Nr. 476 Der Geschäftsträger in Cetinje an das Auswärtige Amt, 31. Juli 1914

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WWI Document Archive > Official Papers > Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914 — Volume 1 > Nr. 476.


Nr. 476
Der Geschäftsträger in Cetinje an das Auswärtige Amt1


Telegramm 22                               Cattaro, den 30. Juli 19142

     Minister der Auswärtigen Angelegenheiten, den ich sofort nach
Empfang Ew. Exz. Telegramms3 aufgesucht habe, erklärt mir, die
allgemeine Mobilisierung trage nur den Charakter einer
Präventivmaßregel. Montenegro habe nicht die Absicht, Österreich
anzugreifen, habe jedoch mobilisieren müssen, da es jeden Augen-
blick auf einen Angriff der Österreicher gefaßt sein müsse. Auf
meine Erwiderung, daß ich nicht den Grund sehe, warum Öster-
reich Montenegro angreifen solle, erwiderte der Minister, das
offizielle Österreich und Graf Berchtold führten vielleicht nichts
gegen sein Land im Schilde. Die Vorgänge in Cattaro hätten jedoch
gezeigt, daß in der Monarchie augenblicklich das Militär allein
tonangebend sei, und von diesen Herren könne man jeden Tag einen
Überfall erwarten. Auf die Versprechungen Österreichs gebe er
nichts; diese seien ihnen seit 35 [Jahren] gemacht, jedoch nie ge-
halten worden. Daß Österreich mit nötigen Versprechungen im gegen-
wärtigen Moment besonders freigebig sei, sei kein Wunder. Es
müsse der Monarchie unter den gegebenen Umständen besonders un-
angenehm sein, auch mit Montenegro in einen Krieg verwickelt zu
werden, denn bei einem Kampfe Österreichs gegen zwei slawische
Völker könne Rußland nicht ruhig zusehen. Übrigens habe er gehört,
daß Rußland bereits in Galizien eingerückt sei, und daß die slawischen
Regimenter sich weigerten zu marschieren. Ich habe den Minister
gewarnt, solch unbestätigter Meldung zu großen Glauben zu schenken
und sich persönlich . . . . . . . . . .4 zu einem unüberlegten Schritte hin-
reißen zu lassen.

     Der Minister erklärte weiter, keinenfalls könnte Montenegro
ruhig mitansehen, daß Serbien zerstückelt würde. Auf allen Seiten
von Österreich umgeben, sei Montenegro dem Untergang geweiht. Ich
erwiderte, ich glaubte nicht, daß Österreich diese Absicht habe und
habe dem Minister vorgehalten, daß unter den gegebenen Umständen
ein Krieg mit der Monarchie aussichtslos sei. Darauf erklärte der
Minister nochmals, daß Montenegro vorläufig keinen Angriff auf
Österreich beabsichtige, einen Überfall . . . . . . . . . .5 aber bis aufs
äußerste abwehren würde.

     . . . . . . . . .6 erklärt zu sehr in Anspruch genommen zu sein, um
Diplomaten zu empfangen, soll sich jedoch vor einigen Tagen in
gleichem Sinne geäußert haben.

                                                                           Z e c h


1 Nach der Entzifferung.
2 Aufgegeben in Cattaro 30. Juli 1010 nachm., angekommen im Auswärtigen
Amt 31. Juli 1250 nachm.; Eingangsvermerk: 31. Juli nachm. Am 31. Juli
von Jagow, nach Vornahme kleiner Änderungen und unter Fortlassung
des Schlußsatzes mit Telegramm 210 dem Botschafter in Wien mitgeteilt,
85 nachm. zum Haupttelegraphenamt. Desgleichen am 31. Juli auf An-
ordnung Jagows, nach Vornahme kleiner Änderungen und unter Fort-
lassung des letzten Satzes dem Generalstab, Kriegsministerium, Admiral-
stab und Reichsmarineamt mitgeteilt, abgesandt durch Boten 825 nachm.
Auszugsweise am 31. Juli von Bergen auch dem Legationssekretär der
österreichisch-ungarischen Botschaft Grafen Khuen mitgeteilt.
3 Siehe Nr. 322.
4 Zifferngruppe unverständlich.
5 Wie Anm. 4.
6 Zifferngruppe fehlt.