Nr. 117. Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt, 23. Juli 1914

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WWI Document Archive > Official Papers > Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914 — Volume 1 > Nr. 117.


Nr. 117
Der Botschafter in Konstantinopel an das Auswärtige Amt1


Telegramm 362 Konstantinopel, den 22. Juli 19142 3





kann sie nicht !
Blech !




richtig







und Frankreichs




















na also hatten wir
doch richtig
gerochen !














Theoreth. richtig
aber im jetzigen
Augenblick falsch !
Jetzt handelt es sich
um Gewinnung je-
der Büchse, die auf
dem Balkan bereit
ist für Österreich
gegen die Slawen
loszugehen, daher
ist ein Turko-Bulg.
Bündnis mit An-
schluß an Oster-
reich wohl zu ac-
ceptieren ! Das ist
Opportunitätspoli-
tik die muß hier
getrieben werden.














faute de mieux mit-
zunehnem, solange
seite zu fechten
bereit sind


Enver Pascha sagte mir, ich hätte dem Groß-
wesir auseinandergesetzt4, daß die Türkei bis zur
Vollendung ihrer militärischen und administrativen
Reorganisation sich auf keinerlei Bündnis einlassen
dürfe. Theoretisch sei meine Auffassung durchaus
richtig. In der Praxis ergebe sich aber für die
Türkei die Schwierigkeit, daß sie nur dann in Ruhe
und Gründlichkeit im Innern reformieren könne,
wenn sie gegen Angriffe von außen geschützt sei!
Dazu bedürfe sie des Rückhalts an einer der Groß-
mächtegruppen. Eine kleine Minorität im Komitee
sei für ein Bündnis mit Rußland und Frankreich,
weil ein solches der Türkei schon insofern Sicher-
heit gewähre, als die Staaten des Dreibunds im
Mittelmeer die schwächeren seien. Die Majorität
des Komitees, an der Spitze der Großwesir mit
Talaat Bei, Halil und ihm selbst, wünschten da-
gegen nicht Vasallen Rußlands zu werden und seien
überzeugt, daß der Dreibund militärisch stärker sei
als die Entente und bei einem Weltkriege obsiegen
werde. Er könne mithin erklären, daß die jetzige
türkische Regierung den Anschluß an den Dreibund
dringend wünsche und nur, wenn sie von uns zu-
rückgewiesen werde, schweren Herzens sich zu einem
Pakt mit der Tripie-Entente entschließen werde.
Nun sehe das Kabinett sehr wohl ein, daß die
Türkei gegenwärtig den Großmächten gegenüber
nicht bündnisfähig sei. Sie verlange daher auch
nur den Schutz der betreffenden Mächtegruppe für
ein Bündnis, welches sie selbst mit einem kleineren
Staate schheße. Zur Zeit beständen für die Türkei
zwei Möglichkeiten sekundärer Bündnisse : DieAlhanz
mit Griechenland, die zur Tripie-Entente hinüber-
leite, und die Alhanz mit Bulgarien, die zum Drei-
bund führe. Das Kabinett sei daher geneigt, mit
Bulgarien unter der Bedingung abzuschheßen, daß
das Bündnis vom Dreibund, mindestens aber von einer
Dreibundmacht, patronisiert werde. Mit Bulgarien sei
ein Bündnisvertrag mit allen Details bereits früher
vereinbart und nur deshalb nicht unterzeichnet
worden, weil Bulgarien ohne Patronan^ des Drei,
bunds sich nicht dazu habe entschließen können-
Nunmehr sei infolge der österreichisch -serbischen
Spannung die Lage kritisch geworden. Der Groß-
wesir werde mit Veniselos über ein Bündnis ver-
handeln. Eine Ablehnung des griechischen Antrages
werde ihm erleichtert werden, wenn für die Türkei
und Bulgarien die Aussicht bestehe, als Block zu
dem Dreibund in ein ähnliches Verhältnis zu treten
[wie] 6 früher Rumänien zu Österreich. Auf den Aus-
bruch eines Krieges am Balkan könne die Pforte
nicht erst warten. Die gemeinsamen militärischen
Vorbereitungen müßten sofort getrogen werden.
Ich erwiderte Enver, daß er mich von der
Notwendigkeit von Bündnissen für die Türkei nicht
überzeugt habe. Schon die wirtschaftliche Genesung
der Türkei werde durch ein Bündnis in Frage ^e-
bürden Rußland und Frankreich die Akkords
wenn die Türkei dem Dreibund beitrete ?
Schwerer wögen die politischen Bedenken. Als
Dreibundmitghed werde die Türkei mit der offenen
Feindschaft Rußlands rechnen müssen. Die türkische
Ostgrenze werde dann der schwächste Punkt der
strategischen Aufstellung des Dreibunds und der
natürhche Angriffspunkt Rußlands sein. Die Drei-
bundregierungen würden voraussichthch zögern, sich
pflichten zu belasten, für welche die Türkei
noch keine entsprechenden Gegenleistungen
(^niubieten habe. Auch die Türkei und Bulgarien

als Block seien dem Dreibund gegenüber kaum 

bündnisfähig. Etwas anderes wäre es, wenn dem
Block auch noch Rumänien beiträte, wofür aber
zur Zeit wenig Aussicht vorhanden sei.
Enver Pascha hörte aufmerksam zu, betonte aber
immer wieder, daß, wenn der Dreibund das bulgarisch-
türkische Bündnis verhindere, die Triple-Entente-
Freunde im Komitee Oberwasser bekommen würden.
Die augenblickliche kritische Stimmung macht
es wenig wahrscheinlich, daß in Brüssel6 ein Bündnis
geschlossen wird. Die Türkei dürfte zunächst ver-
Bulgarien zu einer Allianz auch ohne
Sanktion durch den Dreibund zu bewegen. Wird
Bulgarien in den österreichisch-serbischen Konflikt
hineingezogen, so ist es beinahe sicher, daß die Türkei
nicht neutral bleiben, sondern versuchen wird, über
West-Thrazien nach Griechenland vorzudringen.7

W a n g e n h e i m

Einverstanden. Wenn es nicht anders geht, und Stambul
absolut Bündnis schließen will »unter Patronanz des
Dreibundes oder einer Macht desselben«, so soll es doch ruhig
versuchen, Rumänien und Bulgarien zusammemzukriegen
und sich Österreich zur Verfügung stellen. Ich habe nichts
dagegen. Das ist immer noch besser, als aus theoreth.
Bedenken die Türkei jur sple Entente drängen.


1 Nach der Entzifferung.
2 Aufgegeben in Konstantinopel 22. Juli 555 nachm., angekommen im Aus-
wärtigen Amt 23. Juli 125 vorm.; Eingangsvermerk: 23. Juli vorm. Am 23. Juli
nachm. von Jagow nach Vornahme einiger Änderungen und mit Auslassung
der Sätze »als die Staaten schwächeren seien« und »Der Groß-
wesir werde mit Veniselos Rumänien zu Österreich« telegra-
phisch ins kaiserliche Hoflager mitgeteilt, dortselbst angekommen 110
nachm., Entzifferung des Hoflagers mit den Randbemerkungen des Kaisers
am 27. Juli in Berlin eingetroffen.
3 Siehe Nr. 71.
4 »ich auseinandergesetzt« von Jagow im Telegramm an den
Kaiser geändert in: »der Groswesir neige der Ansicht zu.« 
5 Hinter »treten« ist in der Entzifferung das Wort »wie« ausgeblieben.
6 Wegen Zusammenkunft des Großwesirs mit Veniselos in Brüssel siehe
Wangenheims Telegramm 352 vom 19. Juli, Nr. 81.
7 Siehe Nr. 141 und 144.