Nr. 282 Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt, 28. Juli 1914

From World War I Document Archive
Revision as of 12:13, 11 June 2015 by Woodz2 (talk | contribs) (Created page with " WWI Document Archive > Official Papers > Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914 — Volume 1 > '''Nr. 282.'''<hr> <center>Nr. 282</cente...")
(diff) ← Older revision | Latest revision (diff) | Newer revision → (diff)
Jump to navigation Jump to search

WWI Document Archive > Official Papers > Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914 — Volume 1 > Nr. 282.


Nr. 282
Der Botscliafter in Petersburg an das Auswärtige Amt1


Telegramm 167                          St. Petersburg, den 27. Juli 19142

     Habe eben Sasonow Kenntnis von Inhalt der Telegramme
Nr. 126 und 128^ gegeben. Minister bat mich, Ew. Exz. für beide
Mitteilungen, die ihm einen sehr guten Eindruck machten, zu danken
und dabei zu versichern, daß der Appell an unsere altbewährten
guten Beziehungen warmen Widerhall bei ihm findet und ihn tief
rührt. Ew. Exz. könnten versichert sein, daß Rußland das Ver-
trauen in seine Friedensliebe nicht täuschen werde. Er sei bereit,
in seinem Entgegenkommen gegen Österreich bis zur Grenze zu
gehen und alle Mittel zu erschöpfen, um Krisis friedlicher Lösung
entgegenzuführen.
     Nachdem Österreich sein Territorial-Desinteressement erklärt
und noch keinen feindhchen Schritt gegen Serbien unternommen
habe, sei nach seiner Ansicht der Augenblick gekommen, durch
Gedankenaustausch zwischen den Mächten Mittel zu suchen, um
Österreich »goldene Brücken zu bauen« ; welcher Weg zur Erreichung
dieses Ziels eingeschlagen werde, sei ihm gleich. Der Wunsch,
Österreich zu demütigen, liege ihm gänzlich fern. Er bitte aber
dringend, zu bedenken, daß, wenn diejenigen österreichischen For-
derungen, die serbische Souveränitätsrechte antasten, erfüllt würden,
ein revolutionäres Regime ans Ruder kommen werde, das noch
schlimmer als jetziges sein werde. Ich entgegnete, Serbien werde
auf jeden Fall einige sehr bittere Pillen schlucken müssen. Auf
faule Proteste werde sich Österreich wohl nicht einlassen, ob for-
melle Milderung einiger Punkte möglich, entzieht sich meiner Beur-
teilung. Auf jeden Fall müsse den Provokationen Serbiens, durch
welche Europa nun schon zum dritten Male innerhalb fünf Jahren
vor Schwelle des Krieges gebracht wurde, ein für alle Mal Ende bereitet werden, da jetziger Zustand nachgerade für Europa uner- träglich geworden sei. Daher sollte auch Europa Österreich bei seiner Auseinandersetzung mit Serbien nicht in den Arm fallen. Sasonow wollte Hoffnung nicht aufgeben, daß Milderung einiger Punkte der an Serbien gestellten Forderungen von Österreich werde erreicht werden können. Er bat dringend um unsere Mitwirkung in diesem Sinne. Es müsse sich ein Weg finden lassen, imi Serbien unter Schonung seiner Souveiänitätsrechte verdiente Lektion* zu erteilen. Ich bemerkte dazu, es müßte aber auch für die Zukunft Garantie geschaffen werden, daß Serbien sich seinen übernommenen Verpflichtungen nicht wieder entziehe. Wenn Serbien als gleich- berechtigtes Mitglied europäischer Staatenfamilie behandelt werden wolle, mü>se es sich auch als Kulturstaat verhalten. Die Einwen- dungen des Ministers gegen diese an Serbien geübte Kritik waren heute viel schwächer als vor zwei Tagen, Sprache des Ministers die- selbe versöhnliche wie gestern. Mit Bezug auf ersten Teil Telegramms Nr. 128 verwies Sasonow auf gestrige Unterredung Majors Eggeling mit Kriegsminister^.

                                                                 P o u r t a l e s


1 Nach der Entzifferung.
2 Aufgegeben in Petersburg 27. Juli 8'" nachm., angekommen im Ausw.
Amt 28. Juli 4^" vorm. Eingangsvermerk: 28. Juli vorm. Randnotiz des
Reichskanzlers vom 28. Juli: «S. M. vorgetragen v. B. H. 28. 7.« Auf einem
der Entzifferung angehefteten Blatt bemerkt der Kanzler zu Pourtales'
Telegramm: »Es ist mir doch zweifelhaft, ob wir Lichnowsky das
Sasonowsche Telegramm in extenso mitteilen dürfen. Er erzählt alles an
Sir Edward in ungeschickter Weise, und dieser könnte noch nachgiebiger
gegen Rußland werden, wenn er so offenkundig sieht, daß der Draht
zwischen Berlin und Petersburg durchaus nicht abgerissen ist. Wenigstens
ist diese Wirkung möglich. Es wird also sehr auf die Form ankommen,
in der Lichnowskv instruiert wird und in der er mit Sir Edward spricht.
V. B. H. 28.« 
3 Siehe Nr. 198 und 219. 4 Siehe Nr. 323. 4 Siehe Nr. 242; siehe ferner Nr. 300.