III, 181. Immediatvortrag des Grafen Berchtold, 26. August 1914: Difference between revisions

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W i e n ,  den 26. August 1914  </p>
       
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        A l l e r g n ä d i g s t e r  H e r r !</blockquote>
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    Obwohl wir nach dem Dreibundvertrage verpflichtet gewesen wären, Belgien den Krieg zu erklären, sobald das Deutsche Reich sich mit diesem Lande im Kriegszustande befand, haben wir die diplomatischen Beziehungen zu Belgien trotz der unserer Vertretung bereiteten großen Schwierigkeiten nicht abgebrochen, weil dies deutscherseits nicht verlangt wurde und weil wir mit Rücksicht auf die Inanspruchnahme unserer Kräfte in Serbien und Rußland keine Truppen an die deutsche Westgrenze zu senden in der Lage sind.
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    Unterdessen hat die vollständige Kooperation der belgischen Armee mit den französischen und englischen Streitkräften eingesetzt, so daß Belgien nunmehr nicht nur die Neutralität seines Territoriums wahrt, sondern sich unseren Feinden aktiv angeschlossen hat.
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    Überdies sind neue detaillierte Nachrichten über die schweren finanziellen Verluste hier eingelaufen, welche die österreichisch-ungarischen Handelstreibenden in Belgien bei Ausbruch des Krieges infolge der beispiellosen Plünderungen der belgischen Bevölkerung erlitten haben. Die mir zugekommenen Berichte lassen erkennen, daß man belgischerseits die Staatsangehörigen der Monarchie mit der gleichen rohen und unmenschlichen Gewalt behandelt hat wie jene des Deutschen Reiches.
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    Abgesehen von der großen Erbitterung, welche die ungerechtfertigte Vorgangsweise in der ganzen Monarchie hervorgerufen hat, muß auch der Umstand in Betracht gezogen werden, daß es für uns nach Beendigung des europäischen Krieges nicht möglich sein wird, für den unseren Staatsangehörigen erwachsenden Schaden von der belgischen Regierung eine Entschädigung zu verlangen, wenn wir uns mit Belgien nicht im Kriegszustande befunden haben und nicht an den Friedensverhandlungen mit Belgien teilnehmen können.
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    Aus diesem Grunde nehme ich mir die ehrerbietige Freiheit, Euer Majestät zu bitten, Allerhöchstdieselben wollen geruhen, mich zu ermächtigen, die alleruntertänigst angeschlossene telegraphische Weisung an den k. u. k. Gesandten in Brüssel zu senden<ref>Vgl. III, Nr. 182.    (Zurück)</ref>, worin Graf Clary beauftragt wird, der belgischen Regierung mitzuteilen, daß wir mit Rücksicht auf die Anteilnahme Belgiens am Kriege auf Seite unserer Feinde und auf die den österreichischen und ungarischen Staatsangehörigen zugefügte Unbill genötigt seien, die diplomatischen Beziehungen zur belgischen Regierung abzubrechen und uns mit Belgien im Kriegszustande befindlich betrachten.</blockquote>
<center>    In tiefster Ehrfurcht</center>
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    (gez.) B e r c h t o l d    </p>
                 
Ich genehmige diese Anträge.<br>
(gez.) Franz Joseph.
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Revision as of 08:43, 2 April 2009

WWI Archive > Dokumente zum Kriegsausbruch > III, 181. Immediatvortrag des Grafen Berchtold, 26. August 1914



W i e n , den 26. August 1914


A l l e r g n ä d i g s t e r H e r r !


Obwohl wir nach dem Dreibundvertrage verpflichtet gewesen wären, Belgien den Krieg zu erklären, sobald das Deutsche Reich sich mit diesem Lande im Kriegszustande befand, haben wir die diplomatischen Beziehungen zu Belgien trotz der unserer Vertretung bereiteten großen Schwierigkeiten nicht abgebrochen, weil dies deutscherseits nicht verlangt wurde und weil wir mit Rücksicht auf die Inanspruchnahme unserer Kräfte in Serbien und Rußland keine Truppen an die deutsche Westgrenze zu senden in der Lage sind.

Unterdessen hat die vollständige Kooperation der belgischen Armee mit den französischen und englischen Streitkräften eingesetzt, so daß Belgien nunmehr nicht nur die Neutralität seines Territoriums wahrt, sondern sich unseren Feinden aktiv angeschlossen hat.

Überdies sind neue detaillierte Nachrichten über die schweren finanziellen Verluste hier eingelaufen, welche die österreichisch-ungarischen Handelstreibenden in Belgien bei Ausbruch des Krieges infolge der beispiellosen Plünderungen der belgischen Bevölkerung erlitten haben. Die mir zugekommenen Berichte lassen erkennen, daß man belgischerseits die Staatsangehörigen der Monarchie mit der gleichen rohen und unmenschlichen Gewalt behandelt hat wie jene des Deutschen Reiches.

Abgesehen von der großen Erbitterung, welche die ungerechtfertigte Vorgangsweise in der ganzen Monarchie hervorgerufen hat, muß auch der Umstand in Betracht gezogen werden, daß es für uns nach Beendigung des europäischen Krieges nicht möglich sein wird, für den unseren Staatsangehörigen erwachsenden Schaden von der belgischen Regierung eine Entschädigung zu verlangen, wenn wir uns mit Belgien nicht im Kriegszustande befunden haben und nicht an den Friedensverhandlungen mit Belgien teilnehmen können.

Aus diesem Grunde nehme ich mir die ehrerbietige Freiheit, Euer Majestät zu bitten, Allerhöchstdieselben wollen geruhen, mich zu ermächtigen, die alleruntertänigst angeschlossene telegraphische Weisung an den k. u. k. Gesandten in Brüssel zu senden[1], worin Graf Clary beauftragt wird, der belgischen Regierung mitzuteilen, daß wir mit Rücksicht auf die Anteilnahme Belgiens am Kriege auf Seite unserer Feinde und auf die den österreichischen und ungarischen Staatsangehörigen zugefügte Unbill genötigt seien, die diplomatischen Beziehungen zur belgischen Regierung abzubrechen und uns mit Belgien im Kriegszustande befindlich betrachten.


In tiefster Ehrfurcht


(gez.) B e r c h t o l d


Ich genehmige diese Anträge.
(gez.) Franz Joseph.




  1. Vgl. III, Nr. 182. (Zurück)




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