Nr. 368 Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt, 29. Juli 1914: Difference between revisions
No edit summary |
m (Text replacement - "Kriegsausbruch 1914 — Volume 1" to "Kriegsausbruch 1914 — Volume 2") |
||
(24 intermediate revisions by one other user not shown) | |||
Line 1: | Line 1: | ||
[[Main_Page | WWI Document Archive ]] > [[Official Papers]] > [[Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914 — Volume | [[Main_Page | WWI Document Archive ]] > [[Official Papers]] > [[Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914 — Volume 2]] > '''Nr. 368.'''<hr> | ||
<center>Nr. 368</center> | <center>Nr. 368</center> | ||
<center>Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt<sup>1</sup></ | <center><font size=4>'''Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt<sup>1</sup>'''</font></center><br> | ||
Telegramm 178 London, den 29. Juli 1914<sup>2</sup><br> | |||
{| width="90%" cellpadding="3" | {| width="90%" cellpadding="3" | ||
|+ align="top" | | |+ align="top" | | ||
| width="20%" height="25" valign="top" align="center" | | | width="20%" height="25" valign="top" align="center" | | ||
Das stärkste und | <i>Das stärkste und <br> | ||
unerhörteste Stück | unerhörteste Stück <br> | ||
Engl. Pharisäer- | Engl. Pharisäer-<br> | ||
hums das ich je ge- | hums das ich je ge- <br> | ||
sehen! Mit solchen | sehen! Mit solchen<br> | ||
Hallunken mache | Hallunken mache <br> | ||
ich nie ein Flotten- | ich <u>nie</u> ein Flotten- <br> | ||
abkommen ! | abkommen ! <br> | ||
damit bin ich außer <br> | |||
damit bin ich außer | Cours gesetzt. <br> | ||
Cours gesetzt. | <br><br><br><br><br><br><br><br><br> | ||
gut <br> | |||
gut | <br> | ||
haben wir seit Ta-<br> | |||
haben wir seit Ta- | gen bereits zu er- <br> | ||
gen bereits zu er- | reichen versucht <br> | ||
reichen versucht | umsonst! <br> | ||
umsonst! | Anstatt der Ver- <br> | ||
mittelg. ein ernstes <br> | |||
Wort an Peters- <br> | |||
burg u. Paris, daß <br> | |||
England ihnen nicht <br> | |||
hilft würde die Si- <br> | |||
tuation sofort be- <br> | |||
ruhigen. <br> | |||
<br><br><br> | |||
aha! Der gemeine <br> | |||
Täuscher ! ! <br> | |||
<br> | |||
d. h. wir sollen <br> | |||
Österreich sitzen<br> | |||
lassen urgemein <br> | |||
und mephistophe-<br> | |||
lisch! aber recht<br> | |||
Englische<br> | |||
<br> | |||
sind schon gefaßt <br> | |||
<br> | |||
d. h. sie werden uns <br> | |||
anfallen <br> | |||
<br><br><br><br> | |||
unaufrichtig ist er<br> | |||
alle diese Jahre<br> | |||
trotzdem gewesen<br> | |||
bis in seine letzte <br> | |||
Rede<br> | |||
wir auch! <br> | |||
neukreierten!<sup>13</sup> <br> | |||
wenn sie will kann <br> | |||
sie die öffentliche <br> | |||
Meinung wenden <br> | |||
und dirigieren, da <br> | |||
ihr die Presse un- <br> | |||
bedingt gehorch[t] </i><br> | |||
| width="50%" height="25" valign="top" align="left" | | | width="50%" height="25" valign="top" align="left" | | ||
Sir E. Grey ließ mich soeben noch- <br> | |||
Sir E. Grey ließ mich soeben noch- | mals<sup>3</sup> zu sich bitten. Der Minister war <br> | ||
vollkommen ruhig, aber sehr ernst, und <br> | |||
mals<sup>3</sup> zu sich bitten. Der Minister war | empfing mich mit den Worten, daß die <br> | ||
vollkommen ruhig, aber sehr ernst, und | Lage sich immer mehr zuspitze. Sasonow <br> | ||
habe erklärt, nach der Kriegserklarung <br> | |||
nicht mehr in der Lage zu sein, mit<br> | |||
Österreich direkt zu unterhandeln und<br> | |||
<i>hier<sup>5</sup> bitten lassen, die Vermittelung <br> | |||
wieder<sup>6</sup> anzunehmen</i>. Als Voraussetzung <br> | |||
für diese Vermittelung betrachtet die <br> | |||
nicht mehr in der Lage zu sein, mit | russische Regierung die vorläufige Ein- <br> | ||
Österreich direkt zu unterhandeln und | stellung der Feindsehgkeiten. <br> | ||
hier<sup>5</sup> bitten lassen, die Vermittelung | Sir E. Grey wiederholte seine bereits <br> | ||
wieder<sup>6</sup> anzunehmen. Als Voraussetzung | gemeldete Anregung, daß wir uns an <br> | ||
für diese Vermittelung betrachtet die | einer solchen Vermittelung zu vieren, <br> | ||
russische Regierung die vorläufige Ein- | die wir grundsätzlich bereits angenommen <br> | ||
stellung der Feindsehgkeiten. | hätten<sup>7</sup>, beteiligen sollten. Ihm persön- <br> | ||
lich schiene eine geeignete Grundlage für <br> | |||
Sir E. Grey wiederholte seine bereits | eine Vermittelung, daß Österreich etwa <br> | ||
gemeldete Anregung, daß wir uns an | nach Besetzung von Belgrad oder anderer <br> | ||
einer solchen Vermittelung zu vieren, | Plätze seine Bedingungen kundgäbe<sup>8</sup>. <br> | ||
die wir grundsätzlich bereits angenommen | Sollten Ew. Exz. jedoch die Vermittelung <br> | ||
hätten<sup>7</sup>, beteiligen sollten. Ihm persön- | übernehmen, wie ich heute früh in Aus- <br> | ||
lich schiene eine geeignete Grundlage für | sieht stellen konnte<sup>9</sup>, so wäre ihm das <br> | ||
eine Vermittelung, daß Österreich etwa | natürlich ebenso recht. Aber eine <i>Ver- <br> | ||
mittelung</i> schiene ihm nunmehr dringend <br> | |||
nach Besetzung von Belgrad oder anderer | geboten, falls es nicht zu einer <i>euro- <br> | ||
Plätze seine Bedingungen kundgäbe<sup>8</sup>. | päischen Katastrophe kommen sollte</i>. <br> | ||
Sollten Ew. Exz. jedoch die Vermittelung | Sodann sagte mir Sir E. Grey, er <br> | ||
übernehmen, wie ich heute früh in Aus- | hätte mir eine freundschaftliche und <br> | ||
private Mitteilung zu machen, er wünsche <br> | |||
nämlich nicht, daß unsere so herzlichen <br> | |||
sieht stellen konnte<sup>9</sup>, so wäre ihm das | persönlichen Beziehungen und unser <br> | ||
intimer Gedankenaustausch über alle poli- <br> | |||
tischen Fragen mich irreführten und er <br> | |||
möchte sich für <i>später den Vorwurf</i><br> | |||
[<i>der</i>]<sup>10</sup> <i>Unaufrichtigkeit ersparen</i>. Die <br> | |||
britische Regierung wünsche nach wie vor <br> | |||
mit uns die bisherige Freundschaft zu <br> | |||
pflegen und sie könne, solange der Kon- <br> | |||
flikt sich auf <i>Österreich und Rußland be- <br> | |||
schränke, abseits stehen</i>. Würden <i>wir<sup>11</sup> <br> | |||
aber und Frankreich hineingezogen</i>, so <br> | |||
sei die Lage sofort eine andere und die <br> | |||
britische Regierung würde unter <i>Um- <br> | |||
ständen sich zu schnellen Entschlüssen ge- <br> | |||
intimer Gedankenaustausch über alle poli- | drängt sehen</i>. In diesem Falle <i>würde es <br> | ||
tischen Fragen mich irreführten und er | nicht angehen, lange abseits zu stehen <br> | ||
und zu warten</i>, »if war breaks out, it <br> | |||
will be the <i>greatest catastrophe</i> that the <br> | |||
britische Regierung wünsche nach wie vor | <i>world ever has seen</i>«. Es hege ihm fern, <br> | ||
irgendeine Drohung aussprechen zu wollen, <br> | |||
er habe mich nur vor Täuschungen und <br> | |||
<i>sich</i> vor dem <i>Vorwurf der Unaufrichtig- <br> | |||
keit bewahren</i> wollen und daher die Form<br> | |||
einer privaten Verständigung gewählt<sup>12</sup>. <br> | |||
Sir E. Grey fügt noch hinzu, die <br> | |||
Regierung müsse auch mit der <i>öffent- <br> | |||
britische Regierung würde unter | lichen Meinung rechnen</i>; bisher sei die- <br> | ||
selbe im allgemeinen für Österreich günstig <br> | |||
drängt sehen. In diesem Falle | gewesen, da man die Berechtigung einer <br> | ||
gewissen Genugtuung anerkenne, jetzt <br> | |||
aber fange sie an, infolge der öster- <br> | |||
reichischen Hartnäckigkeit <i>vollkommen</i><sup>14</sup> <br> | |||
will be the greatest catastrophe that the | <i>umzuschlagen</i>. <br> | ||
Meinem italienischen Kollegen, der <br> | |||
irgendeine Drohung aussprechen zu wollen, | mich soeben verläßt, hat Sir E. Grey ge- <br> | ||
er habe mich nur vor Täuschungen und | sagt, er glaube, falls die Vermittelung <br> | ||
angenommen werde, Österreich jede mög- <br> | |||
liche Genugtuung verschaffen zu können, <br> | |||
ein demütigendes Zurückweichen Öster- <br> | |||
reichs käme gar nicht mehr in Frage, da <br> | |||
Sir E. Grey fügt noch hinzu, die | die Serben auf alle Fälle gezüchtigt und <br> | ||
unter der Zustimmung Rußlands genötigt <br> | |||
werden würden, sich den österreichischen <br> | |||
Wünschen unterzuordnen. Österreich <br> | |||
könne also auch ohne einen Krieg, der <br> | |||
den europäischen Frieden in Frage stelle, <br> | |||
Bürgschaften für die Zukunft erlangen. <br> | |||
<br> | |||
L i c h n o w s k y <br> | |||
umzuschlagen. | |||
Meinem italienischen Kollegen, der | |||
mich soeben verläßt, hat Sir E. Grey ge- | |||
sagt, er glaube, falls die Vermittelung | |||
angenommen werde, Österreich jede mög- | |||
liche Genugtuung verschaffen zu können, | |||
ein demütigendes Zurückweichen Öster- | |||
reichs käme gar nicht mehr in Frage, da | |||
die Serben auf alle Fälle gezüchtigt | |||
unter der Zustimmung Rußlands genötigt | |||
werden würden, sich den österreichischen | |||
Wünschen unterzuordnen. Österreich | |||
könne also auch ohne einen Krieg, der | |||
den europäischen Frieden in Frage stelle, | |||
Bürgschaften für die Zukunft erlangen. | |||
L i c h n o w s k y | |||
| width="20%" height="25" valign="top" align="center" | | | width="20%" height="25" valign="top" align="center" | | ||
trotz Appells | <br><br><br><br><br><br> | ||
des Zaren | <i>trotz Appells <br> | ||
an mich !<sup>4</sup> | des Zaren <br> | ||
an mich !<sup>4</sup><br> | |||
mit Hilfe der | <br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br> | ||
der bleibt ! | |||
<br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br><br> | |||
gänzlich<br> | |||
mißglückt <br> | |||
<br><br><br><br><br><br><br><br><br> | |||
mit Hilfe der <br> | |||
Jingopresse</i> | |||
|} | |} | ||
<i>England dekouvriert sich im Moment wo es der Ansicht ist, daß <br> | |||
wir im Lappjagen eingestellt sind und so zu sagen erledigt! <br> | |||
Das gemeine Krämergesindel hat uns mit Diners und Reden <br> | |||
zu täuschen versucht. Die gröbste Täuschung, die Worte des Königs <br> | |||
für mich an Heinrich : » We shall remain neutral and try <br> | |||
to keep out of this as long as possiblen Grey straft den König <br> | |||
lügen, und diese Worte an Lichnowsky sind der Ausfluß des bösen <br> | |||
Gewissens, daß er eben das Gefühl gehabt hat uns getäuscht zu haben. <br> | |||
Zudem ist es tatsächlich eine Drohung mit Bluff verbunden, um <br> | |||
uns von Osterreich loszulösen und an der Mobilmachung zu hindern <br> | |||
und die Schuld am Kriege zuzuschieben. Er weiß ganz genau, daß <br> | |||
wenn er nur ein einziges, ernstes, scharfes abmahnendes Wort in Paris <br> | |||
und Petersburg spricht und sie zur Neutralität ermahnt, beide sofort <br> | |||
stille bleiben werden. Aber er hütet sich das Wort auszusprechen, sondern <br> | |||
droht uns statt dessen! Gemeiner Hundsfott! England allein trägt <br> | |||
die Verantwortung für Krieg und Frieden nicht wir mehr! Das muß auch <br> | |||
öffentlich klargestellt werden. <br> | |||
W.</i> <br> | |||
<hr> | <hr> | ||
<sup>1</sup> Nach der Entzifferung. | <sup>1</sup> Nach der Entzifferung. <br> | ||
<sup>2</sup> Aufgegeben in London 6<sup>39</sup> nachm., angekommen im Auswärtigen Amt | <sup>2</sup> Aufgegeben in London 6<sup>39</sup> nachm., angekommen im Auswärtigen Amt <br> | ||
9<sup>12</sup> nachm. Eingangsvermerk: 29. Juli nachm. Abschrift der Entzifferung | 9<sup>12</sup> nachm. Eingangsvermerk: 29. Juli nachm. Abschrift der Entzifferung <br> | ||
lag dem Kaiser vor, der darauf vermerkte: » 30. VII. 14 1 Uhr N. M.« Die | lag dem Kaiser vor, der darauf vermerkte: » 30. VII. 14 1 Uhr N. M.« Die <br> | ||
Abschnitte »Sir E. Grey . . . . . . . . . . Feindseligkeiten« und »Sodann | Abschnitte »Sir E. Grey . . . . . . . . . . Feindseligkeiten« und »Sodann <br> | ||
sagte . . . . . . . . . Verständigung gewählt« am 30. Juli dem Generalstab, | sagte . . . . . . . . . Verständigung gewählt« am 30. Juli dem Generalstab, <br> | ||
Admiralstab, Reichsmarineamt und Kriegsministerium mitgeteilt. Siehe | Admiralstab, Reichsmarineamt und Kriegsministerium mitgeteilt. Siehe <br> | ||
Nr. 407. | [[Nr. 407 Der Reichskanzler an den Kaiser, 30. Juli 1914|Nr. 407]]. <br> | ||
<sup>3</sup> Siehe Nr. 357. | <sup>3</sup> Siehe [[Nr. 357 Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt, 29. Juli 1914|Nr. 357]]. <br> | ||
<sup>4</sup> »Steht im Original links am Rand«. | <sup>4</sup> »Steht im Original links am Rand«. <br> | ||
<sup>5</sup> »hier« vom Kaiser zweimal unterstrichen. | <sup>5</sup> »hier« vom Kaiser zweimal unterstrichen. <br> | ||
<sup>6</sup> »wieder« vom Kaiser zweimal unterstrichen. | <sup>6</sup> »wieder« vom Kaiser zweimal unterstrichen. <br> | ||
<sup>7</sup> Der Satz »die wir . . . . . . . . . . hätten« fehlt in der dem Kaiser vorgelegten | <sup>7</sup> Der Satz »die wir . . . . . . . . . . hätten« fehlt in der dem Kaiser vorgelegten <br> | ||
Abschrift von Lichnowskys Telegramm. | Abschrift von Lichnowskys Telegramm. <br> | ||
<sup>8</sup> Vgl. 293, 323 und 439. | <sup>8</sup> Vgl. [[Nr. 293 Der Kaiser an den Staatssekretär des Auswärtigen, 28. Juli 1914|293]], [[Nr. 323 Der Reichskanzler an den Botschafter in Wien, 28. Juli 1914|323]] und [[Nr. 439 Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt, 30. Juli 1914|439]]. <br> | ||
<sup>9</sup> Der Satz »wie ich . . . . . . . . . konnte« fehlt in der dem Kaiser vorgelegten | <sup>9</sup> Der Satz »wie ich . . . . . . . . . konnte« fehlt in der dem Kaiser vorgelegten <br> | ||
Abschrift des Telegramms. | Abschrift des Telegramms. <br> | ||
<sup>10</sup> »der« fehlt in der Entzifferung des Auswärtigen Amts, | <sup>10</sup> »der« fehlt in der Entzifferung des Auswärtigen Amts, <br> | ||
<sup>11</sup> »wir« vom Kaiser zweimal unterstrichen. | <sup>11</sup> »wir« vom Kaiser zweimal unterstrichen. <br> | ||
<sup>12</sup> Siehe die Randbemerkungen des Kaisers zu Nr. 382 und 401 sowie den | <sup>12</sup> Siehe die Randbemerkungen des Kaisers zu [[Nr. 382 Zwei Artikel des »Daily Chronicle« vom 29. Juli 1914 mit Randbemerkungen des Kaisers, 29. Juli 1914|Nr. 382]] und [[Nr. 401 Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt, 30. Juli 1914|401]] sowie den <br> | ||
kaiserhchen Brief Nr. 474. | kaiserhchen Brief [[Nr. 474 Der Kaiser an das Reichsmarineamt und den Admiralstab, 31. Juli 1914|Nr. 474]]. <br> | ||
<sup>13</sup> Interlinearbemerkung, über »öffentlichen« stehend. | <sup>13</sup> Interlinearbemerkung, über »öffentlichen« stehend. <br> | ||
<sup>14</sup> Am Rand Fragezeichen des Kaisers. | <sup>14</sup> Am Rand Fragezeichen des Kaisers.<br> |
Latest revision as of 21:57, 4 August 2015
WWI Document Archive > Official Papers > Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914 — Volume 2 > Nr. 368.
Telegramm 178 London, den 29. Juli 19142
Das stärkste und |
Sir E. Grey ließ mich soeben noch- |
|
England dekouvriert sich im Moment wo es der Ansicht ist, daß
wir im Lappjagen eingestellt sind und so zu sagen erledigt!
Das gemeine Krämergesindel hat uns mit Diners und Reden
zu täuschen versucht. Die gröbste Täuschung, die Worte des Königs
für mich an Heinrich : » We shall remain neutral and try
to keep out of this as long as possiblen Grey straft den König
lügen, und diese Worte an Lichnowsky sind der Ausfluß des bösen
Gewissens, daß er eben das Gefühl gehabt hat uns getäuscht zu haben.
Zudem ist es tatsächlich eine Drohung mit Bluff verbunden, um
uns von Osterreich loszulösen und an der Mobilmachung zu hindern
und die Schuld am Kriege zuzuschieben. Er weiß ganz genau, daß
wenn er nur ein einziges, ernstes, scharfes abmahnendes Wort in Paris
und Petersburg spricht und sie zur Neutralität ermahnt, beide sofort
stille bleiben werden. Aber er hütet sich das Wort auszusprechen, sondern
droht uns statt dessen! Gemeiner Hundsfott! England allein trägt
die Verantwortung für Krieg und Frieden nicht wir mehr! Das muß auch
öffentlich klargestellt werden.
W.
1 Nach der Entzifferung.
2 Aufgegeben in London 639 nachm., angekommen im Auswärtigen Amt
912 nachm. Eingangsvermerk: 29. Juli nachm. Abschrift der Entzifferung
lag dem Kaiser vor, der darauf vermerkte: » 30. VII. 14 1 Uhr N. M.« Die
Abschnitte »Sir E. Grey . . . . . . . . . . Feindseligkeiten« und »Sodann
sagte . . . . . . . . . Verständigung gewählt« am 30. Juli dem Generalstab,
Admiralstab, Reichsmarineamt und Kriegsministerium mitgeteilt. Siehe
Nr. 407.
3 Siehe Nr. 357.
4 »Steht im Original links am Rand«.
5 »hier« vom Kaiser zweimal unterstrichen.
6 »wieder« vom Kaiser zweimal unterstrichen.
7 Der Satz »die wir . . . . . . . . . . hätten« fehlt in der dem Kaiser vorgelegten
Abschrift von Lichnowskys Telegramm.
8 Vgl. 293, 323 und 439.
9 Der Satz »wie ich . . . . . . . . . konnte« fehlt in der dem Kaiser vorgelegten
Abschrift des Telegramms.
10 »der« fehlt in der Entzifferung des Auswärtigen Amts,
11 »wir« vom Kaiser zweimal unterstrichen.
12 Siehe die Randbemerkungen des Kaisers zu Nr. 382 und 401 sowie den
kaiserhchen Brief Nr. 474.
13 Interlinearbemerkung, über »öffentlichen« stehend.
14 Am Rand Fragezeichen des Kaisers.