Nr. 130. Der Botschaft in Petersburg an das Auswärtige Amt, 23. Juli 1914
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Telegramm 146 St. Petersburg, den 23. Juli 19142
Die kühle Aufnahme, die Präsident Poincare bei seinem hiesigen Besuche gefunden hat, fällt all- gemein auf. Die große Teilnahmslosigkeit des Publikums ist wohl teilweise auf die Arbeiterstreiks zurückzuführen, die in letzten Tagen große Aus- delinung genommen haben. Über die Hälfte hiesiger Arbeiter haben Arbeit niedergelegt. Eine Anzahl bravo! Zeitungen konnte wegen Buchdruckerstreik während
Besuchs Poincares nicht erscheinen. Dabei ist es zu bedenklichen Ausschreitungen gekommen, bei denen Polizei und Kosaken einschreiten mußten. Heute nacht fand auf Wyborger Seite, wo Arbeitet Barri- kaden errichtet hatten, ernster Zusammenstoß statt, bei welchem es, wie offiziell zugegeben wird, 5 Tote und 8 Verwundete gab.
Es wird, wie ich höre, beabsichtigt, gleich nach Abreise Poincares gegen Arbeiter schärfer vorzugehen.
Außer in Petersburg finden gegenwärtig auch in anderen größeren Städten Rußlands Streiks statt. Sie verdienen als Symptom der in russischen Arbeiter- kreisen herrschenden erbitterten Stimmung ernste Beobachtung, wenn ihnen auch vorläufig größere Tragweite nicht zuzusprechen ist. Im Falle äußerer ja Verxuickhmg kö?inten sie immerhin für Regierung
schwierige Lage schafJen.
Pour t ales
1 Nach der Entzifferung. 2 Aufgcf^eben in Petersburg 2" nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 5» nachm.; Eingangsvermerk: 23. Juli nachm. Am 23. Juli von Jagow telegraphisch dem Kaiser mitgeteilt, aufgenommen in Berlin 23. Juli i !•'* nachm., angekommen im Hoflager 24. Juli 7" vorm.; Entzifferung des Hoflagers vom Kaiser am 24. Juli zurückgegeben, am 27. Juli ins Amt zurückgelangt.