Nr. 368 Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt, 29. Juli 1914

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Nr. 368
Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt1

Telegramm 178 London, den 29. Juli 19142


Das stärkste und unerhörteste Stück Engl. Pharisäer- hums das ich je ge- sehen! Mit solchen Hallunken mache ich nie ein Flotten- abkommen !

damit bin ich außer Cours gesetzt.

gut

haben wir seit Ta- gen bereits zu er- reichen versucht umsonst!

Sir E. Grey ließ mich soeben noch-

mals3 zu sich bitten. Der Minister war vollkommen ruhig, aber sehr ernst, und t^^ ^ ^nj^h mit den Worten, daß die

x • i_ • i. -j. o 

^^ge sich immer mehr zuspitze. Sasonow ^abe erklärt, nach der Knegserklarung

nicht mehr in der Lage zu sein, mit Österreich direkt zu unterhandeln und hier5 bitten lassen, die Vermittelung wieder6 anzunehmen. Als Voraussetzung für diese Vermittelung betrachtet die russische Regierung die vorläufige Ein- stellung der Feindsehgkeiten.

Sir E. Grey wiederholte seine bereits gemeldete Anregung, daß wir uns an einer solchen Vermittelung zu vieren, die wir grundsätzlich bereits angenommen hätten7, beteiligen sollten. Ihm persön- lich schiene eine geeignete Grundlage für eine Vermittelung, daß Österreich etwa

nach Besetzung von Belgrad oder anderer Plätze seine Bedingungen kundgäbe8. Sollten Ew. Exz. jedoch die Vermittelung übernehmen, wie ich heute früh in Aus-


sieht stellen konnte9, so wäre ihm das Anstatt der Ver- natürlich ebenso recht. Aber eine Ver- mittelg. ein ernstes mittelung schiene ihm nunmehr dringend Wort an Peters- geboten, falls es nicht zu einer euro- burg u. Paris, daß päischen Katastrophe kommen sollte. England ihnen nicht

hilft würde die Si- Sodann sagte mir Sir E. Grey, er

tuation sofort be- hätte mir eine freundschaftliche und ruhigen. private Mitteilung zu machen, er wünsche

nämhch nicht, daß unsere so herzlichen persönhchen Beziehungen und unser intimer Gedankenaustausch über alle poli- tischen Fragen mich irreführten und er aha! Der gemeine möchte sich für später den Vorwurf ^^^ bleibt/ Täuscher ! ! [der]10 Unaufrichtigkeit ersparen. Die britische Regierung wünsche nach wie vor d. h. wir sollen mit uns die bisherige Freundschaft zu Osterreich sitzen pflegen und sie könne, solange der Kon- lassen urgemein flikt sich auf Österreich und Rußland be- und mephistophe- schränke, abseits stehen. Würden wir11 lisch! aber recht ^Ij^j. j^^^ Frankreich hineingezogen, so "^"^* sei die Lage sofort eine andere und die

britische Regierung würde unter Uni' sind schon gefaßt ständen sich \u schnellen Entschlüssen ge- drängt sehen. In diesem Falle lyürde es d. h. sie werden uns nicht angehen, lange abseits :^u stehen anfallen und ^u warten, »if war breaks out, it

will be the greatest catastrophe that the World ever has seem. Es hege ihm fern, irgendeine Drohung aussprechen zu wollen, er habe mich nur vor Täuschungen und "Zr-^'S/ fah% ^' "'°' ^^"^ Vorxmtrfder Unaufrichtig- ^än^n^k trotjdem gewesen ^^^^ bewahren wollen und daher die Form mißglückt bis in seine let^^te einer privaten Verständigung gewählt12.

Sir E. Grey fügt noch hinzu, die

wir auch! Regierung müsse auch mit der öffent-

neukreierten!13 liehen Meinung rechnen; bisher sei die-

wenn sie will kann selbe im allgemeinen für Österreich günstig sie die öffentliche gewesen, da man die Berechtigung einer Meinuns wenden . ^ . i • a. >

und dirigieren, da gewissen Genugtuung anerkenne, jetzt

ihr die Presse un- aber fange sie an, infolge der öster- bedingt gehorch\i\ reichischen Hartnäckigkeit vollkommen14

umzuschlagen.

Meinem italienischen Kollegen, der ° " mich soeben verläßt, hat Sir E. Grey ge- sagt, er glaube, falls die Vermittelung angenommen werde, Österreich jede mög- liche Genugtuung verschaffen zu können, ein demütigendes Zurückweichen Öster- reichs käme gar nicht mehr in Frage, da die Serben auf alle Fälle gezüchtigt imd unter der Zustimmung Rußlands genötigt werden würden, sich den österreichischen Wünschen unterzuordnen. Österreich könne also auch ohne einen Krieg, der den europäischen Frieden in Frage stelle, Bürgschaften für die Zukunft erlangen.

L i c h n o w s k y


England dekouvriert sich im Moment wo es der Ansicht ist, daß wir im Lappjagen eingestellt sind und so ^u sagen erledigt! Das gemeine Krämergesindel hat uns mit Diners und Reden ^u täuschen versucht. Die gröbste Täuschung, die Worte des Königs für mich an Heinrich : » We shall remain neutral and try to keep out of this as long as possiblen Grey straft den König lügen, und diese Worte an Lichnowsky sind der Ausfluß des bösen Gewissens, daß er eben das Gefühl gehabt hat uns getäuscht ^u haben. Zudem ist es tatsächlich eine Drohung mit Bluff verbunden, um uns von Osterreich loszulösen und an der Mobilmachung :^u hindern und die Schuld am Kriege zuzuschieben. Er weiß ganz genau, daß wenn er nur ein einziges, ernstes, scharfes abmahnendes Wort in Paris und Petersburg spricht und sie zur Neutralität ermahnt, beide sofort stille bleiben werden. Aber er hütet sich das Wort auszusprechen, sondern droht uns statt dessen! Gemeiner Hundsfott! England allein trägt die Verantwortung für Krieg und Frieden nicht wir mehr! Das muß auch öffentlich klargestellt werden. W.

trotz Appells des Zaren an mich !4

mit Hilfe der


1 Nach der Entzifferung. 2 Aufgegeben in London 6^^ nachm., angekommen im Auswärtigen Amt 9^2 nachm. Eingangsvermerk: 29. Juli nachm. Abschrift der Entzifferung lag dem Kaiser vor, der darauf vermerkte: » ^o. VII. 14 i Uhr N. M.« Die Abschnitte »Sir E. Grey Feindseligkeiten« und »Sodann sagte Verständigung gewählt« am 30. Juli dem Generalstab, Admiralstab, Reichsmarineamt und Kriegsministerium mitgeteilt. Siehe Nr. 407. 3 Siehe Nr. 357. 4 »Steht im Original links am Rand«. 5 »hier« vom Kaiser zweimal unterstrichen. 6 »wieder« vom Kaiser zweimal unterstrichen. 7 Der Satz »die wir hätten« fehlt in der dem Kaiser vorgelegten Abschrift von Lichnowskys Telegramm. 8 Vgl. 293, 323 und 439. 9 Der Satz »wie ich konnte« fehlt in der dem Kaiser vorgelegten Abschrift des Telegramms. 10 »der« fehlt in der Entzifferung des Auswärtigen Amts, 11 »wir« vom Kaiser zweimal unterstrichen. 12 Siehe die Randbemerkungen des Kaisers zu Nr. 382 und 401 sowie den kaiserhchen Brief Nr. 474. 13 Interlinearbemerkung, über »öffentlichen« stehend. 14 Am Rand Fragezeichen des Kaisers.