Nr. 41. Der Geschäftsträger in Bukarest an den Reichskanzler, 14. Juli 1914

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WWI Document Archive > Official Papers > Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914 — Volume 1 > Nr. 41.


Nr. 41
Der Geschäftsträger in Bukarest an den Reichskanzler1






































































































Mit Recht













doch!

Ganz geheim!         Bukarest, den 11. Juli 19142

     S. M. der König empfing mich gestern um
12^/2 Uhr in Sinai a. Ich hatte die Ehre, hierauf
zur Frühstückstatel zugezogen zu werden, nach der
sich S. M. noch längere Zeit in Gegenwart des
Prinzen von Rumänien mit mir über die in der
Audienz schon besprochenen Fragen unterhielt.
     S. M. hörte meine im Namen Sr. M. des Kaisers
und Königs gemachten Ausführungen mit lebhaftem
Interesse an. Bei den Stellen, die von dem Freund-
schaftsverhältnis zwischen Rumänien und Serbien,
sowie über die in Rumänien bestehende Agitation
gegen Österreich -Ungarn handelten, machte S. M.
eine zustimmende Kopfbewegung. Auch zu den
Äußerungen, daß Höchstderselbe dem österreichi-
schen Vertreter letzter Zeit zweimal gesagt habe.
Er werde im Falle eines Krieges, mit Rücksicht
auf die österreichfeindliche Stimmung in Rumänien,
Höchstseinen Bundespflicliten nicht nachkommen
können, und als ich davon sprach, daß S. M. der
Kaiser und König in Wien stets für eine Verständi-
gung mit Serbien eingetreten sei, stimmte S. M.
beifällig zu. Als von den Bestrebungen Rußlands,
einen neuen Balkanbund mit einer direkten Spitze
gegen Österreich -Ungarn zu gründen, die Rede war,
unterbrach mich Höchstderselbe mit der Bemerkung,
daß ihm von einer solchen Absicht Rußlands nichts
bekannt sei.3
     Am Schlüsse meiner Ausführungen bemerkte
S. M. zunächst, Er glaube nicht, daß die serbische
Regierung mit dem Attentat in Sarajevo in Ver-
bindung gebracht werden könnte. Er habe dies
auch schon dem Grafen Czernin gesagt und ihn ge-
fragt, ob man denn in Wien sichere Beweise da-
für besitze.4
     Hierauf sprach sich S. M., wie ich schon tele-
graphisch berichtet habe, über die Aussichtslosigkeit
eines Bündnisses mit Bulgarien aus. Als S. M. da-
von sprach, daß Rumänien nicht sofort mit Bulgarian
in ein Bündnisverhältnis treten könne, wies er auf
den letzten Grenzzwischenfall, bei dem ein rumäni-
scher Soldat von einem bulgarischen erschossen
wurde, sowie darauf hin, daß die Stimmung in
Bulgarien gegen Rumänien sehr erregt sei.
     S. M. meinte weiter, die Lage sei zwar augen-
blicklich ernst, doch nicht hoffnungslos. In Wien
scheine man den Kopf verloren zu haben. Es wäre
gut, von Berlin aus auf den Ballplatz einzuwirken,
um der dort herrschenden kleinmütigen Stimmung5
auszuhelfen. Über die politischen Fähigkeiten des
Grafen Berchtold sprach sich S. M. nicht gerade
schmeichelhaft aus. Der König tadelte die Organi-
sation in Bosnien und meinte, man wisse tatsächlich
heute noch nicht, ob Österreich oder Ungarn dort
regiere.
     Während S. M. früher die Mißstimmung im
Lande gegen Österreich-Ungarn als eine Welle, die
wieder vorübergehen werde, bezeichnet hatte,
äußerte Er sich gestern dahin, daß die Agitation
eine ernste sei. Höchstderselbe stimmte mir bei,
als ich die Ansicht aussprach, dieselbe sei deshalb
so heftig geworden, weil man hier Österreich für
schwach halte, und zudem das Selbstbewußtsein in
Rumänien so außerordentlich gestiegen wäre. Als
ich erwähnte, daß hier vielfach der Glaube bestehe,
Siebenbürgen werde in nicht zu ferner Zeit Rumänien
zufallen, meinte S. M., Er trete dieser Auffassung
hier scharf entgegen und habe offen ausgesprochen,
daß Er sich zu einer Eroberung Siebenbürgens
niemals hergeben werde. Nach der Tafel kam das
Gespräch nochmals auf diese Frage, wobei der
König, zum Prinzen Ferdinand gewendet, äußerte:
»Wir werden das ja nicht mehr erleben. Dein Sohn
vielleicht.« 
     S. M. sprach sich bezüghch Serbiens dahin aus,
daß man vor allem den gewissenlosen Preßtreibereien
entgegentreten müsse; diese trügen die Hauptschuld
an allem Unheil und hielten die Gemüter in steter
Erregung.
     Auch in Österreich müsse auf die Presse gewirkt
werden, damit diese nicht allzu sehr gegen Serbien
hetze. Sasonow habe Ihm gesagt, Rußland denke
nicht daran, einen Krieg zu führen, weil es in diesem
Falle viel zu sehr innere Unruhen befürchten müsse,
aber einen Angriff Österreichs auf Serbien könne es
nicht dulden. Bei einem solchen, fuhr der König
weiter, habe Rumänien keine Verpflichtungen.
     Über Bulgarien bemerkte der König, im Laufe
des Gesprächs habe sich Sasonow Ihm gegenüber
derart despektierlich ausgesprochen, daß Er förmlich
als Verteidiger aufgetreten sei. Der König erörterte
auch die Frage bezüghch der Stellung Griechenlands
im Falle eines Bündnisses mit Bulgarien und meinte,
eine Verständigung zwischen diesen beiden Staaten
könne nur erfolgen, wenn Griechenland Kavalla
wieder zurückgäbe.
     Die politische Lage hält der König auch beson-
ders mit Rücksicht auf Albanien für sehr bedenklich.
Er zeigt sich sehr unzufrieden über die Haltung
Italiens daselbst. Insbesondere bezeichnete Er es als
unglaublich, daß man einen Gesandten wie Aliotti
dahin geschickt habe. Dieser hätte seinerzeit London
wegen Falschspielens eiligst verlassen müssen. Aliotti
habe dem Fürsten seinerzeit geradezu gedroht, die
Truppen zurückziehen zu lassen, wenn der Fürst
sich nicht auf ein Schiff begebe.
     Um auf die Stimmung in Serbien gegen Öster-
reich möghchst wirksamen Einfluß nehmen zu können,
hält S. M. für unbedingt notwendig, daß Schritte
von Berlin aus in Petersburg6 in diesem Sinne
gemacht werden.
     Dort müsse man zu verstehen geben, daß es
sich jetzt nicht mehr lediglich um Rassenstreitig-
keiten, sondern um sehr wichtige dynastische In-
teressen handele. Was gestern in Sarajevo geschehen
sei, könne sich morgen ebenso gut in Petersburg
ereignen. Man möge daher von Petersburg aus
ernste Schritte in Belgrad unternehmen. Er, der
König, sei bereit, auch seinerseits in diesem Sinne
einen Druck auf Serbien auszuüben. Femer wolle
Er Seinen Gesandten in Petersburg, der demnächst
mit der Deputation des dem Zaren verliehenen
Regimentes nach Petersburg gehen werde, dies-
bezüghch Instruktionen erteilen. Der König würde
großen Wert darauf legen, daß eine Demarche
Deutschlands in dem gedachten Sinne in Petersburg
erfolge, doch bat er. Ihn nicht als den Urheber der-
selben zu bezeichnen. Höchstderselbe kamt mehrfach
auf die Notwendigkeit eines derartigen Schrittes
zurück und schien sich von einem solchen viel zu
versprechen. Als ich nach der Frühstückstafel die
Gelegenheit benutzte, um Sr. M. auftragsgemäß
von der tiefen Wirkung Höchstseiner kürzlich ge-
machten Demarche in Athen, die die Erhaltimg des
Friedens bezweckte, zu sprechen, und dabei den
Allerhöchsten Randvermerk7 auf dem Bericht des
Grafen Quadt zur Kenntnis brachte, zeigte sich der
König sichtlich erfreut, und meinte, nun hätte S. M,
der Kaiser durch eine Demarche in Petersburg
Gelegenheit, ebenfalls der Sache des Friedens e^nen
großen Dienst zu erweisen.
     Über weitere Eindrücke, die ich aus meiner Unter-
redung mit Sr. M, gewonnen habe, werde ich dem-
nächst berichten.8

                                                       W a l d b u r g


1 Nach der Ausfertigung. Siehe Nr. 16 und 28.
2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 14. Juli vorm. Bericht lag dem
Kaiser vor, von ihm am 20. Juli zurückgegeben, am 23. Juli wieder im Amt
Kaiser befahl durch Randverfügung Muteilung an die Botschafter in
Wien, Rom und Petersburg, die indessen tatsächlich nicht erfolgt ist.
3 Am Rand Fragezeichen und Ausrufungszeichen des Kaisers.
4 Am Rand Ausrufungszeichen und Fragezeichen des Kaisers.
5 Desgleichen.
6 Am Rand Fragezeichen des Kaisers.
7 Der Randvermerk des Kaisers findet sich auf folgendem Telegramm des
stellvertretenden Staatssekretärs an den Kaiser vom 19. Juni:


Wien, Rom, Bukarest,
Stambul, London, Paris,
Petersburg.
Der König hat uns allen
einen großen Dienst er-
wiesen! Wir können
ihm alle sehr dankbar
sein!         W.
der muß scharf zuge-
redet werden!
sehr erfreulich!

Ew. M. Gesandter in Athen telegraphiert:
»Rumäniens Schritt, der hier nur Konig, Minister-
Präsidenten und Minister der auswärtigen Angelegen-
heiten bekannt ist, hat ungeheure Wirkung gehabt, und
ich halte Frieden, wenn Türkei weiter vorsichtig handelt,
für ziemlich gesichert.
Hauptgefahr schien mir darin zu liegen, daß grie-
chische Regierung gegenwärtige Streitfrage mit der
Türkei mit Inselfrage verquickt und hierin neue Forde-
rungen betreffend Anerkennung stellen würde. Diese
Absicht hat entschieden einmal bestanden, scheint aber
jetzt, wie Streit mir versichert, aufgegeben.« 
                     Alleruntertänigst
                                   Z i m m e r m a n n

8 Siehe Nr. 66