Nr. 421 Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt, 30. Juli 1914

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WWI Document Archive > Official Papers > Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914 — Volume 1 > Nr. 421.


Nr. 421
Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt1


Telegramm 192                               Petersburg, den 30. Juli 19142

     Eben mit Sasonow gemäß Weisung Telegramms Nr. 1393 ge-
sprochen. Minister wiederholte seine Erklärung von heute nacht4,
daß Versicherung des territorialen Desinteressements Österreich-
Ungarns Rußland nicht genügen könne. Andere Politik könne er
jetzt nicht vertreten, ohne Leben des Zaren zu gefährden. Ich bat
Sasonow, indem ich vorausschickte, daß ich Erfüllung seiner Wünsche
durch Österreich für aussichtslos hielte, mir dieselbe [n] nochmals selbst
schriftlich zu formulieren und dabei im Auge zu behalten, daß, wenn
überhaupt noch Aussicht auf friedliche Lösiulg bleiben sollte, er sich
durchaus auf irgendein Kompromiß einlassen müsse. Minister
schrieb darauf folgendes nieder:
     »Si l'Autriche déclare qu'en reconnaissant que son conflit avec
la Serbie a assumé le caractère d'une question d'intérêt européen, se
déclare prête á éliminer de son ultimatum les points qui portent
atteinte aux droits souverains de la Serbie, la Russie s'engage à
cesser tous préparatifs militaires5.« 
     Wenn auch diese Forderungen kaum annehmbar sein dürften,
so doch bemerkenswert, daß Sasonows Niederschrift kein Wort von
dem Verlangen sofortiger Einstellung österreichischer Strafexpedition
enthalte. Auf meinen Vorschlag aber, daß Rußland sich vielleicht
zufrieden erklären könnte, wenn Österreich gewisse Zusicherungen
in dem hier gewünschten Sinne für den Friedensschluß abgebe,
wollte Minister nicht eingehen.

                                                                      P o u r t a l è s

                         Ü b e r s e t z u n g  der  Formel Sasonows
                                        [Möglichst wörtlich]

     Wenn Österreich erklärt, daß es in Anerkennung des Umstandes, daß
sein Streitfall mit Serbien den Charakter einer Frage von europäischem In-
teresse angenommen hat, sich bereit erklärt, aus seinem Ultimatum die
Punkte zu entfernen, die den Souveränitätsrechten Serbiens zu nahe treten,
so verpflichtet sich Rußland, alle militärischen Vorbereitungen einzustellen.


1 Nach der Entzifferung.
2 Aufgegeben in Petersburg 11 nachm., angekommen im Auswärtigen
Amt 332 nachm. Randvermerk von der Hand des Reichskanzlers vom
30. Juli: »Welche Punkte des österreichischen Ultimatums hat Serbien
überhaupt abgelehnt? Meines Wissens doch nur die Teilnahme öster-
reichischer Beamter an den Gerichtsverhandlungen. Österreich könnte
auf diese Teilnahme verzichten unter der Bedingung, daß es bis zur Be-
endigung der Verhandlungen Teile Serbiens mit seinen Truppen besetzt
hält.« Darunter Zimmermanns Aktennotiz: »Durch mündlichen Vortrag
erledigt.« 
3 Siehe Nr. 380.
4 Siehe Nr. 412.
5 Der Wortlaut stimmt mit dem von Grat Pourtales in seiner Schrift
»Am Scheidewege zwischen Krieg und Frieden« S. 52 mit geteilten Fak-
simile überein. Siehe dazu auch Nr. 469 zweiter Absatz.