Nr. 343 Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt, 29. Juli 1914

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Nr. 343
Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt1


Telegramm 183 St. Petersburg, den 29. Juli 19142
Dringend !

     Inhalt der Telegramme Nr. 130 und 1313 soeben bei Sasonow
verwertet. Sie machten sichtlich guten Eindruck. Minister be-
merkte aber, es seien leider bis jetzt keine Anzeichen vorhanden,
daß Wien darauf eingehe, Weg direkten Gedankenaustausches mit
St. Petersburg zu beschreiten.4 Herr Schebeko, der in diesem Sinne
Weisungen erhalten habe, melde noch nichts von Unterredungen mit
maßgebenden Persönlichkeiten, ebenso erkläre Graf Szápáry, keine
Instruktionen zu haben. Es müsse daher an gutem Willen Öster-
reichs gezweifelt werden.
     Überdies habe Österreich acht Korps mobilisiert, und diese
Maßregel müsse als zum Teil gegen Rußland gerichtet angesehen
werden. Daher sehe sich Rußland ebenfalls zur Mobilmachung der
Militärbezirke an österreichischer Grenze genötigt. Der betreffende
Befehl werde heute gegeben werden. Als ich gegen diese Maß-
regeln die allerernstesten Bedenken erhob, suchte mich Minister
davon zu überzeugen, daß in Rußland Mobilmachung noch lange
nicht wie in westeuropäischen Staaten Krieg bedeute, russische
Armee würde eventuell Wochen hindurch Gewehr bei Fuß stehen
können, ohne Grenze zu überschreiten. Rußland wolle, wenn irgend
möglich, Krieg vermeiden. Ich erwiderte, diese Erklärungen be-
ruhigten mich nicht. Die Gefahr jeder militärischen Maßregel liege
in Gegenmaßregeln der anderen Seite. Der Gedanke liegt nahe,
daß die Generalstäbe der eventuellen Gegner Rußlands die Karte des
großen Vorsprunges über Rußland in Mobilmachung nicht würden
aufgeben wollen und auf Gegenmaßregeln drängten. Ich bitte
dringend, diese Gefahr zu bedenken, Herr Sasonow beteuerte noch-
mals feierlich, daß gegen uns nicht das Geringste geschehe. Ich er-
widerte unter Betonung, daß mir jede Drohung fernliegt, unsere
Bündnisverpflichtungen gegen Österreich seien ihm bekannt.

                                                                 P o u r t a l è s


1 Nach der Entzifferung.
2 Aufgegeben in Petersburg, 29. Juli, 158 nachm., angekommen im Aus-
wärtigen Amt 29. Juli, 252 nachm.; Eingangsvermerk: 29. Juli nachm.
Betr. Mitteilung an den Kaiser siehe Nr. 399. In der »Norddeutschen
Allgemeinen Zeitung« vom 26. Februar 1916 ist Pourtalès' Telegramm irrig
vom 28. Juli datiert.
3 Siehe Nr. 300 und 315.
4 Siehe hierzu und zum Folgenden auch Nr. 385.