Nr. 400 Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt, 30. Juli 1914: Difference between revisions

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&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Zu englischem Ersuchen, k. Regierung möge ihren Ein- <br>
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fluß beim Wiener Kabinett dahin geltend machen, damit dieses <br>
fluß beim Wiener Kabinett dahin geltend machen, damit dieses <br>
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hiesigen Forderungen mit emer einzigen Ausnahme impliziere, daß <br>
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vielmehr in den meisten Punkten Vorbehalte formuliert seien, welche <br>
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Wert der Zugeständnisse wesentlich heratxirücken. Ablehnung be- <br>
Wert der Zugeständnisse wesentlich herabdrücken. Ablehnung be- <br>
treffe aber gerade jene Punkte, welche einige Garantie für faktische <br>
treffe aber gerade jene Punkte, welche einige Garantie für faktische <br>
Erreichung des angestrebten Zweckes enthielten. <br>
Erreichung des angestrebten Zweckes enthielten. <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Die k. u. k. Regierung könne ihre Überraschung über die An- <br>
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Die k. u. k. Regierung könne ihre Überraschung über die An- <br>
nahme nicht unterdrücken, als ob ihre Aktion gegen Serbien Ruß- <br>
nahme nicht unterdrücken, als ob ihre Aktion gegen Serbien Ruß- <br>
land imd den russischen Einfluß am Balkan treffen wolle, denn <br>
land und den russischen Einfluß am Balkan treffen wolle, denn <br>
dies hätte zur Vorraussetzung, daß die gegen die Monarchie gerichtete <br>
dies hätte zur Vorraussetzung, daß die gegen die Monarchie gerichtete <br>
Propaganda nicht allein serbischen, sondern russischen Ursprungs <br>
Propaganda nicht allein serbischen, sondern russischen Ursprungs <br>
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gegangen, daß das offizielle Rußland diesen der Monarchie feindlichen <br>
gegangen, daß das offizielle Rußland diesen der Monarchie feindlichen <br>
Tendenzen fern stehe, und richte sich seine gegenwärtige Aktion aus- <br>
Tendenzen fern stehe, und richte sich seine gegenwärtige Aktion aus- <br>
schließhch gegen Serbien, wälirend seine Gefühle für Rußland, wie <br>
schließhch gegen Serbien, während seine Gefühle für Rußland, wie <br>
Graf Berchtüld Sir E. Grey versichern könne, durchaus freund- <br>
Graf Berchtüld Sir E. Grey versichern könne, durchaus freund- <br>
schaithch seien. <br>
schaftlich seien. <br>
 
&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Im übrigen müsse k. u. k. Regierung darauf hinweisen, daß <br>
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sie zu ihrem lebhaften Bedauern nicht mehr in der Lage sei, zu <br>
der serbischen Antwortnote im Sinne der englischen Anregung <br>
der serbischen Antwortnote im Sinne der englischen Anregung <br>
Stellung zu nehmen, da im Laufe des hier gemachten Schrittes <br>
Stellung zu nehmen, da im Laufe des hier gemachten Schrittes <br>
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Kriegszustand zwischen der Monarchie und Serbien bereits einge- <br>
treten und serbische Antwortnote demnach durch Ereignisse bereits <br>
treten und serbische Antwortnote demnach durch Ereignisse bereits <br>
überholt gewesen sei. <br>
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serbische Regierung noch vor Erteilung ihrer Antwort mit Mobili- <br>
serbische Regierung noch vor Erteilung ihrer Antwort mit Mobili- <br>
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Antwortnote zu verlassen, worauf österreichischerseits die Kriegs- <br>
Antwortnote zu verlassen, worauf österreichischerseits die Kriegs- <br>
erklärung erfolgte. <br>
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&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;&nbsp;Wenn im übrigen das englische Kabinett seinen Einfluß auf <br>
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die russische Regierung im Sinne der Erhaltung des Friedens <br>
die russische Regierung im Sinne der Erhaltung des Friedens <br>
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<sup>2</sup> Datiert vom 29. Juli, aufgegeben in Wien 30. Juli 3<sup>0</sup> vorm., angekommen <br>
<sup>2</sup> Datiert vom 29. Juli, aufgegeben in Wien 30. Juli 3<sup>0</sup> vorm., angekommen <br>
im Auswärtigen Amt 30. Juli 6<sup>50</sup> vorm.; Eingangsvermerk: 30. Juli nachm. <br>
im Auswärtigen Amt 30. Juli 6<sup>50</sup> vorm.; Eingangsvermerk: 30. Juli nachm. <br>
<sup>3</sup> Siehe Nr. 277.
<sup>3</sup> Siehe [[Nr. 277. Der Reichskanzler an den Botschafter in Wien, 27. Juli 1914|Nr. 277]].

Latest revision as of 21:36, 4 August 2015

WWI Document Archive > Official Papers > Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914 — Volume 2 > Nr. 400.


Nr. 400
Der Botschafter in Wien an das Auswärtige Amt1


Telegramm 132                               Wien, den 29. Juli 19142 3

     Soeben geht mir Erklärung der k. u. k. Regierung folgenden
Inhalts zu:
     Zu englischem Ersuchen, k. Regierung möge ihren Ein-
fluß beim Wiener Kabinett dahin geltend machen, damit dieses
die Antwort aus Belgrad entweder als genügend betrachte oder
aber als Grundlage für Besprechungen annehme, macht k. u. k. Re-
gierung zunächst darauf aufmerksam, daß serbische Antwortnote keines-
wegs, wie Sir E. Grey anzunehmen scheine, eine Zustimmung zu allen
hiesigen Forderungen mit emer einzigen Ausnahme impliziere, daß
vielmehr in den meisten Punkten Vorbehalte formuliert seien, welche
Wert der Zugeständnisse wesentlich herabdrücken. Ablehnung be-
treffe aber gerade jene Punkte, welche einige Garantie für faktische
Erreichung des angestrebten Zweckes enthielten.
     Die k. u. k. Regierung könne ihre Überraschung über die An-
nahme nicht unterdrücken, als ob ihre Aktion gegen Serbien Ruß-
land und den russischen Einfluß am Balkan treffen wolle, denn
dies hätte zur Vorraussetzung, daß die gegen die Monarchie gerichtete
Propaganda nicht allein serbischen, sondern russischen Ursprungs
sei. Österreich-Ungarn sei bisher vielmehr von der Auffassung aus-
gegangen, daß das offizielle Rußland diesen der Monarchie feindlichen
Tendenzen fern stehe, und richte sich seine gegenwärtige Aktion aus-
schließhch gegen Serbien, während seine Gefühle für Rußland, wie
Graf Berchtüld Sir E. Grey versichern könne, durchaus freund-
schaftlich seien.
     Im übrigen müsse k. u. k. Regierung darauf hinweisen, daß
sie zu ihrem lebhaften Bedauern nicht mehr in der Lage sei, zu
der serbischen Antwortnote im Sinne der englischen Anregung
Stellung zu nehmen, da im Laufe des hier gemachten Schrittes
Kriegszustand zwischen der Monarchie und Serbien bereits einge-
treten und serbische Antwortnote demnach durch Ereignisse bereits
überholt gewesen sei.
     Die k. u. k. Regierung macht weiter darauf aufmerksam, daß
serbische Regierung noch vor Erteilung ihrer Antwort mit Mobili-
sierung vorgegangen ist, und daß sie auch nachher drei Tage ver-
streichen ließ, ohne Geneigtheit kundzugeben, Standpunkt ihrer
Antwortnote zu verlassen, worauf österreichischerseits die Kriegs-
erklärung erfolgte.
     Wenn im übrigen das englische Kabinett seinen Einfluß auf
die russische Regierung im Sinne der Erhaltung des Friedens
zwischen den Großmächten und der Lokalisierung des Österreich-
Ungarn durch die jahrelangen serbischen Umtriebe aufgezwungenen
Krieges geltend zu machen bereit sei, so könne dies die k. u. k.
Regierung nur begrüßen.

                                                            T s c h i r s c h k y


1 Nach der Entzifferung.
2 Datiert vom 29. Juli, aufgegeben in Wien 30. Juli 30 vorm., angekommen
im Auswärtigen Amt 30. Juli 650 vorm.; Eingangsvermerk: 30. Juli nachm.
3 Siehe Nr. 277.