III, 139. Herr von Mérey an Grafen Berchtold, 5. August 1914

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Telegramm Nr. 596


R o m , den 5. August 1914
Aufg. 10 Uhr • / . a. m.
Eingetr. I Uhr • / . p. m.


C h i f f r e   —   S t r e n g g e h e i m


Unsere Haltung gegenüber Italien.

Mit Bezug auf Euer Exzellenz Telegramm vom 3. l. M., Nr. 936 und 939[1].

Die Antwort Marquis’ San Giuliano, welche, wie ich in meinem Telegramm Nr. 579 vom 2.1. M. bemerkte[2], keine Note, sondern ein Brief ist[,] erfordert keine schriftliche Antwort. Auch in den Unterredungen trachtete ich, meinerseits Diskussion über Neutralität und Kompensationen auszuweichen.

Dadurch, daß wir entgegen meinen dringenden Ratschlägen und Warnungen in Erörterung der Kompensationsfrage (und zwar, wie ich gleichfalls vorhergesagt habe, ohne jeglichen Nutzen) eintraten, hat sich unsere Situation gegenüber Italien verschlechtert. Letzteres kann uns zur Fortsetzung der Dikussion [sic] zu zwingen trachten und hiebei, unter Ausschluß anderer Kompensationen, Forderung auf Abtretung des Trentino stellen. Es nimmt offenbar an, daß wir bei Eintritt in die Diskussion auch letztere Eventualität schon im Auge hatten.

Früher oder später dürfte Italien Neutralität verlassen. Hat unsere Gruppe raschen und entscheidenden Erfolg, so wird wohl Italien sich dann derselben zuwenden und vielleicht in seinen Entschädigungsansprüchen schüchterner sein. Gegenteiligenfalls dürfte es aber versucht sein, die moralische Erpressung durch militärische Drohungen oder Maßnahmen gegen uns zu verstärken.

Konkrete Anzeichen dafür habe ich noch keine. Von verschiedenen Seiten, auch aus Kreisen der deutschen Botschaft, kommen mir aber Gerüchte über derartige Absichten Italiens zu.

Es ließe sich denken, daß, die Neutralität nur das Herausschlüpfen aus dem Obligo gegenüber uns und den Übergang zu einer hostilen Haltung bedeuten könnte.

Hiemit würde eventuell der unverhüllte Hinweis auf das Trentino als Kompensation, die (von den Konsulaten gemeldete) militärische Degarnierung vom Genua und Neapel, die Verweigerung der Ausfuhr des von uns angekauften Getreides und Mehles, die Nachricht aus Mailand über Vorgänge in Trient und die Herkunft des Herzogs Avarna (falls es sich um eine Berufung handelt, die das Vorspiel der Abberufung sein könnte) stimmen.

Meiner Ansicht nach sollten wir, solange hiesige Neutralität andauert und auf dem Kriegsschauplatz keine entscheidenden Ereignisse eintreten, Italien kühl beiseite lassen, nicht ins Vertrauen ziehen, bezüglich zukünftiger Beziehung reserviert und mysteriös sein und ihm zu verstehen geben, daß wir es kaum mehr als alliiert betrachten.

Im ersten der beiden übrigen Fälle, wenn sich nämlich nach Erfolgen unserer Gruppe Italien an uns anbiedert, sollten wir uns frostig und hinsichtlich seiner militärischen Kooperation entgegenkommend verhalten.

Tritt die andere Eventualität, nämlich Eine Aktion Italiens gegen uns, ein, so dürften wir wohl gezwungen sein, dieselbe fürs erste (so wie Bulgarien . . . . . . . . . . . .[3] Rumänien) gewähren zu lassen, jedoch ohne Zustimmung oder freiwillige Gebietsabtretungen. Wir müßten uns dann vorbehalten, nach Abschluß der Operationen und nach Maßgabe der Möglichkeit, hoffentlich vereint mit Deutschland, die italienischen Erfolge rückgängig zu machen.




  1. Siehe III, Nr. 117, III, Nr. 118. (Zurück)
  2. Chiffre verstümmelt. (Zurück)
  3. Siehe III, Nr. 108. (Zurück)



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