Nr. 320 Der Reichskanzler an den Botschafter in Konstantinopel, 28. Juli 1914: Difference between revisions

From World War I Document Archive
Jump to navigation Jump to search
No edit summary
No edit summary
Line 3: Line 3:
<center>Nr. 320</center>
<center>Nr. 320</center>


<center>Der Reichskanzler an den Botschafter in Konstantinopel<sup>1</sup></center>
<center><font size=4>'''Der Reichskanzler an den Botschafter in Konstantinopel<sup>1</sup>'''</font></center><br>


Telegramm 275&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; Berlin, den 28. Juli 1914<sup>2</sup>  
Telegramm 275&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; Berlin, den 28. Juli 1914<sup>2</sup> <br>
Geheim ! <br>


Geheim !
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;S. M. ist mit Vorschlag des Großwesirs einverstanden. Der Ver- <br>
trag wäre auf folgender Grundlage abzuschließen : <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;1. Beide Mächte verpflichten sich zur Beobachtung strenger <br>
Neutrahtät in dem gegenwärtigen Konflikt zwischen Österreich- <br>
Ungarn und Serbien. <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;2. Sollte Rußland in den Krieg aktiv militärisch eingreifen und <br>
damit für Deutschland der casus foederis gegenüber Österreich-Ungarn<br>
gegeben sein, so tritt auch für die Türkei der casus foederis ein. <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;3. Deutschland beläßt die Militärmission im Kriegsfall der Türkei. <br>
Die Türkei stellt die tatsächliche Ausübung des Oberkommandos <br>
durch die Militärmission sicher<sup>3</sup>. <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;4. Deutschland garantiert der Türkei gegenüber Rußland ihren <br>
gegenwärtigen Besitzstand. <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;5. Der Vertrag gilt für den gegenwärtigen österreichisch-ungarisch- <br>
serbischen Konflikt und die sich daraus eventuell ergebenden inter- <br>
nationalen Verwicklungen. Er tritt, falls es aus Anlaß dieses Kon- <br>
flikts nicht zu einem Krieg zwischen Deutschland und Rußland <br>
kommt, ohne weiteres außer Kraft. <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Ich ermächtige Ew. Exz. entsprechende Verhandlungen mit Groß- <br>
wesir einzuleiten. Über Ihre bisherigen Unterredungen mit Groß- <br>
wesir hat Markgraf Pallavicini eingehend nach Wien berichtet. Um <br>
strengste Diskretion in Zukunft sicherzustellen, bitte ich, auch Ihrem <br>
österreichisch-ungarischen Kollegen gegenüber vorläufig nichts über <br>
Ihre Verhandlungen mit Großwesir verlauten zu lassen<sup>4</sup>. <br>


&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;S. M. ist mit Vorschlag des Großwesirs einverstanden. Der Ver-
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;B e t h m a n n &nbsp; H o l l w e g <br>
trag wäre auf folgender Grundlage abzuschließen :
 
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;1. Beide Mächte verpflichten sich zur Beobachtung strenger
Neutrahtät in dem gegenwärtigen Konflikt zwischen Österreich-
Ungarn und Serbien.
 
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;2. Sollte Rußland in den Ejrieg aktiv militärisch eingreifen tmd
damit für Deutschland der casus foederis gegenüber Österreich -Ungarn
gegeben sein, so tritt auch für die Türkei der casus foederis ein.
 
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;3- Deutschland beläßt die Militärmission im Kriegsfall der Türkei.
Die Türkei stellt die tatsächliche Ausübung des Oberkommandos
durch die Militärmission sicher<sup>3</sup>.
 
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;4. Deutschland garantiert der Türkei gegenüber Rußland ihren
gegenwärtigen Besitzstand.
 
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;5. Der Vertrag gilt für den gegenwärtigen österreichisch-ungarisch-
serbischen Konflikt und die sich daraus eventuell ergebenden inter-
nationalen Verwicklungen. Er tritt, falls es aus Anlaß dieses Kon-
flikts nicht zu einem Krieg zwischen Deutschland und Rußland
kommt, ohne weiteres außer Kraft.
 
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Ich ermächtige Ew. Exz. entsprechende Verhandlungen mit Groß-
wesir einzuleiten. Über Ihre bisherigen Unterredungen mit Groß-
wesir hat Markgraf Pallavicini eingehend nach Wien berichtet. Um
strengste Diskretion in Zukunft sicherzustellen, bitte ich, auch Ihrem
österreichisch-ungarischen Kollegen gegenüber vorläufig nichts über
Ihre Verhandlungen mit Großwesir verlauten zu lassen<sup>4</sup>.
 
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;B e t h m a n n &nbsp; H o l l w e g  


<hr>
<hr>
<sup>1</sup> Nach dem Konzept. Entwurf von Zimmermanns Hand.  
<sup>1</sup> Nach dem Konzept. Entwurf von Zimmermanns Hand. <br>
<sup>2</sup> 9<sup>30</sup> nachm. zum Haupttelegraphenamt.  
<sup>2</sup> 9<sup>30</sup> nachm. zum Haupttelegraphenamt. <br>
<sup>3</sup>In dem von Zimmermanns Hand geschriebenen Entwurf eines — nicht  
<sup>3</sup>In dem von Zimmermanns Hand geschriebenen Entwurf eines — nicht <br>
abgegangenen Immediatberichtes (des Kanzlers) an den Kaiser, der die  
abgegangenen Immediatberichtes (des Kanzlers) an den Kaiser, der die <br>
Artikel des vorgesehenen Vertrages mit der Türkei im allgemeinen wie  
Artikel des vorgesehenen Vertrages mit der Türkei im allgemeinen wie <br>
obenstehend autlührt, lautete Artikel 3: »Für die Dauer des Krieges über-  
obenstehend autlührt, lautete Artikel 3: »Für die Dauer des Krieges über- <br>
nimmt die deutsche Militärmission das Oberkommando über die türkische  
nimmt die deutsche Militärmission das Oberkommando über die türkische <br>
Armee«. Am Rande dieses Entwurfes der Vermerk des Reichskanzlers  
Armee«. Am Rande dieses Entwurfes der Vermerk des Reichskanzlers <br>
vom 28. Juli: »S. M. ist mit der hierneben entworfenen Grundlage ein-  
vom 28. Juli: »S. M. ist mit der hierneben entworfenen Grundlage ein- <br>
verstanden, — Mir ist zweifelhaft, ob Nr. 3, so apodiktisch gefaßt, für  
verstanden, — Mir ist zweifelhaft, ob Nr. 3, so apodiktisch gefaßt, für <br>
die Türkei annehmbar ist. Vielleicht genügt eine Formel, die die tal-  
die Türkei annehmbar ist. Vielleicht genügt eine Formel, die die tat- <br>
säch liehe Ausübung des Oberkommandos durch die Militärmission  
sächliche Ausübung des Oberkommandos durch die Militärmission <br>
sicherstellt«. Zimmermann änderte daraufhin für den Entwurf des Er-  
sicherstellt«. Zimmermann änderte daraufhin für den Entwurf des Er- <br>
lasses an Wangenheim den Artikel wie obenstehend ab.  
lasses an Wangenheim den Artikel wie obenstehend ab. <br>
<sup>4</sup>Siehe Nr. 411 und 508.
<sup>4</sup>Siehe Nr. 411 und 508.<br>

Revision as of 11:29, 16 June 2015

WWI Document Archive > Official Papers > Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914 — Volume 1 > Nr. 320.


Nr. 320
Der Reichskanzler an den Botschafter in Konstantinopel1


Telegramm 275                               Berlin, den 28. Juli 19142
Geheim !

     S. M. ist mit Vorschlag des Großwesirs einverstanden. Der Ver-
trag wäre auf folgender Grundlage abzuschließen :
     1. Beide Mächte verpflichten sich zur Beobachtung strenger
Neutrahtät in dem gegenwärtigen Konflikt zwischen Österreich-
Ungarn und Serbien.
     2. Sollte Rußland in den Krieg aktiv militärisch eingreifen und
damit für Deutschland der casus foederis gegenüber Österreich-Ungarn
gegeben sein, so tritt auch für die Türkei der casus foederis ein.
     3. Deutschland beläßt die Militärmission im Kriegsfall der Türkei.
Die Türkei stellt die tatsächliche Ausübung des Oberkommandos
durch die Militärmission sicher3.
     4. Deutschland garantiert der Türkei gegenüber Rußland ihren
gegenwärtigen Besitzstand.
     5. Der Vertrag gilt für den gegenwärtigen österreichisch-ungarisch-
serbischen Konflikt und die sich daraus eventuell ergebenden inter-
nationalen Verwicklungen. Er tritt, falls es aus Anlaß dieses Kon-
flikts nicht zu einem Krieg zwischen Deutschland und Rußland
kommt, ohne weiteres außer Kraft.
     Ich ermächtige Ew. Exz. entsprechende Verhandlungen mit Groß-
wesir einzuleiten. Über Ihre bisherigen Unterredungen mit Groß-
wesir hat Markgraf Pallavicini eingehend nach Wien berichtet. Um
strengste Diskretion in Zukunft sicherzustellen, bitte ich, auch Ihrem
österreichisch-ungarischen Kollegen gegenüber vorläufig nichts über
Ihre Verhandlungen mit Großwesir verlauten zu lassen4.

                                        B e t h m a n n   H o l l w e g


1 Nach dem Konzept. Entwurf von Zimmermanns Hand.
2 930 nachm. zum Haupttelegraphenamt.
3In dem von Zimmermanns Hand geschriebenen Entwurf eines — nicht
abgegangenen Immediatberichtes (des Kanzlers) an den Kaiser, der die
Artikel des vorgesehenen Vertrages mit der Türkei im allgemeinen wie
obenstehend autlührt, lautete Artikel 3: »Für die Dauer des Krieges über-
nimmt die deutsche Militärmission das Oberkommando über die türkische
Armee«. Am Rande dieses Entwurfes der Vermerk des Reichskanzlers
vom 28. Juli: »S. M. ist mit der hierneben entworfenen Grundlage ein-
verstanden, — Mir ist zweifelhaft, ob Nr. 3, so apodiktisch gefaßt, für
die Türkei annehmbar ist. Vielleicht genügt eine Formel, die die tat-
sächliche Ausübung des Oberkommandos durch die Militärmission
sicherstellt«. Zimmermann änderte daraufhin für den Entwurf des Er-
lasses an Wangenheim den Artikel wie obenstehend ab.
4Siehe Nr. 411 und 508.