Nr. 399 Der Reichskanzler an den Kaiser, 30. Juli 1914: Difference between revisions

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Demnach hat der Zar mit seinem  
<i>Demnach hat der Zar mit seinem <br>
Appell an meine Hilfe einfach Co-
Appell an meine Hilfe einfach Co-<br>
mödie gespielt und uns angeführt !
mödie gespielt und uns angeführt !<br>
Denn man bittet nicht um Hilfe
Denn man bittet nicht um Hilfe<br>
und Meditation, wenn man bereits  
und Meditation, wenn man bereits <br>
mobiimacht !&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; W.
mobiimacht !&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp; W.<br>
 
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Darauf muß ich auch mobil  
Darauf muß ich auch mobil <br>
machen !
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die schon am 24/VII begonnen  
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hat
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die Garden auch vermuthlich  
die Garden auch vermuthlich <br>
 
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sie ist nach dem Telegramm  
sie ist nach dem Telegramm <br>
5 Tagen befohlen, also am
des Zaren vom 29. bereits vor<br>
24ten gleich nach überrei-  
5 Tagen befohlen, also am<br>
chung des Ultimatums an Ser-
24ten gleich nach Überrei- <br>
bien. Also lange ehe der Zar
chung des Ultimatums an Ser-<br>
mich telegraphish
bien. Also lange ehe der Zar<br>
seinem ersten Telegramm aus-
mich telegraphish um Vermitt-<br>
drücklich gesagt, er werde vor-  
lung gebeten hat. Er hat bei<br>
aussichtlich gezwungen werden  
seinem ersten Telegramm aus-<br>
Maßregeln ergreifen zu müssen  
drücklich gesagt, er werde vor- <br>
 
aussichtlich gezwungen werden <br>
die zu einem Europ. Kriege  
Maßregeln ergreifen zu müssen <br>
 
die zu einem Europ. Kriege <br>
führen würden. Also damit  
führen würden. Also damit <br>
nimmt er die Schuld auf sich.  
nimmt er die Schuld auf sich. <br>
In Wirklichkeit waren die Maß-  
In Wirklichkeit waren die Maß-<br> </i>
regeln aber schon in vollem Gang und er hat mich einfach belogen. Die Sendung Tatischeffs
und der Wunsch ich möge mich durch seine Mobilmachungsmaßregeln nicht in meiner Mediator-
Rolle stören lassen sind kindisch, und lediglich darauf berechnet uns auf den Gänsedreck if«
führen ! Ich sehe meine Vermittelungsaktion als gescheitert an, da der Zar statt ihre Wirkung
loyal abzuwarten hinter meinem Rücken, ohne mir eine Andeutung ^u machen bereits mobilisiert
hatte! W.
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Berlin, den 29. Juli 1914<sup>2</sup><br>
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&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Ew. K. U. K. M. Botschafter in St. Peters- <br>
bürg meldet in dem alleruntertänigst beige- <br>
fügten Telegramm<sup>3</sup> daß Herr Sasonow ihm <br>
von einer Mobilisierung Rußlands gegen <br>
Österreich Mitteilung gemacht hat. Dem- <br>
entsprechend hat auch der hiesige russische <br>
Botschafter heute hier mitgeteilt, daß Ruß- <br>
land Kiew, Kasan, Odessa und Moskau<sup>4</sup> mo- <br>
bilisiere, dies aber keineswegs den Krieg be- <br>
deute, die diplomatischen Beziehungen zu <br>
Österreich auch nicht abgebrochen würden. <br>
Gegen Deutschland wäre keinerlei Mobilisation <br>
erfolgt<sup>5</sup>. <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Ich habe sofort Ew. M. Botschafter in <br>
Petersburg telegraphisch angewiesen, den russi- <br>
schen Minister auf die wahrscheinüchen Konse- <br>
quenzen dieser Mobilisierung gegen Öster- <br>
reich hinzuweisen Und ihn zu ersuchen, so- <br>
lange die Verhandlungen mit Wien, bei denen <br>
wir vermittelten, fortliefen, jeden kriegeri- <br>
schen<sup>6</sup> Konflikt mit Österreich zu vermeiden. <br>
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v. &nbsp; B e t h m a n n &nbsp; H o l l w e g <br>


Berlin, den 29. Juli 1914<sup>2</sup>
|}
 
<i>regeln aber schon in vollem Gang und er hat mich einfach belogen. Die Sendung Tatischeffs <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Ew. K. U. K. M. Botschafter in St. Peters-
und der Wunsch ich möge mich durch seine Mobilmachungsmaßregeln nicht in meiner Mediator- <br>
bürg meldet in dem alleruntertänigst beige-  
Rolle stören lassen sind kindisch, und lediglich darauf berechnet uns auf den Gänsedreck zu<br>
fügten Telegramm<sup>3</sup> daß Herr Sasonow ihm
führen ! Ich sehe meine Vermittelungsaktion als gescheitert an, da der Zar statt ihre Wirkung <br>
von einer Mobilisierung Rußlands gegen
loyal abzuwarten hinter meinem Rücken, ohne mir eine Andeutung zu machen bereits mobilisiert <br>
Österreich Mitteilung gemacht hat. Dem-
hatte! W.</i><br>
entsprechend hat auch der hiesige russische
Botschafter heute hier mitgeteilt, daß Ruß-
land Kiew, Kasan, Odessa und Moskau<sup>4</sup> mo-
bilisiere, dies aber keineswegs den Krieg be-
deute, die diplomatischen Beziehungen zu  
Österreich auch nicht abgebrochen würden.
Gegen Deutschland wäre keinerlei Mobilisation
erfolgt<sup>5</sup>.
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Ich habe sofort Ew. M. Botschafter in
Petersburg telegraphisch angewiesen, den russi-
schen Minister auf die wahrscheinüchen Konse-
quenzen dieser Mobilisierung gegen Öster-
reich hinzuweisen Und ihn zu ersuchen, so-
lange die Verhandlungen mit Wien, bei denen
wir vermittelten, fortliefen, jeden kriegeri-
schen<sup>6</sup> Konflikt mit Österreich zu vermeiden.
 
v. &nbsp; B e t h m a n n &nbsp; H o l l w e g
 
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<hr>
<sup>1</sup> Nach dem Konzept (Entwurf von Jagows Hand) und der jetzt gleichfalls  
<sup>1</sup> Nach dem Konzept (Entwurf von Jagows Hand) und der jetzt gleichfalls <br>
bei den Akten befindlichen Ausfertigung des Immediatberichts.  
bei den Akten befindlichen Ausfertigung des Immediatberichts. <br>
<sup>2</sup> Abgesandt durch Boten 30. Juli 6<^ vorm. zur sofortigen Vorlage. Kaiser-  
<sup>2</sup> Abgesandt durch Boten 30. Juli 6<sup>0</sup> vorm. zur sofortigen Vorlage. Kaiser- <br>
liche Randbemerkung auf der Ausfertigung: »N. Pal. 30. VII. 14 7 Uhr  
liche Randbemerkung auf der Ausfertigung: »N. Pal. 30. VII. 14 7 Uhr <br>
V. M.« Ausfertigung noch am 30. Juli vom Kaiser in das Auswärtige Amt  
V. M.« Ausfertigung noch am 30. Juli vom Kaiser in das Auswärtige Amt <br>
zurückgelangt, wo am gleichen Tage der Reichskanzler, Jagow und  
zurückgelangt, wo am gleichen Tage der Reichskanzler, Jagow und <br>
Zimmermann von den Randbemerkungen des Kaisers Kenntnis nahmen.  
Zimmermann von den Randbemerkungen des Kaisers Kenntnis nahmen. <br>
<sup>3</sup> Siehe Nr. 343.  
<sup>3</sup> Siehe Nr. 343. <br>
<sup>4</sup> »Moskau« vom Kaiser zweimal unterstrichen.  
<sup>4</sup> »Moskau« vom Kaiser zweimal unterstrichen. <br>
<sup>5</sup> Am Rand Fragezeichen und Ausrufungszeichen des Kaisers.  
<sup>5</sup> Am Rand Fragezeichen und Ausrufungszeichen des Kaisers. <br>
<sup>6</sup> Unter »kriegerischen« drei Ausrufungszeichen des Kaisers.
<sup>6</sup> Unter »kriegerischen« drei Ausrufungszeichen des Kaisers.<br>

Revision as of 07:26, 3 July 2015

WWI Document Archive > Official Papers > Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914 — Volume 1 > Nr. 399.


Nr. 399
Der Reichskanzler an den Kaiser1


Demnach hat der Zar mit seinem
Appell an meine Hilfe einfach Co-
mödie gespielt und uns angeführt !
Denn man bittet nicht um Hilfe
und Meditation, wenn man bereits
mobiimacht !           W.

Darauf muß ich auch mobil
machen !
die schon am 24/VII begonnen
hat



die Garden auch vermuthlich









sie ist nach dem Telegramm
des Zaren vom 29. bereits vor
5 Tagen befohlen, also am
24ten gleich nach Überrei-
chung des Ultimatums an Ser-
bien. Also lange ehe der Zar
mich telegraphish um Vermitt-
lung gebeten hat. Er hat bei
seinem ersten Telegramm aus-
drücklich gesagt, er werde vor-
aussichtlich gezwungen werden
Maßregeln ergreifen zu müssen
die zu einem Europ. Kriege
führen würden. Also damit
nimmt er die Schuld auf sich.
In Wirklichkeit waren die Maß-

Berlin, den 29. Juli 19142

     Ew. K. U. K. M. Botschafter in St. Peters-
bürg meldet in dem alleruntertänigst beige-
fügten Telegramm3 daß Herr Sasonow ihm
von einer Mobilisierung Rußlands gegen
Österreich Mitteilung gemacht hat. Dem-
entsprechend hat auch der hiesige russische
Botschafter heute hier mitgeteilt, daß Ruß-
land Kiew, Kasan, Odessa und Moskau4 mo-
bilisiere, dies aber keineswegs den Krieg be-
deute, die diplomatischen Beziehungen zu
Österreich auch nicht abgebrochen würden.
Gegen Deutschland wäre keinerlei Mobilisation
erfolgt5.
     Ich habe sofort Ew. M. Botschafter in
Petersburg telegraphisch angewiesen, den russi-
schen Minister auf die wahrscheinüchen Konse-
quenzen dieser Mobilisierung gegen Öster-
reich hinzuweisen Und ihn zu ersuchen, so-
lange die Verhandlungen mit Wien, bei denen
wir vermittelten, fortliefen, jeden kriegeri-
schen6 Konflikt mit Österreich zu vermeiden.

v.   B e t h m a n n   H o l l w e g

regeln aber schon in vollem Gang und er hat mich einfach belogen. Die Sendung Tatischeffs
und der Wunsch ich möge mich durch seine Mobilmachungsmaßregeln nicht in meiner Mediator-
Rolle stören lassen sind kindisch, und lediglich darauf berechnet uns auf den Gänsedreck zu
führen ! Ich sehe meine Vermittelungsaktion als gescheitert an, da der Zar statt ihre Wirkung
loyal abzuwarten hinter meinem Rücken, ohne mir eine Andeutung zu machen bereits mobilisiert
hatte! W.


1 Nach dem Konzept (Entwurf von Jagows Hand) und der jetzt gleichfalls
bei den Akten befindlichen Ausfertigung des Immediatberichts.
2 Abgesandt durch Boten 30. Juli 60 vorm. zur sofortigen Vorlage. Kaiser-
liche Randbemerkung auf der Ausfertigung: »N. Pal. 30. VII. 14 7 Uhr
V. M.« Ausfertigung noch am 30. Juli vom Kaiser in das Auswärtige Amt
zurückgelangt, wo am gleichen Tage der Reichskanzler, Jagow und
Zimmermann von den Randbemerkungen des Kaisers Kenntnis nahmen.
3 Siehe Nr. 343.
4 »Moskau« vom Kaiser zweimal unterstrichen.
5 Am Rand Fragezeichen und Ausrufungszeichen des Kaisers.
6 Unter »kriegerischen« drei Ausrufungszeichen des Kaisers.