lehrer Cubrilovic, welcher bei Priboj die Führung des Princip und Grabez übernahm, hat ein volles Geständnis abgelegt, aus dem sich folgende wichtige Daten ergeben. Im Jahr 1911 wurde Cubrilovic aus Anlaß eines Sokolausfluges nach Sabac durch Bozo Fovic, einem Vorstandsmitgliede der »Narodna odbrana«, in die Ziele dieses Vereines eingeweiht und dann zum Kommissär der »Narodna obrana« in Zvornik (Bosnien) bestellt. Über seine Einladung wurde später Misko Jovanovic zum Kommissär der Narodna odbrana« für Tuzla ernannt. Als Mittelsmann beim Verkehre mit der »Narodna odbrana« fungierte ein Bauer, eben derselbe Bauer, der den Princip und Grabez mit der Mitteilung zu Cubrilovic brachte, er führe zwei serbische Studenten mit Waffen zu ihm. Als er dies erfuhr, habe er gewußt, daß dies eine »Botschaft« der »Narodna odbrana« sei. Princip und Grabez haben ihm gesagt, daß sie Bomben und Revolver bei sich haben, um ein Attentat gegen den Herrn Erzherzog Franz Ferdinand auszuführen. 2. M o n a r c h i e f e i n d l i c h e B i l d e r i m B e l g r a d e r K r i e g s m i n i s t e r i u m

In dem Empfangssaale des königlich serbischen Kriegsministeriums befinden sich an der Wand vier allegorische Bilder, von denen drei Darstellungen von serbischen Kriegserfolgen erfolgen sind, während das vierte die Verwirklichung der monarchiefeindlichen Tendenzen Serbiens versinnbildlicht. Über einer Landschaft, teils Gebirge (Bosnien), teils Ebene (Südungarn), geht die »zora«, die Morgenröte der serbischen Hoffnungen auf. Im Vordergrunde steht eine bewaffnete Frauengestalt, auf deren Schild die Namen aller »noch zu befreienden Provinzen«: Bosnien, Herzegowina, Vojvodina, Syrmien, Dalmatien etc. stehen.


2Siehe I, Nr.30.

3Siehe I, Nr.31.

4Geburtstag Seiner k. u. k. Apostolischen Majestät.

5Miloš Obilic (auch Kobilic) schlich sich — nach der serbischen Tradition — nach der Schlacht auf dem Amselfeld in das türkische Lager und ermordete dort Sultan Murat (von Kállay, »Geschichte der Serben«, I. Band). Stephan Singjelic, Knez von Resara, spielte während des serbischen Aufstandes (1807-1810) eine Rolle. 1809 verteidigte Singjelic die Redoute von Tschagar gegen die Türken und soll sich, da er der Übermacht nicht gewachsen war, mit einem Teile der Seinen und mit zahlreichen Türken in die Luft gesprengt haben (von Kállay, »Die Geschichte des serbischen Aufstandes«).

6Der heilige Sava ist Schutzpatron der Serben (gestorben 1236). Ducatus sancti Savae heißt Herzegowina. Vermächtnis des heiligen Sava ist also mit Herzegowina gleichbedeutend.

7Dieser Besuch der Agramer Studenten (April 1912) in Belgrad, Nis, Semendria usw. wurde in Serbien zu einer großen, monarchiefeindlichen Demonstration benützt. Den Ausflüglern wurden militärische Ehren erwiesen, es fanden in der Militärakademie und im Offizierskasino Déjeuners und Bälle statt. In Nis wurde zu Ehren der Besucher sogar eine militärische Parade abgehalten.

8Hauptmann Kosta Todorowic [sic] war damals tatsächlich Grenzkommissionär und Leiter des serbischen Kundschaftsdienstes für die Grenzstrecke Raca-Ljubovija.

9Zu der Prosvjetafeier war der serbische Major Mika Jankovic als serbischer Delegierter erschienen.

10Die bei dem Sarajevoer Attentate gegen Erzherzog Franz Ferdinand verwendeten und die im Jahre 1913 in der Save bei Brcka gefundenen, aus dem königlich serbischen Arsenal in Kragujevac stammenden Bomben können tatsächlich mit Seifenstücken verglichen werden.


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  1. Vgl Österreichisch-ungarisches Rotbuch Nr. 19.
  2. Geburtstag Seiner k. u. k. Apostolischen Majestät.



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