Nr. 236. Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt, 27. Juli 1914: Difference between revisions

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<sup>1</sup> Nach der Entzifferung. Siehe Nr. 248. <br>
<sup>1</sup> Nach der Entzifferung. Siehe [[Nr. 248. Der Reichskanzler an den Botschafter in London, 27. Juli 1914|Nr. 248]]. <br>
<sup>2</sup> Aufgegeben in London 26. Juli 8<sup>25</sup> nachm., angekommen im Auswärtigen <br>
<sup>2</sup> Aufgegeben in London 26. Juli 8<sup>25</sup> nachm., angekommen im Auswärtigen <br>
Amt 27. Juli 12<sup>7</sup> vorm.; Eingangsvermerk: 27. Juli vorm. In der vom Reichs- <br>
Amt 27. Juli 12<sup>7</sup> vorm.; Eingangsvermerk: 27. Juli vorm. In der vom Reichs- <br>

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WWI Document Archive > Official Papers > Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914 — Volume 1 > Nr. 236.


Nr. 236
Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt1


Telegramm 161                               London, den 26. Juli 19142

     Habe soeben Sir A. Nicolson und Sir W, Tyrrell gesprochen.
Nach hier vorliegenden Nachrichten steht allgemeine Einberufung
russischer Reservisten nicht bevor, sondern nur partielle Mobili-
sierung fern unseren Grenzen, Beide Herren erblicken im Vorschlage
Sir E. Greys, hier Konferenz zu vier abzuhalten, einzige Möglich-
keit, allgemeinen Krieg zu vermeiden und hoffen, daß es hierbei
gelingen werde, Österreich volle Genugtuung zu verschaffen, da
Serbien eher geneigt sein würde, dem Druck der Mächte zu weichen
und sich in deren vereinten Willen zu fügen als den Drohungen
Österreichs. Unbedingte Voraussetzung sei aber für Gelingen der
Konferenz und für Erhaltung Friedens, daß alle militärischen Be-
wegungen unterblieben. Sei erst serbische Grenze überschritten, so
wäre alles verloren, denn keine russische Regierung würde dies
dulden können und zum Angriff gegen Österreich zu schreiten ge-
zwungen sein, falls sie nicht ihrer Stellung bei den Balkanstaaten
für immer verlustig gehen wollte. Sir W. Tyrrell, der Sir E. Grey
noch gestern abend gesehen hat und von dessen Ansichten genau
unterrichtet ist, wies mich wiederholt und mit Nachdruck auf die
ungeheure Wichtigkeit hin, daß bis zur Erledigung der Konferenz-
frage serbisches Gebiet nicht berührt werde, da sonst alle Bemühun-
gen vergeblich und der Weltkrieg unabwendbar sei. Die in Berlin
erhoffte Lokalisierung des Konflikts sei vollkommen unmöglich und
müsse aus der praktischen Politik ausscheiden. Gelänge uns beiden,
Sr. M. dem Kaiser bzw. dessen Regierung und Vertretern im Verein
mit Sir E. Grey, den europäischen Frieden zu retten, so seien die
deutsch-englischen Beziehungen für immerwährende Zeiten auf eine
sichere Grundlage gestellt. Gelänge dies nicht, so stehe alles in
Frage.
     Ich möchte dringend davor warnen, an die Möglichkeit der
Lokalisierung auch fernerhin zu glauben, und die gehorsamste Bitte
aussprechen, unsere Haltung einzig und allein von der Notwendigkeit
leiten zu lassen, dem deutschen Volke einen Kampf zu ersparen, bei
dem es nichts zu gewinnen und alles zu verlieren hat.
     Sir E. Grey kehrt heute abend zurück.

                                                                 L i c h n o w s k y


1 Nach der Entzifferung. Siehe Nr. 248.
2 Aufgegeben in London 26. Juli 825 nachm., angekommen im Auswärtigen
Amt 27. Juli 127 vorm.; Eingangsvermerk: 27. Juli vorm. In der vom Reichs-
kanzler für den Vortrag beim Kaiser benutzten Entzifferung sind die
Sätze »und sich in deren Drohungen Österreichs«, »denn
keine russische verlustig gehen wollte« und »Ich möchte
dringend zu verlieren hat« gestrichen. Randvermerk des
Kanzlers vom 27 Juli: »S. M. vorgetragen. S. M. mißbilligten den
Standpunkt Lichnowskys. B. H. 27.«