dann muß die Mobil-
machung eingestellt
werden.
Nein !
ja
das war selbstver-
ständlich
wie kindisch !
sehr bezeichnend
und richtig !
gut
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St. Petersburg, den 27. Juli 19142
Auf dringenden Wunsch des Militärattachés,
Majors von Eggeling, welcher ausführliche Meldungen
über die militärische Lage möglichst bald nach Berlin
gelangen lassen möchte, schicke ich heute abend den
Feldjäger an die Grenze mit der Weisung, sofort
hierher zurückzukehren.
Da mir bis zum Schluß der Expedition nur
wenig freie Zeit übrig bleibt, muß ich mich darauf
beschränken, Ew. Exz. kurz über die hiesige Situation
und Stimmung zu berichten.
Seit gestern ist in der Haltung des Herrn
Sasonow eine ganz auffallende Änderung eingetreten,
die auch von meinen Kollegen konstatiert wird. Die
Erklärung, daß Österreich-Ungarn keine territorialen
Erwerbungen beabsichtigt und unsere entschiedene
Zurückweisung der Insinuation, als hätten wir in
der Absicht, einen Konflikt heraufzubeschwören,
Österreich-Ungarn angestiftet, hat hier eine sicht-
liche Beruhigung hervorgerufen.
Ebenso atmet man erleichtert auf, daß bereits
beinahe 48 Stunden vergangen sind, seitdem die un-
befriedigende Antwort Serbiens an Österreich-Ungarn
erfolgte, ohne daß man von einem Einrücken Öster-
reichs in Serbien gehört hat. Man hatte hier offen-
bar bestimmt damit gerechnet, daß eine Weigerung
Serbiens, die Forderungen Österreichs zu erfüllen, den
unmittelbaren Ausbruch der Feindseligkeiten zur
Folge haben werde.
Herr Sasonow ist jetzt sichtlich bemüht, einen
Ausweg zu finden. Er erkennt neuerdings sogar die
Berechtigung des österreichischen Vorgehens gegen
Serbien im Prinzip an, gibt sich aber immer noch
der Hoffnung hin, daß Österreich-Ungarn sich bereit
finden könnte, seine Forderungen in der Form etwas
zu mäßigen. Ich habe dem Minister gesagt, ich
könnte ihm in dieser Hinsicht gar keine Aussichten
eröffnen und ihm nur raten, falls er aus seinen Kon-
versationen mit Graf Szápáry Hoffnungen zu schöpfen
glaube, sich direkt nach Wien zu wenden.
Seit der gestrigen Unterredung des Ministers
mit meinem österreichisch-ungarischen Kollegen ist die
hiesige Regierung offenbar bestrebt, die Situation
als gebessert hinzustellen und im Sinne der Beruhigung
zu wirken. Die Presse hat offenbaj das mot d'ordre
erhalten, unsere Erklärung, daß wir Österreich-
Ungarn nicht angestiftet hätten, als beruhigendes
Symptom zu besprechen.
Aus Bankkreisen erfahre ich, daß die deutliche
Besserung in der Stimmung der heutigen Börse auf
Einwirkung der Regierung zurückzuführen ist. Reichs-
bank und Finanzministerium haben zu diesem Zwecke
bei der Börse interveniert.
Die Unterredung, zu welcher der Kriegsminister
den Militärattaché, Major von Eggeüng, gestern
abend eingeladen hat, sollte ebenfalls offenbar dem
Zwecke der Beruhigtmg dienen.
Im allgemeinen ist von Kriegsbegeisterung hier
wenig zu merken, und der Regierung dürfte es in
diesem Augenblick schwer3 werden, zu behaupten,
daß sie von der öffentlichen Meinung debordiert4
werde.
Der Durchmarsch der aus dem Lager von
Krasnoje Selo zurückberufenen Truppen durch die
Straßen wird, wie ich mich selbst überzeugt habe,
vom Publikum mit der größten Teilnahmslosigkeit
betrachtet, ohne daß jemand auch nur daran denkt,
dem Militär Ovationen zu bringen.
Spät in der Nacht soll es allerdings zu einigen
nationaHstischen Manifestationen auf dem Newski
Prospekt gekommen sein. Im allgemeinen aber ge-
winnt man den Eindruck, daß die Stimmung ge-
drückt ist.
Heute nacht ist es auch anscheinend wieder
zu Zusammenstößen mit der Arbeiterbevölkerung ge-
kommen. Etwas Bestimmtes darüber zu erfahren,
ist schwierig, da keine Nachrichten über diese Vor-
gänge mehr veröffentlicht werden dürfen. Es war
aber deutlich zu hören, daß in einem vom Zentrum
der Stadt entfernten Viertel längere Zeit hindurch
geschossen wurde.
F. P o u r t a l è s
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