Nr. 2. Bericht des Berliner Lokal-Anzeigers vom 14. Juni über einen Artikel der Birschewija Wjedomosti, 15. Juni 1914

From World War I Document Archive
Revision as of 10:54, 30 April 2015 by Woodz2 (talk | contribs)
Jump to navigation Jump to search

Nr. 2

Bericht des Berliner Lokal -Anzeigers vom 14. Juni über einen Artikel der Birschewija Wjedomosti1

Die Mahnung des Verbündeten

Das ver-

langt eine
klare
bündige Ant-
wort durch

die That!

Telegr. imseres Korrespondenten v. A. Petersburg, 13. Juni

Der schon erwähnte Artikel der Bir- schewija Wjedomosti, der die Überschrift trägt: »Rußland ist fertig, Frankreich muß ebenfalls fertig sein«, und der direkt vom Kriegsminister General Suchomlinow inspiriert ist, erregt allgemeines Auf- sehen. Der Artikel lautet :

»Rußland erlaubt sich nicht, sich in innere Angelegenheiten eines frem- den Staats zu mischen, kann aber während einer Krisis des befreundeten und verbündeten Staats nicht teil- nahmsloser Zuschauer bleiben. Wenn das französische Parlament sich be- rechtigt fühlt, auf innere Angelegen- heiten Rußlands, wie Kriegsbestel- lungen, hinzuweisen, die mit gewis.^en ökonomischen Vorteilen für die Auf- traggeber verbunden sind, so kann Ruß- land nicht gleichgültig gegenüber einer i-ein politischen Frage, nämlich der drei- jährigen Dienstzeit, bleiben, die den Ge- genstand eines Zerwürfnisses zwischen den Parteien des französischen Par- laments bilden.2 Für Rußland gibt es in dieser Frage keine geteilte Meinung. Rußland tat alles, wozu das Bündnis mit Frankreich es verpflichtete, es er- wartet mithin, daß sein Verbündeter ebenfalls seine Pflicht tue. Es ist allbekannt, welche kolossalen Opfer Rußland gebracht hat, um das franzö- sisch-russische Bündnis auf eine ideale Höhe zu bringen. Die Reformen des russischen Militärressorts bei der Bil- dung der russischen Streitkräfte über- treffen alles in dieser Hinsicht Da- gewesene. Das diesjährige Rekruten- kontingent ist nach dem letzten Aller- höchsten Ukas von 450 000 auf ^80 000 Mann gestiegen imd die Dienstzeit um 6 Monate verlängert worden. Dank dieser Maßregel stehen jeden Winter in Rußland vier Kon- tingente Rekruten unter Waffen, also eine Armee von 2 ^00 000 Mann. Diesen Luxus kann sich nur das große, mächtige Rußland erlauben.


Gott Lob!


Na ! Endlich haben die Russen die Kar- ten aufgedeckt! Wer inDeutschland jet^t noch nicht glaubt, daß von Russo - Gallien mit Hochdruck auf einen baldigen Krieg gegen uns hingearbeitet wird, und wir dement- sprechende Gegen- maßregeln er- greifen müssen, der verdient umgehend ins Irrenhaus nach Dalldorf geschickt

■{u werden ! Stramme neueSteu- ern und Monopole, und diejSooo Nicht- eingestellten sofort in die Armee und Marine hinein! W.


Deutschland verfügt über 880000, Österreich über etwa 500 000 und ItaHen über etwa 400 000 Mann. Gani natürlich also, daß Rußland von Frankreich j'jo 000 Mann entartet, wo sollen die was nur bei der dreijährigen Dienst- herkommen! \eit möglich ist. Es muß bemerkt werden, daß diese Vergrößerung der Armeen in Friedenäzeiten ausschließ- lich eine schnelle Mobilisierung er- wirken soll. Rußland schreitet dabei noch zu neuen Reformen, zum Bau eines gan^^en Netzes strategischer Bahnen, :{ur schleunigsten Konten- Mes gegen tration der Armee im Kriegsfall. Deutsch- Das rvünscht Rußland auch von Frank- l<^nd! reich, docli kann es das alles nur durchfüliren bei Wahrung der drei- jährigen Dienstzeit. Rußland und Frankreich wünschen keinen Krieg, quatsch! aber Rußland ist fertig, und Frank- reich muß es auch sein.« 

Mit diesem durch Fettdruck hervor- gehobenen Satz schließt der vielerörterte Artikel, aus dem deuthch hervorgeht, daß Rußland seine kolossalen Rüstungen vor :{wei Jahren laut Abmachimgen mit was mein Frankreich begann. Generalstab

stets behaup- tet hat!

' Vom Kaiser am 15. Juni zurückgegeben. So im Text für »bildet«.