Nr. 489 Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt, 31. Juli 1914

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Nr. 489
Der Botschafter in London an das Auswärtige Amt1


Telegramm 196                               London, den 31. Juli 19142

     Antwort auf Telegramm 1923

     Habe obiges Telegramm soeben bei Sir E. Grey verwertet.
Der Minister meinte zunächst, daß Rußland hinsichtlich der Kriegs-
maßnahmen etwas empfindlich geworden sei, da eine entsprechende
Anregung von uns dort als Drohung verstanden worden wäre. Er
will aber versuchen, in diesem Sinne zu wirken.
     Bezüglich der österreichisch-russischen Unterhaltungen meinte
er, daß alles darauf ankäme, daß Österreich ein derartiges Zuge-
ständnis mache, daß Rußland ins Unrecht versetzt werde, falls es
dann noch ablehne, — dann sei er in der Lage, einen Druck auf
Paris und Petersburg auszuüben. Auch deutete er mir an, daß
gerade diese Frage der Billigkeit unter Umständen auch ausschlag-
gebend sein könne für die Haltung Englands, das durch keinerlei
feste Abmachungen gebunden sei. Sowie Frankreich ins Spiel
käme, würde die öffentliche Meinung sich hier sehr erregen, welche
vorläufig noch in keiner Weise gegen Deutschland Stellung ge-
nommen habe, und er müßte in der Lage sein, gegebenenfalls mit
irgendeinem greifbaren Unrecht auf russischer Seite eine zurück-
haltende Stellungnahme Englands zu begründen. Er sprach dieses
letzte Wort nicht direkt aus; aber gab es deutlich zu verstehen, daß
er nur dann den Gedanken nicht sofortiger Anteilnahme für Frank-
reich vertreten könne, wenn er auf irgendein greifbares Entgegen-
kommen hinzuweisen in der Lage sei. Er betonte immer wieder,
daß England durch keinerlei Verträge gebunden wäre. Ich ver-
mute, daß er seine ursprüngliche Anregung, die militärischen Ope-
rationen in Serbien einzustellen, im Auge hat, nach deren Über-
mittlung Ew. Exz. mich zu der Erklärung bevollmächtigten, daß
Sie in diesem Sinne in Wien zu wirken beabsichtigten, diesseitiges
Telegramm Nr. 1784, dortseitiges Telegramm Nr. 1885.
     Auch ich möchte meinen, daß, wenn Graf Berchtold sich auf
die Wiederholung bekannter Erklärungen und Erläuterungen be-
schränkte, Verhandlungen wenig aussichtsvoll sein werden, und daß
die russische öffentliche Meinung Vordringen österreichischer
Heere in Serbien, verbunden mit der Zerstörung von Städten und
Ortschaften, nicht ertragen und die Regierung vielleicht gegen
ihren Willen zum Eingreifen zwingen würde. Nach meiner Kennt-
nis Wiener Verhältnisse wird es nur ein sehr energischer, von Ber-
lin ausgeübter Druck erreichen, daß man sich in Wien zu einem der-
artigen Zugeständnis entschließt, dessen Gewährung für die zukünf-
tige Haltung Englands im Kriege, falls er trotzdem ausbrechen
sollte, von ausschlaggebender Bedeutung sein könnte.

                                                            L i c h n o w s k y


1 Nach der Entzifferung. Vgl. hierzu auch letzten Absatz von Nr 496.
2 Aufgegeben in London 1215 nachm., angekommen im Auswärtigen Amt
325 nachm. Eingangsvermerk 31. Juli nachm.
3 Siehe Nr. 444.
4 Siehe Nr. 368.
5 Siehe Nr. 393.