Nr. 386 Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt, 30. Juli 1914

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Nr. 386
Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt1


Telegramm 130                               Wien, den 29. Juli 19142

     Mein russischer Kollege besuchte mich soeben. Er sagte, die
Situation sei sehr kompliziert. Car la Russie se voit dans la nécessité
de mobiliser. 4 Militärbezirke — er glaube Moskau, Odessa, Kiew,
Kasan — würden mobilisiert. Das, was er mir sage, sei offiziell
und werde übrigens auch in Berlin mitgeteilt.
     Seinen sonstigen Ausführungen war noch zu entnehmen,
daß seiner Ansicht nach eine Lokalisierung des österreichisch-
serbischen Konflikts unmöglich erscheine. Rußland fühle sich in
seiner Stellung als Großmacht bedroht, infolge des Vorgehens Öster-
reichs gegen Serbien.
     Ich habe mich im Sinne der Telegramme Nr. 1723 und Nr. 1764
ausgesprochen und besonders auf das von Österreich erklärte terri-
toriale Desinteressement hingewiesen. Herr von Schebeko meinte
aber, so eine Erklärung habe gar keinen Wert.
     Mein französischer Kollege besuchte mich hierauf. Wie dieser
mir sagte, hat Herr von Schebeko ihm kurz vorher die gleiche Mit-
teilung gemacht, die ihn einigermaßen befremdet habe, da Herr
von Schebeko 24 Stunden vorher eine ganz andere Sprache geführt
habe. Rußland, meinte er, habe eine kriegerische Aktion Österreichs
gegen Serbien überhaupt verhindern wollen. Nachdem diese jetzt
nicht mehr zu verhüten sei, antworte es mit der Mobilisierung.
Eine Lokalisierung halte er jetzt nicht mehr für durchführbar, wenn
man auch sicherlich weiter für dieses Ziel arbeiten müsse.

                                                            T s c h i r s c h k y


1 Nach der Entzifferung.
2 Aufgegeben in Wien 29. Juli 730 nachm., angekommen im Auswärtigen Amt
30. Juli 1240 vorm.; Eingangsvermerk: 30. Juli vorm.
3 Siehe Nr. 309.
4 Siehe Nr. 315 Anm. 2.