Difference between revisions of "Nr. 50. Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler, 15. Juli 1914"
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+ | Ganz Geheim ! Wien, den 14. Juli 1914<sup>2</sup> | ||
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Nachdem mich Graf Tisza verlassen hatte<sup>3</sup>, bat <br> | Nachdem mich Graf Tisza verlassen hatte<sup>3</sup>, bat <br> | ||
− | Graf | + | Graf Berchtold mich zu sich, um mir seinerseits <br> |
das Ergebnis der heutigen Besprechung mitzuteilen. <br> | das Ergebnis der heutigen Besprechung mitzuteilen. <br> | ||
− | Zu seiner großen Freude sei allseitige Überein- <br> | + | Zu seiner großen Freude sei <i>allseitige Überein- <br> |
− | stimmung über den Tenor der an Serbien zu über- <br> | + | stimmung</i> über den <i>Tenor der an Serbien</i> zu über- <br> |
gebenden Note erzielt worden. Graf Tisza sei seiner, <br> | gebenden Note erzielt worden. Graf Tisza sei seiner, <br> | ||
des Ministers, Auffassung in erfreulicher Weise ent- <br> | des Ministers, Auffassung in erfreulicher Weise ent- <br> | ||
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eine Verschärfung hineingebracht. Allerdings habe <br> | eine Verschärfung hineingebracht. Allerdings habe <br> | ||
sich in technischer Beziehung die Unmöghchkeit <br> | sich in technischer Beziehung die Unmöghchkeit <br> | ||
− | herausgestellt, die Note schon am | + | herausgestellt, die Note schon am 16. oder 18. in <br> |
Belgrad zu übergeben. Der französische Text würde <br> | Belgrad zu übergeben. Der französische Text würde <br> | ||
nächsten Sonntag früh 9 Uhr nochmals in einer Be- <br> | nächsten Sonntag früh 9 Uhr nochmals in einer Be- <br> | ||
sprechung der Minister definitiv geprüft werden. <br> | sprechung der Minister definitiv geprüft werden. <br> | ||
Er werde dann voraussichtlich Dienstag dem Kaiser <br> | Er werde dann voraussichtlich Dienstag dem Kaiser <br> | ||
− | die Note in Ischl unterbreiten. Er stehe dafür ein, <br> | + | die Note in Ischl unterbreiten. Er <i>stehe dafür ein,</i> <br> |
− | daß S. M. seine Genehmigung dazu geben werde. <br> | + | daß S. M. seine <i>Genehmigung dazu geben werde.</i> <br> |
Es habe Einmütigkeit darüber in der heutigen <br> | Es habe Einmütigkeit darüber in der heutigen <br> | ||
Besprechung bestanden, daß es empfehlenswert sei, <br> | Besprechung bestanden, daß es empfehlenswert sei, <br> | ||
jedenfalls die Abfahrt des Herrn Poincare aus Peters- <br> | jedenfalls die Abfahrt des Herrn Poincare aus Peters- <br> | ||
burg abzuwarten, ehe man den Schritt in Belgrad <br> | burg abzuwarten, ehe man den Schritt in Belgrad <br> | ||
− | tue | + | tue <sup>4</sup>. Denn es sei wenn möglich zu vermeiden, daß <br> |
− | in Petersburg bei Champagner | + | in Petersburg bei Champagner stimmung und unter <br> |
dem Einfluß der Herren Poincare, Iswolsky und der <br> | dem Einfluß der Herren Poincare, Iswolsky und der <br> | ||
Großfürsten eine Verbrüderung gefeiert werde, die <br> | Großfürsten eine Verbrüderung gefeiert werde, die <br> | ||
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25. Juli erfolgen können<sup>4</sup> <sup>5</sup>. <br> | 25. Juli erfolgen können<sup>4</sup> <sup>5</sup>. <br> | ||
Graf Berchtold bat mich, wie dies auch Graf <br> | Graf Berchtold bat mich, wie dies auch Graf <br> | ||
− | Tisza getan, ausdrücklich | + | Tisza getan, ausdrücklich und wiederholt, meiner <br> |
Regierung gegenüber keine Zweifel darüber zu lassen, <br> | Regierung gegenüber keine Zweifel darüber zu lassen, <br> | ||
− | daß lediglich die Anwesenheit | + | daß lediglich die Anwesenheit Poincarés in Peters- <br> |
burg der Grund für den Aufschub der Übergabe <br> | burg der Grund für den Aufschub der Übergabe <br> | ||
der Note in Belgrad sei, und daß man in Berlin <br> | der Note in Belgrad sei, und daß man in Berlin <br> | ||
− | vollkommen sicher sein könne, daß von einem Zö- <br> | + | vollkommen sicher sein könne, daß von <i>einem Zö- <br> |
− | gern oder einer | + | gern oder einer Unschlüssigkeit hier keine Rede sei.</i> <br> |
Der Minister sagte schließlich, er werde nach <br> | Der Minister sagte schließlich, er werde nach <br> | ||
Feststellung des Textes am Sonntag der Kaiserlichen <br> | Feststellung des Textes am Sonntag der Kaiserlichen <br> | ||
Line 63: | Line 62: | ||
<sup>2</sup> Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 15. Juli nachm. Bericht lag dem <br> | <sup>2</sup> Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 15. Juli nachm. Bericht lag dem <br> | ||
Kaiser vor, von ihm am 20. Juli zurückgegeben, am 23. Juli wieder im Amt. <br> | Kaiser vor, von ihm am 20. Juli zurückgegeben, am 23. Juli wieder im Amt. <br> | ||
− | <sup>3</sup> Siehe Nr. 49. <br> | + | <sup>3</sup> Siehe [[Nr. 49. Der Botschafter in Wien an den Reichskanzler, 15. Juli 1914|Nr. 49]]. <br> |
<sup>4</sup> Am Rand Ausrufungszeichen des Kaisers. <br> | <sup>4</sup> Am Rand Ausrufungszeichen des Kaisers. <br> | ||
− | <sup>5</sup> Siehe Nr. 93, 96 und 108. <br> | + | <sup>5</sup> Siehe [[Nr. 93. Der Staatssekretär des Auswärtigenan den Botschafter in Petersburg, 21. Juli 1914|Nr. 93]], [[Nr. 96. Der Admiralstab der Marine an den Staatsekretär des Auswärtigen, 21. Juli 1914|96]] und [[Nr. 108. Der Botschafter in Petersburg an das Auswärtige Amt, 22. Juli 1914|108]]. <br> |
Latest revision as of 14:35, 10 June 2015
WWI Document Archive > Official Papers > Die Deutschen Dokumente zum Kriegsausbruch 1914 — Volume 1 > Nr. 50.Ganz Geheim ! Wien, den 14. Juli 19142
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Nachdem mich Graf Tisza verlassen hatte3, bat v o n T s c h i r s c h k y |
1 Nach der Ausfertigung.
2 Eingangsvermerk des Auswärtigen Amts: 15. Juli nachm. Bericht lag dem
Kaiser vor, von ihm am 20. Juli zurückgegeben, am 23. Juli wieder im Amt.
3 Siehe Nr. 49.
4 Am Rand Ausrufungszeichen des Kaisers.
5 Siehe Nr. 93, 96 und 108.