III, 174. Graf Mensdorff an Grafen Berchtold, 12. August 1914: Difference between revisions

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WWI Archive > Dokumente zum Kriegsausbruch > III, 174. Graf Mensdorff an Grafen Berchtold, 12. August 1914



Bericht Nr. 40/P.


L o n d o n , den 12. August 1914


Seit vorgestern abends sind die diplomatischen Beziehungen zwischen uns und Frankreich abgebrochen, und ich erwartete, daß dies auf unser Verhältnis zur hiesigen Regierung Einfluß haben würde.

Man sagte mir bis jetzt immer, wenn wir von Erhaltung des Friedens zwischen uns sprachen, »you are still at peace with France«, und Grey hatte mir von Anfang an gesagt, falls wir mit Frankreich im Kriegszustande wären, würde es für England wohl schwer sein, nicht dasselbe zu tun.

Jetzt heißt es, soweit ich von Tyrrell höre, daß diese Frage einfach von Erwägungen der Admiralität — »naval considerations«  — entschieden werden würde.

Sir E. Crowe, der zweite Unterstaatssekretär des Auswärtigen Amtes, erklärte Trautmansdorff vor wenigen Tagen, es sei unlogisch und undenkbar, daß die Fiktion des Friedens zwischen der Monarchie und England noch aufrechterhalten bleibe.

Trotzdem bin ich noch hier und Bunsen noch in Wien.

Nach allem was ich höre, ist hier die Ansicht allgemein, daß dies jetzt ein Kampf auf Leben und Tod ist für die Existenz Englands als Großmacht, wie es zu Zeiten der napoleonischen Kriege war, mit welcher Epoche die heutige vielfach verglichen wird.

Die Absicht hier ist, rasch und kräftig dreinzuhauen — mit allen Mitteln, die den Gegner schwächen können — und wenn möglich, den Krieg nicht übermäßig in die Länge zu ziehen.

Wie derselbe je zu Ende gebracht werden soll, bevor alle Staaten ruiniert und erschöpft sind, ist heute nicht abzusehen, wo durch die Beteiligung Englands am Kriege der gegebene Vermittler fehlt.

Sir Edward Grey hat zwar beim Abschiede Fürst Lichnowskys gesagt, daß er jederzeit für eine Vermittlungsaktion zu haben sein würde und hoffe, daß er, wenn der Moment dazu gekommen sein würde, auf seine — Lichnowskys — Unterstützung zählen könne.

Nach dem was mir Marquis Imperiali gestern erzählte, hat ihm Grey aber gesagt, daß — was immer geschehe — die erste Vorbedingung jeder Verhandlung die sei, daß Belgiens Zukunft absolut gesichert und daß es für die furchtbaren Verluste vollauf entschädigt werde, welche es durch den Angriff Deutschlands erlitten hat.

Die Sicherung der Existenz und Neutralität Belgiens ist eben ein Grundprinzip der englischen Politik, basiert auf Geschichte, Gefühl und Staatsnotwendigkeit.

Es war ein verhängnisvoller Fehler, dies aus dem Auge zu lassen und zu glauben, daß man darüber mit einigen Versprechungen hinwegkommen könnte.


(gez.)  A.   M e n s d o r f f



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